Parteien zu Transplantationswartelisten: Manipulation künftig strafbar
Der Bundestag will das Transplantationsgesetz erneut ändern: Ärzte, die bewusst gegen die Regeln der Organ-Warteliste verstoßen, werden bald strenger verfolgt.
BERLIN taz | Den Betrügereien bei der Vergabe lebensrettender Organe an mehreren deutschen Unikliniken sollen nun doch mehr als symbolische Konsequenzen folgen. Wer die Warteliste für die Spenderorgane manipuliert, um die eigenen Patienten zu bevorzugen, macht sich künftig strafbar.
Und die Richtlinien, nach denen Herzen, Lungen, Lebern, Nieren und Bauchspeicheldrüsen vergeben werden, muss die hierfür zuständige Bundesärztekammer sich demnächst vom Bundesgesundheitsministerium genehmigen lassen. Das sieht ein fraktionsübergreifender Entschließungsantrag vor, auf den sich Union, FDP, SPD, Grüne und Linke am Freitag einigten. In der kommenden Woche soll er offiziell verabschiedet werden.
„Die entsprechenden Änderungen im Transplantationsgesetz werden noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten", sagte der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Terpe der taz. „Um das zu ermöglichen, werden wir sie schnellstmöglich im Omnibusverfahren an ein anderes Gesetz anhängen", sagte er. Terpe zählt zu den maßgeblichen Verhandlungsführern in der Debatte um die Neuordnung des Organspende- und Transplantationswesens.
In den letzten Monaten waren zahlreiche Verstöße gegen die Organvergabe-Regeln bekannt geworden. Unter Juristen ist jedoch umstritten, ob und wie diese Manipulationen nach geltendem Recht sanktioniert werden können; bayerische Staatsanwälte und Rechtswissenschaftler verschiedener Universitäten hatten zuletzt von einer „Strafbarkeitslücke" gesprochen. Diese soll die Änderung im Transplantationsgesetz nun schließen. „Wie hoch das Strafmaß sein wird, wird dann die richterliche Praxis zeigen", sagte Terpe. Die Fraktionen selbst wollten es nicht konkretisieren.
Jährlicher Bericht zu Transplantationen
Die Regelung, wonach die Bundesärztekammer künftig ihre Richtlinien vom Gesundheitsministerium genehmigen lassen müsse, solle für mehr Transparenz und Vertrauen sorgen, sagte Terpe. Bislang hatte die Kammer, die lediglich privaten Vereinsstatus besitzt, ihre Regeln mehr oder weniger nach Gutdünken und weitgehend selbst bestimmt. Daneben sieht die fraktionsübergreifende Einigung vor, dass die Bundesregierung während der nächsten drei Jahre dem Bundestag einen jährlichen Bericht zu den Transplantationen vorlegen muss.
Nicht durchsetzen konnten sich Grüne und Linkspartei mit ihrer Forderung, die zentralen Akteure bei der Organspende und bei der Organvergabe, die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und die Stiftung Eurotransplant, durch Änderungen ihrer Rechtsform besser kontrollierbar zu machen. Sowohl DSO als auch Eurotransplant sind privatrechtliche Stiftungen und können sich damit staatlicher Kontrolle praktisch komplett entziehen. Für Patienten sind ihre Entscheidungen vor Gerichten kaum einklagbar.
Union, FDP und SPD sehen jedoch keinen Bedarf, die Stiftungen etwa in Körperschaften öffentlichen Rechts zu überführen. Immerhin soll es zu diesem Thema noch vor der Bundestagswahl im Herbst eine öffentliche Fachanhörung geben.
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