Parteitag der Bremer Grünen: Ein Quötchen für das „grüne Blut“
Angesichts ihres miesen Wahlergebnisses haben die Bremer Grünen beschlossen, ein klein bisschen jünger zu werden und ganz viele Vorhaben umzusetzen.
BREMEN taz | Nach ihrem dürftigen Abschneiden bei der Bundestagswahl haben die Bremer Grünen auf ihrem Parteitag am Wochenende etwas Selbstkritik beschlossen – mit großer Mehrheit, aber ohne große Debatte. Zugleich warben führende Grüne für ein Jamaika-Bündnis im Bund. Eine sehr engagierte Debatte und knappe Mehrheiten gab es dagegen in einer ganz anderen Frage: Wie kann die Partei jünger werden?
Während die in den letzten beiden Jahren wiederbelebte Grüne Jugend fortan jeden dritten Listenplatz für Wahlen mit einem unter 28-Jährigen besetzen wollte, verwarfen die Altvorderen diese Idee zumeist als „zu radikal“. Die einen forderten deshalb eine Quote für „Neue“, also für KandidatInnen ohne Erfahrungen mit Amt und Mandat.
Andere, wie der grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe, machten sich für ein Quötchen stark: Nur auf den – in der Regel sicheren – Plätzen 5 und 6 der Liste für die Bürgerschaftswahl sollen künftig auf jeden Fall unter 30-Jährige kandidieren. Am Ende setzte Saxe sich mit diesem Vorschlag ganz knapp durch. Und die Grüne Jugend war dennoch zufrieden mit ihrem Teil-Erfolg. Denn nach der letzten Landtagswahl war der 37-jährige Björn Fecker der jüngste Grünen-Parlamentarier.
„Kein gutes Zeichen“
Saxe, der seit 2011 im Landtag sitzt, will am 2. Dezember erneut als Landessprecher der Grünen gewählt werden. Er „klebe“ nicht an seinem Amt, das er seit vier Jahren innehat, „aber ich brenne immer noch“, so Saxe. Über die Trennung von Amt und Mandat verlor der 58-Jährige indes kein Wort.
Dabei hatte seine Co-Vorsitzende, die in den Stadtrat nachgerückte Kai Wargalla, mit genau dieser Trennung jüngst ihren Rückzug von der Parteispitze begründet. Er „bedauere zutiefst“, dass Wargalla nicht erneut kandidiere, sagte Saxe, „das ist kein gutes Zeichen“. Wer ihre Nachfolgerin wird, ist noch unklar. „Das grüne Blut ist weniger geworden und es fließt langsamer“, so Saxe.
Bei der Bundestagswahl schnitten die Bremer Grünen nicht nur schlechter ab als 2013, während andere mitregierende grüne Landesverbände zulegten, etwa der in Schleswig-Holstein. Die Partei verlor, besonders schmerzlich, auch in ihren Hochburgen, besonders im Viertel – an die Linkspartei. Die profitiere von „innergrünen Konflikten“, so Bau- und Umweltsenator Joachim Lohse. Aufwärts geht es für Grüne dagegen dort, wo die Besserverdienenden wohnen: in Schwachhausen, Borgfeld und Oberneuland.
Trotz aller Zugeständnisse
Zusammen genommen kam Rot-Grün bei der Bundestagswahl in Bremen aber nur auf 37 Prozent der Stimmen. Zugleich machten sich sowohl die grüne Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther als auch die EU-Parlamentarierin Helga Trüpel für eine Jamaika-Koalition im Bundestag stark, trotz aller Zugeständnisse etwa beim Klimaschutz. In Bremen, so wurde nun am Samstag mehrheitlich beschlossen, „müssen wir selbstkritisch feststellen“, dass die Grünen „gegenwärtig öffentlich zu wenig als die gestaltende politische Kraft wahrgenommen werden konnten“. Deshalb müssen, so der Beschluss, die drei grünen SenatorInnen im Frühjahr ihre eigene Arbeit vor der Basis „kritisch würdigen“. Ex-Fraktionschef Matthias Güldner attestierte seiner Partei in diesem Zusammenhang „kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit“.
Aktionsplan für mehr Grün
Deshalb soll jetzt bis zur Bürgerschaftswahl 2019 noch ganz viel passieren: Eltern- und Wohngeld sollen schneller ausgezahlt, Alleinerziehende, LehrerInnen und Geflüchtete besser unterstützt werden. Der Um- und Ausbau der Schulen und Kindergärten soll schneller vorangehen, ein Aktionsplan für mehr Grün und Baumschutz erarbeitet und die Klimabilanz verbessert werden. Außerdem sollen alle Schulen, Kitas, Kliniken und Seniorenheime zu Tempo-30-Zonen werden und die Eigentumsverhältnisse bei den Wohnungsbaukonzernen Gewoba und Brebau neu sortiert, damit dort keine Finanzinvestoren zum Zuge kommen. Ach ja, und Aktionspläne zur Stadtentwicklung und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention braucht es auch noch, unter anderem.
„Zucker“ ins Papageienhaus
Das alles wollen die Grünen, die in der dritten Legislaturperiode in Folge mitregieren, im Grunde schon lange – aber vieles, so Güldner, entwickle sich „unglaublich stockend“, etwa der Ausbau der Ganztagsschulen. Vor Ort beschlossen haben die Grünen dann erst mal, dass die Kulturschaffenden des Vereins „Zucker“ und „Zuckerwerk“ ins Papageienhaus am Güterbahnhof einziehen sollen, das seit zweieinhalb Jahren leer steht – aber das will die SPD nicht.
Nicht die Grünen, sondern die Linke werde als „politisch aktive Gestalterin“ wahrgenommen, schrieb Güldner jüngst in einem Papier – obwohl die in der Opposition ist. „Es bedarf deutlicher und schneller nach innen wirkenden und wahrnehmbarer Entscheidungen mit unmittelbaren Konsequenzen“, so Güldner. Außerdem, so Trüpel, müssten die Grünen auch mal ganz klar sagen: „Hartz IV war ein Fehler.“ Dafür bekam sie viel Beifall an der Basis.
Für etwas Aufregung am Rande sorgte die EU-Parlamentarierin Trüpel indes, als sie vor einem Scheitern der schwarz-gelb-grünen Verhandlungen warnte – mit dem Hinweis, dass Angela Merkel dann zurücktreten müsse und ihr womöglich eine Große Koalition und der „rechte, schwule Jens Spahn“ folge, also der talkshowaffine CDU-Finanzstaatssekretär, ein Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik. Für diese homophob anmutende Äußerung entschuldigte sich Trüpel hinterher mehrfach öffentlich. „Spahn ist offen schwul und das ist gut so, und er macht rechte Gesellschaftspolitik, was ich falsch finde“, so Trüpel, die der Homophobie auch sonst unverdächtig ist.
Trüpel zieht sich zurück
Nach dem Ende des Parteitags erklärte sie in einem Brief an die eigene Partei, ihre Mitgliedschaft bei den Grünen „ruhen zu lassen, bis wir unsere Konflikte geklärt haben“. Gemeint war damit aber nicht nur die Auseinandersetzung um ihre missverständliche Äußerung, sondern: „Mein Level an Kränkungen durch wenige bei den Bremer Grünen, das ich bereit bin auszuhalten, ist jetzt überschritten“, schreibt Trüpel mit Verweis auf mehrere Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit.
Aus der aktiven Politik zieht sich die 59-jährige Ex-Senatorin ohnehin 2019 zurück – Helga Trüpel kündigte vor Kurzem an, künftig nicht mehr für das Europäische Parlament zu kandidieren.
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