Party auf St. Pauli: Bitte keine Kotze vor der Tür
Die Außengastronomie in St. Pauli mutiert zum Partyhotspot. Das sorgt für Streit zwischen Einwohner*innen und Gastronomen.
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E s ist früh morgens an einem durchschnittlichen Montag in Hamburg-St. Pauli, in der Paul-Roosen-Straße. Die Musik ist verstummt, die schäbigen Kneipen, bunten Bars und raffinierten Weinläden haben geschlossen. Die Gäste haben sich zurückgezogen und die unbesorgte Feierstimmung ist längst verflogen. Was bleibt, sind zugemüllte Straßen, angepinkelte Hauseingänge und jede Menge Frust.
Die Gastronomen durften hier im Zuge der Pandemie einige Parkflächen zur Außengastronomie umfunktionieren. Was als eine solidarische Geste des Bezirksamts Hamburg Mitte anfing, entwickelte in der Paul-Roosen-Straße im Laufe der Zeit ein eigenes Leben.
Der Außenbereich, der sich über die Gehwege verteilt, ist mittlerweile zum Party-Hotspot geworden – sehr zum Leid der Bewohner*innen des Viertels. Die Gastronom*innen wollen die Schuld dafür nicht allein auf sich nehmen. Ist es denn ihre Verantwortung, den Gäste nachzulaufen und ihnen hinterherzuräumen? Für viele Besitzer*innen, die die Zahl ihre Gäste wegen der Corona-Einschränkungen reduzieren mussten, ist es nicht leicht, auf diese Plätze zu verzichten. Das mediterrane Flair der Straße ist mittlerweile einer ihrer Hauptanziehungspunkte.
Beide Seiten beharren auf ihrem Standpunkt. Deshalb hat der Bezirk Hamburg-Mitte eine Sondersitzung einberufen. Dort sollte alles zur Sprache kommen und gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden. Die Menschen, deren Handeln entscheidend zum Problem beiträgt, sind allerdings nicht dabei.
Nicht zu übersehen: Hier wohnen auch Menschen
Zugegeben: Das Interesse der Partyleute am Viertel ist nachvollziehbar – vor allem nach den vielen Lockdowns und einschränkenden Maßnahmen. St. Pauli ist bekannt für seine langen Nächte. Und wenn die Reeperbahn oder die Große Freiheit nicht cool genug sind, weicht man eben auf die Nebenstraßen aus. Beim Tanzen und Trinken ist das Chaos am nächsten Tag das Letzte, woran man denken möchte.
Es braucht vielleicht eine Menge Reife und ein Maß an eigener Betroffenheit, um zu erkennen, was eigentlich nicht zu übersehen ist: Hier wohnen auch Menschen. Damit es nicht in Vergessenheit gerät, haben die Einwohner*innen des Viertels an ihren Fenstern und Balkonen gelbe Zettel mit der Aufschrift „Pauli wohnt!“ angebracht. Denn sie wachen am Montag zu den hässlichen Folgen des schönen Abends auf.
Viele von ihnen leben hier seit Jahren und kennen die Besonderheiten des Viertels. Einige schätzen sogar die Party-Atmosphäre – oder haben zumindest gelernt, sie zu tolerieren. Dass sie sich aber an Glasscherben oder Kotzflecken vor ihren Haustüren stören, kann wohl jede*r Mieter*in verstehen.
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