Parteigründer Lucke tritt aus der AfD aus: AfD ist keine Alternative mehr
Erst hatte Bernd Lucke den Machtkampf mit Frauke Petry verloren, nun verlässt der Parteigründer die Rechtspopulisten.
Lucke hatte am Wochenende auf dem Bundesparteitag in Essen eine Kampfabstimmung um den Vorsitz der Partei gegen Frauke Petry klar verloren. Petry, die den rechten Flügel der Partei hinter sich versammelt und zuletzt die Partei gemeinsam mit Lucke geführt hatte, gewann mit 60 Prozent der Stimmen.
Bei der anschließenden Wahl für den Bundesvorstand gab es einen rechten Durchmarsch. Lucke wurde auf dem Parteitag ausgebuht und angepöbelt. Er wolle nicht als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht werden, die er „aus tiefer Überzeugung ablehne“. Dazu zählten „insbesondere islam- und ausländerfeindliche Ansichten, sie sich in der Partei – teils offen, teils latent – immer stärker ausbreiten“.
Die Mitglieder, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei machen wollten, seien inzwischen in der Mehrheit. Ob er gemeinsam mit seinen Verbündeten eine neue Partei gründen wolle, ließ Lucke offen.
Luckes Erklärung zum Austritt:
„Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich am Freitag, dem 10.7.2015, aus der AfD austreten werde. Am selben Tag werden auch Ulrike Trebesius und sehr viele Funktionsträger und einfache Mitglieder die Partei verlassen. Wir werden diesen Schritt tun in der festen Absicht, auch weiterhin für die politischen Ziele einzustehen wegen derer wir gewählt wurden.
In der AfD sehe ich dafür leider keine Möglichkeit mehr, ohne gleichzeitig als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, die sich in der Partei teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren.
Dazu zählt ferner eine antiwestliche, dezidiert prorussische außen- und sicherheitspolitische Orientierung, die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußert, während gleichzeitig die russische Politik vehement verteidigt wird. Die damit einhergehende Auffassung, dass Deutschland aus der Nato oder aus der EU austreten solle, halte ich für falsch und verantwortungslos. Sie widerspricht im übrigen den bisherigen programmatischen Beschlüssen der AfD, gewinnt aber zusehends an Boden.
Völlig inakzeptabel sind für mich auch die immer lauter werdenden Rufe von Parteimitgliedern, die bezüglich unserer Wirtschafts- und Finanzordnung oder bezüglich unserer parlamentarischen Demokratie die „Systemfrage“ stellen wollen oder die Souveränität Deutschlands abstreiten, indem auf ein angeblich fortbestehendes Besatzungssystem oder Machenschaften amerikanischer Verschwörerkreise verwiesen wird.
Mein Austritt aus der AfD fällt mir nicht nur wegen meines eigenen Einsatzes für den Aufbau einer neuen, sachlich und konstruktiv wirkenden politischen Kraft unendlich schwer, sondern auch, weil es in der AfD immer noch viele treue und liebenswerte Mitglieder gibt, an deren politischen Auffassungen nichts zu kritisieren ist und die sich unermüdlich für die ursprünglichen Ziele der AfD aufgerieben haben. Ich kann diese Mitglieder nur um Verzeihung bitten! Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen.
In Essen ist in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr letztere inzwischen in der Mehrheit sind. Sie werden von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht. Damit ist das Ringen um die Zukunft der AfD aussichtslos geworden. Ich danke allen, die ein Stück des Weges mit mir gegangen sind und für die wahren Ziele der AfD gekämpft haben. Jetzt aber ist die Partei unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen. Bewährte und vernünftige Mitglieder verlassen in vierstelliger Größenordnung die Partei. Ich schließe mich ihnen an.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe