Patriarchat: Ach du liebe Deern!

Im Wahlkreis Schleswig-Nord zog die CDU zwei Männer einer profilierten Abgeordneten als Spitzenkandidaten vor. Die Frauen-Union fordert nun eine Quote.

Ob in Föhrer Tracht oder nicht: Für Ex-CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen waren Frauen stets „mien Deern“ Foto: Carsten Rehder/dpa

KIEL taz | Landtagsabgeordnete, stellvertretende CDU-Landesvorsitzende, Bildungsexpertin – und dann das: Beim Kampf um den Spitzenplatz im Wahlkreis Schleswig-Nord für die Parlamentswahl 2017 verlor Heike Franzen gegen zwei Bewerber, die bisher nur als Kommunalpolitiker bekannt sind. Es ging um ein Regional-Duell – beide Gegenkandidaten stammen aus Dithmarschen, Franzen aus dem Kreis Schleswig-Flensburg –, aber auch um die alte Frage nach den Chancen von Frauen in der CDU.

„Wir brauchen endlich eine Quote!“, fordert Katja Rathje-Hoffmann, Vorsitzende der Frauen-Union Schleswig-Holstein und eine von nur fünf weiblichen CDU-Abgeordneten im Kieler Parlament. Im ersten Schritt könnten 30 Prozent aller Plätze mit Frauen besetzt werden, „und dann reden wir hoffentlich auch bald über 40 und 50 Prozent“, sagt sie.

Rathje-Hoffmann weiß aber auch, dass dieser Weg nicht einfach wird: „Wir haben das schon einmal gefordert, am Ende gab es nur das Quorum.“ Und das sieht ein Drittel Frauen in Gremien und Listen vor – gilt allerdings nur für den ersten Wahlgang. Gibt es dabei keine klare Mehrheit, ist die Geschlechter-Quotierung aufgehoben: „Ein Tiger mit nicht allzu vielen Zähnen“, sagt Rathje-Hoffmann spöttisch.

Seit der Ära des Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, der alle Frauen freudig „miene Deerns“ nennt und damit die Frauenfrage für beantwortet hält, versucht die CDU Schleswig-Holstein, vom Image „alt, männlich, ländlich“ wegzukommen – mittelfristig wichtig für die Partei, um die jüngere Wählerschaft in den Städten zu binden. Denn dort ist die CDU, so gut sie im Rest des Landes abschneidet, vergleichsweise schwach.

So sei die Schlappe für Franzen, die nun sehr wahrscheinlich nicht wieder in den Landtag einziehen wird, als „Signal an Frauen in und außerhalb unserer Partei verheerend“, bedauert der Fraktionsvorsitzende Daniel Günther.

Allerdings würde sogar eine feste Listen-Quote nichts bewirken, denn die CDU hat ein Luxus-Problem: Sie gewinnt fast alle Wahlkreise und bringt damit mehr Personen in den Landtag als ihr nach den Prozenten der Zweitstimmen zustehen. Eine Reform der Wahlkreise nutzte die CDU, um etwa die SPD-Hochburg Lübeck im Vergleich zu Gebieten im Norden schlechter zu stellen. Nachteil: Bei der Wahl 2012 rückte niemand von der Landesliste nach, nicht einmal der damalige Spitzenkandidat Jost de Jager. 2017 mag es – angesichts des weit zersplitterten Parteienspektrums – ähnlich sein.

Und in die Wahl der DirektkandidatInnen mischt sich die Parteiführung nicht ein, betonte der Landesvorsitzende Ingbert Liebing: „Ein Reinregieren von oben wird es nicht geben und würde auch nicht zum Erfolg führen.“ Er appellierte an die Basis, „sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein“ und zumindest einige Frauen ins Parlament zu entsenden.

Für Rathje-Hoffmann ist es eine Langzeit-Aufgabe: „Frauen ziehen Frauen nach. Wir brauchen mehr Veranstaltungen, die sich direkt an Frauen richten, um weiblichen Nachwuchs zu begeistern.“ Auf der anderen Seite müssten die Männer lernen, dass Frauen anders kommunizieren: „Frauen argumentieren häufig sachlicher, Männer werden brachial oder ziehen Argumente ins Lächerliche – das schreckt Frauen ab, sich weiter an Debatten zu beteiligen.“

Thomas Klömmer, der Heike Franzen bei der Kandidatenkür so locker aus dem Feld schlug, sollte mit starken Frauen kein Problem haben: Der 33-Jährige, der sein Geld bei der CDU-Mittelstandsvereinigung verdient, ist ehrenamtlicher Bürgermeister des Dorfes Erfde – seine Frau Dorothe Klömmer leitet als hauptamtliche Bürgermeisterin die Stadtverwaltung von Tönning. In der CDU ist sie auch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.