piwik no script img

Petition der WocheEin Bus für die Pünktlichkeit

Im Landkreis Görlitz soll der S16 durch Linienbusse ersetzt werden. Eine Petition lehnt das ab – damit die Kinder weiter pünktlich ankommen.

Wie kommen die Kinder im Landkreis Görlitz zukünftig zur Schule? Und wann? Foto: dpa

Jeden Werktag um 7.19 Uhr steigt Greta an der Haltestelle Gersdorf Bahnhof in den Schulbus S 16 ein. Sie ist neun Jahre alt und besucht die dritte Klasse der Grundschule Markersdorf im sächsischen Landkreis Görlitz. Wenn Greta den Bus betritt, sitzen schon rund 60 Kinder darin. Der Busfahrer hat sie zuvor in den Ortsteilen Pfaffendorf und Jauernick-Buschbach eingesammelt. Nach fünf weiteren Haltestellen erreicht der Bus um 7.27 Uhr das orange-gelbe Schulgebäude. Er hält direkt vor dem Schulhof.

Ab 2022 jedoch soll der Schulbus durch drei Linienbusse ersetzt werden. Greta und die anderen Buskinder wären dann nicht mehr um kurz vor halb acht an der Schule, sondern spätestens um zehn nach sieben – eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn.

So zumindest sieht es das neue Verkehrskonzept „Gut vernetzt“ des Landkreises Görlitz vor, der Taktfahrpläne für Busse und Züge einführen will. Konkret bedeutet das: Die Fahrpläne der Busse werden an die der Regionalzüge angepasst. Dadurch verkürzten sich die Fahrzeiten in umliegende Städte und Wandergebiete, heißt es auf der Webseite des Landkreises.

Gretas Mutter Dorit Matuschek ist Schulsprecherin der Grundschule Markersdorf und hält das geplante Verkehrskonzept für Unsinn: „Wegen der früheren Ankunftszeit der Buskinder müsste der Unterricht künftig schon um 7,15 Uhr beginnen“, sagt Matuschek. „Dabei zeigen Studien, dass Kindern Lernen so früh am Morgen schwerfällt.“ Außerdem beträfen die veränderten Unterrichtszeiten nicht nur die Buskinder, sondern alle Schü­le­r*in­nen der Grundschule.

Höhere Kosten und erste Kompromisse

150 Familien müssten eine halbe Stunde eher aufstehen. Statt den Unterrichtsbeginn vorzuziehen, könnten die Buskinder auch bis Schulbeginn den Hort besuchen, der an die Grundschule angrenze. Das allerdings wäre mit höheren Kosten für die Eltern verbunden, sagt Matuschek. „Das Verkehrskonzept benachteiligt Familien und Schulen auf dem Land.“

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Einen Tag nachdem Matuschek über die Direktorin von den Plänen erfuhr, schickte sie dem Landratsamt eine Mail mit ihren Kritikpunkten. „Das Amt ist auf keinen Punkt eingegangen und antwortete, dass es in der Konzeptionsphase nur mit Kommunen und Schulleitungen spreche“, sagt Matuschek. Aus Angst, nicht gehört zu werden, hat sie daraufhin die Petition „Schulbus für Landschulen retten“ gestartet. Seit Anfang Mai haben mehr als 1.500 Menschen unterzeichnet.

Einen kleinen Erfolg hat die Petition bereits erreicht. Eigentlich sollten die Linienbusse nicht mehr vor der Grundschule stoppen, sondern an der 350 Meter entfernten Haltestelle Markersdorf Mühle. Von dort aus sollten die Kinder zur Schule laufen. „Der Weg ist für Grund­schü­le­r*in­nen aber viel zu gefährlich“, sagt Matuschek. Sie müssten die Dorfstraße, auf der Autos mit 50 Stundenkilometern fahren, in einer Kurve überqueren. Und dann entlang eines Fußwegs, den die Autos bei Gegenverkehr als Ausweichmöglichkeit nutzten.

Zehn Tage nach Petitionsbeginn kamen zwei Mitarbeiter des Landratsamts in die Schule, um mit der Direktorin und Matuschek zu reden. „Sie haben unsere Sorgen verstanden und uns versichert, die Haltestelle vor der Schule zu erhalten“, sagt Gretas Mutter. „Jetzt müssen wir nur noch die Anpassung der Unterrichtszeiten diskutieren.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ohweia. Neuplanung eines Busnetzes. Ich rieche schon den Neoliberalismus und Wettbewerbe unter den Busunternehmen mit möglichst billigen Kilometerpreisen, zu Lasten von Fahrgästen, Fahrzeugwahl und Fahrzeiten.

    Ich meine, dass die Zeiten des Busses an die Zeiten der Züge angepasst werden ist lobenswert. Ich finde es jedoch verdächtig, dass man für eine Schulbuslinie nun drei Linien benötigt. Vielleicht meint man ja Umläufe, also die Anzahl der Fahrzeuge auf einer Linie?

  • ?



    Wenn die Busse der neuen Linie um 7.10 angekommen, anstelle von 7.27 wie bisher, muss der Unterricht 30 Minuten früher anfangen?

    Abgesehen davon, dass der Unterricht eh zu früh anfängt, sollte man bei der Planung sicher auch Schulanfänge im Blick haben.



    Aber so, wie es hier dargestellt ist, ist es eher ein Beispiel dafür, warum es nichts wird mit einer Verkehrswende mit öffentlichen Mitteln. Die Neu-Planung eines vernetzten Systems wird immer dazu führen, dass gewohnte Verbindungen wegfallen. Dagegen wird dann protestiert und wenn die Takte geändert werden, wird es andere treffen, die jetzt 17 Minuten warten müssen, die dann protestieren....