Periodenspender in Berlin-Lichtenberg: So normal wie Klopapier
Der Stadtteil weitet sein Angebot an Menstruationsartikeln aus. Das soll enttabuisieren und Menschen helfen, für die sie zu teuer sind.

Die Privatinitiative fordert kostenfreie Periodenartikel in allen öffentlichen Toiletten des Stadtteils. Sie wurde von fünf Frauen ins Leben gerufen, die im Bezirk leben und arbeiten. In einem Pilotprojekt hat sie letztes Jahr erreicht, dass der Stadtteil Lichtenberg zwölf Automaten mit kostenlosen Periodenartikeln in Bibliotheken, Jugend- und Sportzentren sowie im Bezirksamt aufhängte. Dieses Jahr fördert das Bezirksamt den Ausbau des Projekts mit rund 20.000 Euro.
Der erste metallfarbene Spender in Lichtenberg mit einem Schlitz für Binden und einem Fach für Tampons hängt seit März letzten Jahres in der Damentoilette des Vereins für aktive Vielfalt (VaV) in Hohenschönhausen. In dem Haus befinden sich auch noch eine Wohnungslosenhilfe und die Koordinierungsstelle Alleinerziehende Lichtenberg.
Besonders für heranwachsende Frauen, teilweise armutsbetroffen, stelle die Nutzung von Hygieneartikeln, oftmals eine nicht zu leistende finanzielle Belastung dar, erklärt Camilla Schuler, Lichtenbergs Bezirksstadträtin für Gesundheit, in einer Pressemitteilung zur Ausweitung des Angebots.
Haas-Krahé betont zudem die Tabuisierung der Periode, die vor allem bei jungen Menschen immer noch bestehe. Der Zugang zu Tampons und Binden sei nicht so normal wie die Benutzung von Toilettenpapier. „Das betrifft die reiche Anwaltstochter vor einem Referat in der Schule genauso wie eine menstruierende Person, die das Bürgergeld bezieht“, so Haas-Krahé.
Im selben Boot
Weil der Bedarf in Lichtenberg das bisherige Angebot übersteige, soll es in diesem Jahr ausgeweitet werden, resümiert Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke). „Die große Resonanz zeigt, dass wir absolut richtig damit liegen, Menstruationsartikel kostenlos in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.“
Vor allem in Schulen und Jugendeinrichtungen wird das Projekt nun ausgeweitet. „Die bestehenden Spender werden sehr regelmäßig genutzt“, sagt auch Haas-Krahé von der Initiative. Mit ihnen werde außerdem sehr wertschätzend umgegangen. „Das ist schon eine Sorge bei solchen Projekten, dass die Automaten beschädigt werden. Wir erleben hier aber keinen Vandalismus.“
Die Initiative legte dem Bezirksamt Anfang des Jahres eine Liste mit 30 Orten vor, die sich zum Aufstellen von Infomaterial und Spendern eignen. Ziel ist jedoch eine Ausstattung von allen öffentlichen Toiletten in Lichtenberg, das seien dann eher Hunderte Orte, meint Haas-Krahé. Der nächste Schritt in 2023 sei, herauszufinden, wie hoch der Bedarf sei und welche Einrichtungen mitmachen wollen.
Wichtig sei, die Schulleitung und die Schulsozialarbeit mit ins Boot zu holen, damit so ein Projekt erfolgreich werde, so Haas-Krahé. „Die meisten können sich an die Schultoiletten bestimmt nicht als den angenehmsten Ort erinnern“, meint sie. Um die Akzeptanz zu steigern, müssten also die Schüler*innen selbst Verantwortung übernehmen wollen. An einigen Schulen gebe es schon private Projekte, die Spender und Infomaterial bereitgestellt hätten. Auch mit diesen muss die Bezirksverwaltung in Kontakt treten.
Interesse auch von anderen Bezirken
Nicht zu unterschätzen sei, dass mit dem Projekt Pionierarbeit geleistet werde, meinte Haas-Krahé. Es gebe keine Vorlage, man könne sich aber zum Beispiel an Schottland orientieren. Dort ist seit 2021 die freie Herausgabe von Periodenartikeln in öffentlichen Toiletten gesetzlich vorgeschrieben.
Bei der Initiative hätten sich jetzt auch weitere Bezirke gemeldet, die verstehen wollen, wie das Pilotprojekt so erfolgreich umgesetzt werden konnte, sagt Haas-Krahé. Sie hofft auf einen kostenfreien Zugang in ganz Berlin. Zumindest das Bezirksamt Pankow möchte Lichtenberg jetzt folgen: Insgesamt 20 Ämter des Bezirks, darunter das Bürgeramt und das Jugendamt, sollen mit Spendern ausgestattet werden. In anderen Stadtteilen gibt es bisher nur individuelle Lösungen.
Beispielsweise werden in Mahrzahn-Hellersdorf und Mitte an weiterführenden Schulen bei Bedarf Menstruationsartikel kostenfrei und niedrigschwellig zur Verfügung gestellt, so Susanne Gonswa, Sprecherin für Jugend und Familie der Senatsverwaltung für Bildung.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau