Gelebte Demokratie: Im Wohnzimmer der CDU

Der Wahlkreis Dithmarschen-Schleswig ist eine Hochburg der Christdemokraten. Die haben den Kampf ums Direktmandat mit harten Bandagen geführt

Das Weib schweige in der Union: Der Wahlkreis Schleswig-Dithmarschen bleibt Männersache Foto: Esther Geißlinger

PAHLEN taz | Unter den Tarnnetzen, die von der Decke hängen, sind lange Bankreihen aufgestellt worden, vor die Holztäfelung haben Helfer Stellwände gesetzt – darauf: das Logo der CDU. An den Tischen reihen sich graue Köpfe und karierte Hemden, Frauen werden mit Wangenküsschen begrüßt, Bier ordert man per Handzeichen. Schnell ist die Pahlener Eiderlandhalle – von Künstlern geschätzt, von Besuchern geliebt – voll an diesem Montagabend: 334 stimmberechtigte Parteimitglieder sind gekommen, dazu ein paar Zaungäste. Die wollen wissen, wie der Streit ausgeht, der seit Februar in der schleswig-holsteinischen CDU schwelt. Es geht dabei um die Direktkandidatur im Wahlkreis Dithmarschen-Schleswig – traditionell eine sichere Fahrkarte in den Kieler Landtag.

Mitgliederwerbung per Whatsapp

Denn der Kreis ist Kernland der Christdemokraten, der Ort Pahlen sei gar das „Wohnzimmer“ der Partei, wie der Bürgermeister in seiner Begrüßung sagt. Entsprechend hart war auch der Kampf darum: Erst hatte Heike Franzen, seit zehn Jahren Mitglied im Landtag und Bildungsexpertin der Fraktion, in dem neu zugeschnittenen Wahlkreis überraschend verloren. Dann stellte sich heraus, dass der damalige Sieger, der Erfder Bürgermeister Thomas Klömmer, per Whatsapp im Bekanntenkreis dafür geworben hatte, „vorübergehend“ in die CDU einzutreten.

Klömmer zog seine Kandidatur zurück, nun ist der Weg frei für Andreas Hein. Franzens Niederlage hatte für eine Diskussion um eine Frauenquote gesorgt: Die Landesvorsitzende der Frauen-Union, Katja Rathje-Hoffmann, hatte sich dafür stark gemacht. Und an diesem Abend in Pahlen sieht es auch richtig gut aus, schließlich sitzen gleich drei Frauen im vierköpfigen Vorstand – das müssen andere Parteien der CDU erst mal nachmachen!

Diese Traumquote klappt nur bei dem Gremium, das die Wahlen leitet und sich dann wieder auflöst. Aber immerhin geht es auch bei den Bewerbungen ganz paritätisch zu: Hein, dem Mann aus Dithmarschen, steht mit Inken Klink eine Frau aus dem Kreis Schleswig-Flensburg gegenüber.

Allerdings auf einem verlorenen Posten. Hein, von Beruf Autohändler und ehrenamtlich im Kreistag sowie in der Heider Ratsversammlung aktiv, hat sich seit einem Jahr auf die Kandidatur vorbereitet. In einer schwungvollen Rede dankt der 48-Jährige seiner Frau und „allen, die von zu Hause aus die Welt retten“. Dann schimpft er auf den grünen Landesumweltminister und den „dunkelroten Stegner“, dessen Sozialdemokraten „von Geld nur wissen, wie man Schulden macht“. Hein spricht Platt und betont, er werde sich für den ländlichen Raum einsetzen, es fließe ohnehin zu viel Geld an die „Städte an der SPD-Ostküste“.

Keiner hat Fragen

Seine Mitbewerberin war erst wenige Tage zuvor überredet, sich zur Wahl zu stellen – da hatten mehrere andere christdemokratische Frauen dankend abgelehnt. Die 47-Jährige freut sich, dass der Jüngste ihrer vier Söhne nicht gerade in dieser Woche konfirmiert wird: Das wäre dann doch etwas viel geworden. Sie berichtet vom Seifenkistenrennen in Bergenhusen, das sie mitorganisiert, „auch für die Touristen“. Und sie tritt für den Erhalt kleiner Schulen ein, getreu dem Motto „kurze Beine, kurze Wege“.

Fragen an die Kandidatin und den Kandidaten gibt es nach den Reden keine im Saal. Der Wahlgang geht schnell, auch die Stimmen sind rasch ausgezählt, und das Ergebnis ist klar: Andreas Hein siegt mit 218 zu 108 Stimmen. Er dankt, ganz Kavalier, zuerst seiner Frau, aber dann auch schon seiner Gegenkandidatin – dafür, dass sie „so kurzfristig“ bei der Wahl mitgemacht habe: „Sie hat Demokratie gelebt.“

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