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Parteitag der Berliner GrünenAlles für die Show

Die Grünen nominieren nochmals Bettina Jarasch als Nr. 1. Die lobt nun das Klima-Volksbegehren und will Abstimmung parallel zur Wahl am 12. Februar.

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch hat durch die erneute Wahl eine zweite Chance und will sie nutzen Foto: dpa

Berlin taz | Ein bisschen ist es beim Kleinen Landesparteitag der Grünen so, als ob sie dort nicht ins Wahlgesetz geschaut hätten. Auf der Tagesordnung steht nämlich als Punkt 3 die Wahl von Bettina Jarasch zur Spitzenkandidatin. Das ist sie aber schon seit Dezember 2020. Eine Abstimmung über die Nummer 1 wäre nur nötig, wenn die Partei mit einem anderen Gesicht an der Spitze bei der Wahlwiederholung am 12. Februar antreten wollte. Es soll sichtlich allein um eindeutige Rückendeckung für die 53-jährige Verkehrssenatorin gehen. Bloß fällt die dann nicht ganz unisono aus: 92,5 Prozent votieren für Jarasch. Ihre schärfste Gegnerin bei der Wahl, Franziska GIffey, hat jüngst beim SPD-Parteitag einstimmige Rückendeckung bei einem zentralen Antrag bekommen.

Es ist kein großer Parteitag. Offizell ist es nur der 49-köpfige Landesausschuss der Grünen, der am Samstag in der Telekom-Hauptstadtrepräsentanz in Mitte zusammenkommt. Größer wirkt das Ganze allerdings allein schon dadurch, dass die Parteiführung Neumitglieder dazu geladen hat. Die dürfen später reichlich Fotos mit Jarasch und weiteren Berliner Parteitpromis machen.

Zuvor aber macht Jarasch am Mikro da weiter, wo Grünen-Fraktionschef Werner Graf am Donnerstag im Abgeordnetenhaus aufgehört hat: bei grundsätzlicher Kritik am Koalitionspartner SPD und dessen Chefin Giffey. „Es kommt in solchen Zeiten nicht darauf an, wer die größten Versprechungen macht und am lautesten schreit“, sagt Jarasch, „es kommt darauf an, die Versprechungen auch umzusetzen.“ Was ebenfalls auch nicht gehe: „Erfolge für sich allein reklamieren und sich gleichzeitig wegducken, wenn die Stadt nicht funktioniert, wie sie soll“ – eine weitere Attacke auf Giffey.

Fraktionschef Graf wird später noch mehr auf Attacke setzen: Berlin habe eine Regierungschefin verdient, „die sich mehr um Berlin als um Instagram kümmert.“ Auch der innenpolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Vasili Franco, wird Giffey sinngemäß übergroße Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken vorhalten.

Aber zurück zur Sache mit der Spitzenkandidatur, ein Begriff, der bei Parteien mit einer landesweiten Kandidatenliste wie Grünen und Linkspartei stets für die Nummer 1 auf dieser Liste stand. Bei der Wahlwiederholung bleiben die für die Wahl vom 26. September 2021 aufgestellten Kandidatenlisten laut Gesetz bestehen. Falls jemand nicht mehr will, rückt der oder die Nächste nach – jemand neu an eine bestimmte Stelle auf der Liste zu wählen ist nicht möglich.

Spitzenkandidatin war Jarasch schon

Wahlrechtlich ist der Begriff „Spitzenkandidatin“ allerdings nicht festgelegt. Theoretisch hätten die Grünen beschließen können, mit einem anderen Gesicht als Jarasch auf ihren Plakaten in den Wahlkampf zu gehen. Dann wäre Jarasch, wenn sie gewollt hätte, immer noch der oberste Name auf der Kandidatenliste gewesen, aber jemand anders wäre Anwärterin auf die Giffey-Nachfolge geworden.

Das betrifft nicht nur die Grünen: Falls die Linkspartei aus strategischen Gründen entscheiden sollte, die medial derzeit stark präsente Sozialsenatorin Katja Kipping – sie kam erst nach der Wahl im September 2021 in die Berliner Landespolitik – zur zentralen Figur ihres Wahlkampfs zu machen, würde sie das nicht auf die landesweite Kandidatenliste der Partei bringen. Platz 1 behielte, falls er nicht gänzlich auf die Kandidatur verzichten würde, Kultursenator Klaus Lederer. Bei den Grünen aber stand ein Wechsel gar nicht zur Debatte. Deshalb gab es gar keine Notwendigkeit zu der Abstimmung beim Parteitag – außer zusätzliche Aufmerksamkeit für Jarasch zu produzieren.

Die weiß die Grünen-Senatorin durchaus zu einer engagierten Rede zu nutzen, die von der Leidenschaft her deutlich über der Regierungserklärung von Franziska Giffey am Donnerstag im Abgeordnetenhaushaus lag. „Berlin hat eine neue Führung verdient“, sagte Jarasch, machte eine kurze Pause, um Applaus zu ermöglichen, und legte dann nach: „Und ich bin bereit, diese Führung zu übernehmen.“ Bei sich und den Grünen sieht Jarasch kein Problem, trotz Wahlkampfs weiter gut zu regieren, für SPD und Linkspartei hält sie einen Aufruf für nötig: „Es kommt nun darauf an, dass unsere Koalitionspartner zwischen der Arbeit im Senat und dem Wahlkampf eine Trennlinie ziehen.“

Wobei Jarasch gleich die nächste innerkoalitionäre Trennlinie produziert: Sie widerspricht der Absicht von Innensenatorin Iris Spranger (SPD), den mutmaßlichen Klimavolksentscheid nicht mit der Wahl in drei Monaten zusammenzulegen. „Selbstverständlich muss der Volksentscheid am 12. Februar stattfinden“, sagt Jarasch, „wir haben nicht umsonst jahrelang dafür gekämpft, dass die direkte Demokratie gestärkt wird.“

Kein Wort mehr gegen Volksbegehren

Auch inhaltlich verliert Jarasch gegenüber der Intiative „Berlin kimaneutral 2030“ kein kritisches Wort, gratuliert vielmehr zu 260.000 gesammmelten Stimmen und sagt: „Wir sind zu allem bereit, was uns schneller klimaneutral macht.“ Im Mai noch hatte Jarasch Unterstützung für das Volksbegehren durch den rot-grün-roten Senat abgelehnt.

Man unterstütze zwar das Ziel, „aber eine Verschärfung der Zielzahl [2030 statt 2045, d. taz] allein wird uns nicht klimaneutral machen“, sagte Jarasch damals. Sie argumentierte im Mai zum einen mit beschränkten Einflussmöglichkeiten Berlins, zum anderen mit den Kosten von Klimaneutralität – „Wir können uns nicht komplett von der bundesweiten und europäischen Entwicklung abkoppeln.“ So etwas ist von ihr am Samstag nicht einmal zwischen den Zeilen zu hören.

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