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Persönliches Statement von Hitzlsperger„Das ist eine Selbstverständlichkeit“

In einer Videobotschaft sagt der Ex-Nationalspieler, Profifußball und Homosexualität schließe sich nicht aus. Notwendig sei eine Debatte über die Lage in Russland.

Screenshot: http://www.youtube.com/watch?v=ZO9ljFakqrg

MÜNCHEN afp | Ex-Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat in der Nacht zum Donnerstag eine längere Erklärung über sein Coming out als Homosexueller herausgegeben. „Profisport und Homosexualität schließen sich nicht aus, davon bin ich überzeugt“, heißt es in der Erklärung, die kurz nach Mitternacht von Hitzlspergers Medienberater Pietro Nuvoloni veröffentlicht wurde. Dem Londoner Guardian sagte Hitzlsperger, eine Debatte über die Lage in Russland sei erforderlich.

Hitzlsperger äußerte die Hoffnung, er werde mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit „jungen Spielern und Profisportlern Mut machen“. Jeder Mensch solle so leben dürfen, dass er „wegen seiner Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Neigung oder Religion keine Angst haben muss diskriminiert zu werden“, erklärte der 31-Jährige. „Das verstehe ich nicht als politisches Statement, sondern als Selbstverständlichkeit.“

Er wünsche sich, dass „die öffentliche Diskussion jetzt wieder ein Stück weiterkommt“. Die „Fußballszene“ begreife sich „in Teilen immer noch als Machowelt“, beklagte Hitzlsperger. Das Bild eines schwulen Spielers werde „von Klischees und Vorurteilen geprägt“, die Realität sehe indes „anders aus“.

Hitzlsperger betonte in der Videobotschaft, dass es für ihn selbst und seine Familie unwichtig sei, dass er gerade jetzt an die Öffentlichkeit gehe. „Wichtig ist es nur für die Leute, die homophob sind, andere ausgrenzen aufgrund ihrer Sexualität – und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr.“

Gegen die Diskriminierung von Minderheiten, ob sexueller oder anderer, müsse etwas unternommen werden, sagte Hitzlsperger dem Guardian, der ihn auf die bevorstehenden Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi ansprach. Er sei „neugierig“ zu sehen, was bei den Olympischen Spielen in Russland geschehen werde, sagte Hitzlsperger. Jedenfalls habe er nichts dagegen, dass sein Coming out auch im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen diskutiert werde.

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Das russische Parlament verabschiedete im Juni ein Gesetz, das die Propagierung der Homosexualität in Gegenwart von Minderjährigen unter Strafe stellt. Schwulen und Lesben kämpfen in der konservativen russischen Gesellschaft mit vielfachen Erscheinungsformen von diskriminierender Behandlung.

Hitzlspergers Coming out wurde am Mittwoch über ein Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit publik. Der Fußballer spielte in der Jugend für den FC Bayern München, 2000 wechselte er zum englischen Premier-League-Verein Aston Villa. Danach war er unter anderem Kapitän des VfB Stuttgart, spielte in England und Italien. Für die deutsche Nationalmannschaft lief der Mittelfeldspieler zwischen 2004 und 2010 insgesamt 52 Mal auf. Vor vier Monaten zog sich Hitzlsperger aus dem öffentlichen Leben als Fußballprofi zurück.

Es gibt nur wenige international bekannte Sportler, die ihre Homosexualität publik gemacht haben. Dazu zählen der Wasserspringer Greg Louganis, der Basketballspieler John Amaechi und die Tennisspielerin Martina Navratilova.

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6 Kommentare

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  • In welcher Verfassung ein demokratisches Land wie Deutschland ist, dokumentiert der Wirbel um das zweifellos mutige Bekenntnis des Exprofis Hitzlsperger zu seiner Homosexualität, braucht man hier ein Antidiskriminierungsgesetz, um Minderheiten zu schützen, da der Gesellschaft die nötige Toleranz fehlt, das Andere als Bereicherung zu betrachten und nicht als Bedrohung, die es zu bekämpfen gilt.

    Homosexualität im Leistungssport der Männer ist ein Tabu, da mit Schwulsein automatisch schwache Attribute konnotiert werden, von hartnäckigen Pathologisierungen abgesehen. Familienpolitisch erleben wir aktuell eine Debatte um die Gleichstellung homosexeuller Lebensgemeinschaften, die von Konservativen geradezu als staatszersetzend dargestellt werden, will man am traditonellen Familienmodell heterosexueller Natur festhalten, obwohl sich Lebenswirklichkeiten dieses Modells stetig wandeln.

    Weltmeisterhaft realitätsfern bleibt zu diesem Thema die katholische Kirche, auch wenn der neue Papst hier moderatere Töne anschlägt.

    Solange Menschen nach ihrer sexuellen Orientierung bewertet werden, solange werden die Betroffenen Angst vor Diskriminierungen haben müssen, bleibt das Outing ein Risiko, das auch ein prominenter Mann wie Thomas Hitzlsperger erst nach seiner Karriere eingegangen ist, was im Russland des "Zarewitsch Putin" noch lange undenkbar scheint, dort sein Outing heldenhaft wäre.

    • B
      Balduin
      @kroete:

      Mehrheiten, bzw. die Idioten innerhalb der Mehrheiten, werden immer nach Minderheiten suchen, die sie diskriminieren oder zum eigenen Vorteil unterdrücken können. Sieht man doch in jeder Gesellschaft. Doch wie löst man die Idiotenfrage?

  • MM
    Mensch Meier

    bekommt die taz jetzt schon von sportlern gesagt, welchen ländern man welche forderungen stellen soll? und hitzelsberger hatte nicht noch eine lösung für den nahostkonflikt parat?

  • W
    Willi

    Hervorragend. Die Debatte über Russland ist überfällig. Warum kommt eigentlich niemand auf die Idee, die Spiele überhaupt zu boykottieren? ICH jedenfalls habe keine Lust auf diese WM.

    • B
      Balduin
      @Willi:

      Die einen machen Geschäfte mit den Russen, die anderen leben ihren kranken Sportler-Ehrgeiz aus. Da spielen Menschenrechte doch keine Rolle.

      Ja, die Spiele gehören boykottiert und zwar per Gesetz von der Regierung beschlossen. Alles andere sind Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden von Leuten, die sich einen Dreck drum scheren.

  • L
    luise

    Super! Respekt und ja, die Debatte über Russland ist fällig!