Parteitag der FDP: Auf schmalem Grat
Die FDP versucht, ihr enges Profil als wirtschaftsliberale Partei zu erweitern. Aber im Kern bleiben die Liberalen eine Partei der reinen Marktlehre.
A uf dem Parteitag am Wochenende präsentierte sich die FDP mit neuem Selbstbewusstsein. Momentan steht die Partei in den Umfragen mit 10 bis 12 Prozent gut da. Sie profitiert vom Abwärtstrend der CDU und dem wachsendem Unmut über das Coronamanagement von Union und SPD. Das Zeitfenster ist günstig: Christian Lindner will in die nächste Regierung.
Dafür ruft die Partei ihren in Vergessenheit geratenen Markenkern als Bürgerrechtspartei in Erinnerung, um den Begriff des Liberalismus nicht nur auf Wirtschaftspolitik zu verengen. Gesellschaftspolitisch gibt es ja auch progressive Elemente: Die FDP möchte etwa den Paragraf 219 a aus dem Strafgesetzbuch ersatzlos streichen oder Mehrelternschaften rechtlich anerkennen.
Lindner selbst präsentierte sich in ruhigeren Tönen, pries sein Team. Parteistrategisch ist das klug. Die FDP erweitert das Angebot für potenzielle Wähler:innen und möchte weg von der One-Man-Show des Parteichefs. Sozialer wird die Partei dadurch nicht. Die FDP setzt ungebremst auf die Kraft des Marktes. Es bleibt ein schmaler Grat: Es ist denkbar, dass die Eskapaden der Union mit fortschreitendem Impferfolg wieder verziehen werden und die Zustimmungswerte für die FDP wieder fallen.
Aber Lindner selbst hat die Messlatte hoch gehängt. Sein Versprechen, dass es mit den Liberalen keine Steuererhöhungen geben wird, ist heikel. Wenn es nach der FDP geht, sollen Steuern in großem Maße sinken – wie das inmitten der Pandemie finanziert werden soll, steht in den Sternen.
Bleibt die Frage, mit wem die FDP überhaupt koalieren kann. Eine Ampel mit SPD und Grünen bleibt angesichts großer inhaltlicher Differenzen unwahrscheinlich. Die Liberalen werden diese Option bis zur Bundestagswahl trotzdem weiter bedienen, um im Spiel zu bleiben. Im Prinzip hat die FDP nur eine Chance: wenn sie so stark wird, dass es für Grün-Schwarz allein nicht reicht. Dann wäre Jamaika eine Option. Aber auch das, das hat 2017 gezeigt, ist nicht ganz einfach.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator