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Petition im BundestagSchub fürs Grundeinkommen

Über 174.000 Bürger*innen unterzeichnen eine Petition an den Bundestag für das bedingungslose Grundeinkommen. Die Bundesregierung bleibt skeptisch.

Das bedingungslose Grundeinkommen verlangt keine Gegenleistungen Foto: Cavan images/imago

Berlin taz | Die Coronakrise kostet zahlreiche Bürger*innen ihren Arbeitsplatz oder Teile des Einkommens. Deshalb fragen sich viele, ob die bisherige soziale Sicherung ausreicht. So haben bis Montagnachmittag über 174.000 Personen die Bundestagspetition für „ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger“ unterzeichnet. Am Abend endete die Zeichnungsfrist.

Die Eingabe der Grundein­kom­men-Aktivistin Susanne Wiest gehört damit zu den erfolgreichsten Petitionen seit Langem. Allerdings gab es schon Einreichungen zu anderen Themen, die über 400.000 Leute mittrugen.

Wiest plädiert dafür, das Grundeinkommen „kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber so lange wie notwendig“ einzuführen. Die neue Sozialleistung müsse „existenzsichernd sein. Vorstellbar ist ein Betrag von 1.000 Euro pro Person.“ Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht es im Prinzip darum, dass der Staat allen Bürger*innen ein Basiseinkommen auszahlt, ohne dass diese dafür Gegenleistungen erbringen müssen. Die Idee wurde populär, nachdem die rot-grüne Bundesregierung die alte Arbeitslosenhilfe Mitte der 2000er Jahre abgeschafft und durch Hartz IV ersetzt hatte.

Dem Bundestag liegen noch zwei weitere, ähnliche Petitionen vor. Zusammen werden sie demnächst vom Petitionsausschuss des Parlaments beraten, später dem Plenum zugeleitet und vielleicht dort auch diskutiert. Wann das passiert, ist unter anderem wegen des coronabedingten Arbeitsstaus unklar. Möglicherweise sind die Geschäfte schon wieder offen, und die Wirtschaft gewinnt neuen Schwung, wenn das Thema dran ist.

Auch andere Petitionen haben Zuspruch

Währenddessen unterzeichneten bis Montagnachmittag über 460.000 Leute auf der Kampagnenplattform Change.org eine ähnliche Petition der Modedesignerin Tonia Merz. Sie beklagt, dass die bisherigen Staatshilfen für Selbstständige und kleine Firmen nicht ausreichen.

„Was dem Land helfen würde, ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 800 bis 1.200 Euro pro Person für sechs Monate“, schreibt Merz, „schnell, unbürokratisch, zeitlich begrenzt. Das würde den sozialen Absturz Tausender verhindern.“ Eine vergleichbare Petition hat auf der Plattform openpetition.de fast 288.000 Unterstützer*innen gewonnen.

Und kurz vor der großen Coronaschließung schaffte die „Expedition Grundeinkommen“ den Sprung über die Hürde der Volksinitiative in Hamburg. Sie reichte mehr als 10.000 Unterschriften beim Senat ein. Dieser muss sich nun mit dem Anliegen beschäftigen, einen staatlich organisierten, wissenschaftlich begleiteten Modellversuch zum Grundeinkommen durchzuführen.

Mitgliederentscheid bei der Linken?

„Der Druck wird größer“, sagte Ronald Blaschke, der Pressesprecher des Netzwerks Grundeinkommen. Dazu beitragen mag auch, dass die spanische Regierung an einem Mindesteinkommen für Familien arbeitet, die ihr Existenzminimum nicht selbst decken können – wobei es sich dort nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle handelt.

Die Bundesregierung beschloss im März umfangreiche Direktzahlungen an Selbstständige und kleine Firmen. Außerdem erleichterte sie den Zugang zu Hartz-IV-Leistungen – die Vermögensprüfung fällt vorübergehend weg. Von solchen Notprogrammen abgesehen, ist bei den Bundestagsparteien jedoch kaum Bewegung in Richtung des Grundeinkommens zu sehen. Eine Ausnahme ist die Linkspartei: Dort soll möglicherweise 2021 ein Mitgliederentscheid zum Thema stattfinden.

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16 Kommentare

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  • tja eine partei die das fordert soll halt auch offen legen wie es finanziert wird.



    der wert wurde ja schon unten genannt grob 1 billion im jahr. da sind selbst alle deutschen millardäre schnell pleite bei einer vermögensabgabe in der größenordnung.und das die anderen sozialausgaben gekürzt werden wird ja auch nicht in frage kommen oder werden alle renten über 1000 € dann als ungültig erklärt ? rein rechtlich wird es auch nicht möglich sein eu-bürgern bzw migranten dieses zu verweigern..... das geht endlos so weiter.für mich persönlich 2000€ mit frau ohne was zu tun im (wertlosen) eigenheim da brauch ich nicht lange überlegen und schon wird aus einem nettozahler ein nettoempfänger.......

  • Ist das Foto mit sich im Bett räkelden Beinen der Kommentar der taz zum Thema BGE??



    Könnte ja auch jemand sein, der gemeinnütziger Tätigkeit nachgeht, jemand der kreativ ist, jemand der ökologisch wirkt...



    Wo geht es gerade so hin bei der taz?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    1000Euro/Monat und Person mal 80Mio Einwohner mal 12 Monate macht 960Mrd € pro Jahr. Hut ab. Ja, ja, Deutschland ist reich, Millionäre und Milliardäre, Reichensteuer, Vermögenssteuer usw usw, ich weiß..... Aber ich fürchte auch wenn man all die Quandts, Albrechts und Co komplett enteignen würde, käme man nicht allzuweit.

  • "Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 800 bis 1.200 Euro pro Person für sechs Monate“

    Im Rahmen der Freizügigkeit innerhalb der EU dürfte in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Litauen, Lettland etc. Niemand mehr für weniger als1000 Euro als Lehrer/in arbeiten. Das BGE ist auf einer Insel umsetzbar, sofern aber Einkommensunterschiede in einer Union vorhanden sind, schafft es unkalkulierbare Migration und Verzerrungen.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, wenn ausgerechnet ein mikrobisch kleiner Schlingel dahingehend für Gerechtigkeit sorgte, indem er all jene dem Genuss einer nach einem verurteilten Straftäter benannten Regel zuführt, die einst die Klappe so weit aufgerissen hatten, um vom hohen Ross herab all jene als Schmarotzer und Faulpelze zu schmähen, welche die Bettelstuben aufsuchen mussten, da von zwei Herren mit ausgeprägtem Hang zu sequentieller Mehrehe so eingerichtet, einem Anwalt mit Vorliebe für Bierflaschen und Zigarren gemeinsam mit einem Taxifahrer mit Neigung zu Jo-jo-Effekt und gehobener italienischer Gastrokultur.

  • Auch auf die Rente drauf?



    Auch wenn man im Ausland arbeitet?

  • Ein BGE ist aus anderen Gründen noch viel dämlicher.

    Wenn mE eine Lehre aus "Corona" gezogen werden sollte, dann der Umbau, eine schrittweise Transformation, der bisherigen Welt von Arbeit, Einkommen, schlicht der Ökonomie.

    Z.B. müssten die Böden saniert werden. Dazu braucht es viele Hände. Dort tätig sein und Arbeitsplätze schaffen, sehr gut bezahlte, anstatt eines BGE.

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Computer zu Flugscharen. Yeah!

      • @80576 (Profil gelöscht):

        Sie werden sich wundern, wenn erst einmal Aldi- und Lidl-Bezirksleiter die Schippe in die Hand nehmen. Yeah. :-)

  • Wird der Druck wirklich größer? Die Frage der Gegenfinanzierung ist ja noch lange nicht geklärt.

    Bei einer Bevölkerung von 83 Mio und EUR 1000 im Monat sind wir bei monatlich 83 Mrd/Monat. Und das in einer Zeit, in welcher die Steuereinnahmen reihenweise wegbrechen. Klasse Idee.

    • @DiMa:

      Meine Befürchtung bezüglich des BGE ist die folgende.

      Wenn der Druck auf die Arbeitnehmerschaft nachlässt, müssen höhere Löhne gezahlt werden, vor allem für unbeliebte Berufe.



      -> Die Preise steigen.



      -> Das 1000-Euro BGE ist am Ende nicht besser als Hartz 4, nur dass es nicht zusammengekürzt werden kann.

      Falls ich einen Gedankenfehler gemacht habe, möge man mich darauf hinweisen.

      Und unter welchen "Bedingungen" wird das BGE überhaupt gezahlt?



      Muss man Bürger sein? Ich denke ja, sonst würde ein Land mit BGE sofort von Gästen überrollt.



      Muss man sich hauptsächlich in D aufhalten, oder kann man das ganze BGE Geld im Ausland ausgeben? Ich glaube nicht.



      Wie schon angesprochen: Gibts das BGE zusätzlich zur Rente oder anderer Sozialleistungen oder werden diese alle abgeschafft? Ich denke das müssten sie, damit das ganze bezahlbar wird.

      Es ist eine gute Idee im Grunde, aber die Umsetzung hat schon einige Tücken.

      • @Fabian Wetzel:

        Also ich streite eine Finanzierbarkeit, na sagen wir einmal für zwei Jahre, ach, Wurscht, von mir aus auch länger, grundsätzlich nicht ab.

        Die Inflation, so sie anzöge, ich gehe gleichfalls davon aus, böte die grundsätzliche Möglichkeit, alle Preise zu erfassen, so dass Löhne und Steuereinnahmen steigen könnten.

        Isoliert betrachtet, mir fällt keine dümmere Einleitung ein, würden sich unsere "Nachbarn" über in Deutschland steigende Preise im Grunde freuen. Stichwort Euro-Krise.

        Bleibt es jedoch bei einem rein deutschen Effekt? Bekommen am Ende diejenigen unter dem dt. Lohndumping leidenden Nachbarn nicht noch eine Schippe Notleiden oben drauf, oder im Wesentlichen nur erwünschte pos. Effekte ab?

        M.W.n. wird dies nicht erforscht, aber hier kann ich mich irren.

        Für mich fängt die Idiotie am BGE aber bereits ganz woanders an.



        Ich meine eben nicht, dass ein neoliberales Konzept (gemäß der mir bekannten Konzepte, die neoliberal sind, zB Uni Humbug, äh, Hamburg gehen Teile von Verwaltung flöten und werden letztlich Lohnkosten gespart), trägt. Und wenn sich tatsächlich die Menschen befreit fühlen und Löhne steigen müss(t)en, damit die Unternehmen die Menschen wieder gewinnen müssen, falls andere Tricks nicht ziehen, dann stehe ich aber mit der Eieruhr da, um die Zeit zu messen, wann die Unternehmen Gegenmaßnahmen ergreifen, um ihren schönen Kapitalismus zu retten.

        Denkt denn allen Ernstes jemand, dass sich in einer neoklassischen Welt, in der alles zu bezahlen ist, eine nicht-neoklassische Maßnahme, jedenfalls eine, die Vermögensinteressen zu beeinträchtigen geeignet wäre, (widerstandslos und dauerhaft) implementieren ließe 🤦‍♂️?

    • @DiMa:

      Nunja, das müsste man erstmal korrekt ausrechnen. Bedenken Sie wieviele Behörden und Ämter geschlossen oder extrem verschlankt werden könnten.

      Auch könnte vielleicht bei der Kriminalitätsbekämpfung etwas gespart werden.

      Es gibt da viele zu berücksichtigende Faktoren.

      • @Fabian Wetzel:

        Selbst wenn Sie Ämter und Behörden verschlanken, dann dürfen Si enicht vergessen, dass dort meist Beamte arbeiten. Diese sind unkündbar und es würde zu keiner Einsparung kommen.

        Und EUR 1000/ Monat sind wohl auch kaum geeignet, irgendetwas an der Kriminalität zu ändern. Zumindest würde ich insoweit keinen klalkulatorischen Posten bilden.

  • Danke für die gelungene Illustration zum BGE.



    Alle die tausend Euro im Monat ohne Gegenleistung bekommen, bleiben einfach im Bett liegen. Das ist nicht weit von der Wirklichkeit entfernt, denn allein schon die Zuhause- bleiben-Regel wegen Covid 19 zeigt, wie viele ihren Tagesablauf ändern. Um 7h Aufstehen? Nicht nötig.



    Die Anhänger des BGE hoffen ja, dass die Bürgerinnen trotzdem noch arbeiten gehen....

  • Ich habe die Petition unterstützt, aber nur für die Dauer der Coronakrise, und habe das vor allem als Ersatz für die umfangreichen "normalen" Sozialleistungen gesehen. So finde ich es unangemessen, wenn z.B. Rentner und sog. Kurzarbeiter teilweise 2000 Euro und mehr vom Staat überwiesen bekommen, ebenfalls ohne Gegenleistung und alles auf Schulden, während es gar nicht die Möglichkeiten gibt, viel Geld auszugeben.

    Derweil bekommen andere unverschuldet viel weniger oder nichts vom Staat. Die Menschen in "systemrelevanten" Berufen verdienen teils weniger, als was Industriebeschäftigte für "Kurzarbeit Null" bekommen, arbeiten sozusagen für lau, und auch sie bleiben auf Jahrzehnte mit den Corona-Schulden belastet.

    Mitlerweile sind viele Weichen anders gestellt worden, mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft wird die Begründung für ein temporäres Grundeinkommen wegfallen. Eine verpasste Chance, diese Krise fairer und für den Staat preiswerter zu überstehen.