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Parlamentswahlen in KirgistanAlles nach Plan

Staatschef Sadyr Japarow besorgt sich erwartungsgemäß eine ihm treu ergebene Mehrheit im Parlament. Damit kann er seine Machtbasis weiter ausbauen.

Parlamentswahlen in Kirgistan, am 30. November 2025 Foto: Vladimir Pirogov/reuters

Kirgistans Präsident Sadyr Japarow kann zufrieden sein: Er wird sich auch künftig im Parlament (Dschogorku Kengesch) auf eine solide Mehrheit ihm treu ergebener Abgeordneter stützen können. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag wurden vorläufigen Ergebnissen zufolge 55 Abgeordnete gewählt, die bereits dem letzten Parlament angehört hatten und gegenüber Japarow als absolut loyal gelten.

Angaben zur Wahlbeteiligung lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Jedoch hatte das Regime dafür getrommelt, den Wert vom November 2021 (knapp 34 Prozent) zu übertreffen. Der Urnengang war nötig geworden, weil sich das Parlament, erstmals in der jüngeren Geschichte in der früheren Sowjetrepublik Kirgistan, im vergangenen September selbst aufgelöst und vorgezogene Wahlen angesetzt hatte.

Offiziell hieß es, dass die Parlaments- und Präsidentenwahlen entzerrt werden sollten. Regulär hätten Parlamentswahlen im Dezember 2026, die Abstimmung über das Staatsoberhaupt im Januar 2027 stattfinden sollen. Japarow, der seit 2020 an der Macht und seit 2021 gewählter Präsident des 7,1-Millionen-Einwohner*innenstaates in Zentralasien ist, hat bereits seine erneute Kandidatur angekündigt.

Be­ob­ach­te­r*in­nen und Ex­per­t*in­nen halten diese Begründung jedoch für vorgeschoben. In Wahrheit gehe es Japarow darum, seine Kontrolle über die Legislative weiter auszubauen und sich schon jetzt unbequemer Kon­kur­ren­t*in­nen zu entledigen. Ohnehin hat das Parlament unter Japarow Machtbefugnisse verloren. So können die Abgeordneten der Regierung kein Misstrauensvotum mehr aussprechen. Zudem wurde die Möglichkeit, gegen den Präsidenten ein Impeachmentverfahren einzuleiten, erschwert.

Reines Mehrheitswahlrecht

Für den Befund, das Parlament weiter zu entmachten, spricht einiges. Seit vergangenem Juni gilt ein verändertes Wahlrecht. Gewählt wurde am Sonntag nach dem reinen Mehrheitswahlrecht, um die 90 Mandate zu vergeben. In landesweit 30 Wahlkreisen wurden jeweils drei Di­rekt­kan­dia­t*in­nen gewählt, maximal zwei davon dürfen einem Geschlecht angehören.

Diese Neuerung wurde der Bevölkerung als Maßnahme zum Kampf gegen politische Korruption verkauft. De facto wird damit jedoch versucht, den Einfluss politischer Parteien zurückzudrängen, die von ihrer Rolle und Struktur her jedoch nicht mit westlichen Demokratien zu vergleichen sind. Dazu passt dann auch, dass die Auflagen für unabhängige Kandidat*innen, um bei den Wahlen antreten zu können, erweitert wurden.

Doch das ist längst nicht alles. In der Woche vor dem Wahltermin wurden zehn Personen festgenommen, darunter auch führende Köpfe der oppositionellen Sozialdemokraten. Der Vorwurf: Aufrufe zu Massenunruhen mit dem Ziel, die Regierung mit Gewalt zu stürzen. Bei Hausdurchsuchungen sollen angeblich Waffen und größere Summen in US-Dollar gefunden worden sein. Die Festgenommenen müssen bis zum 17. Januar 2026 in Gewahrsam bleiben.

Das Schreckgespenst von Massenunruhen hatte Japarow bereits vor den Parlamentswahlen 2021 sowie den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr bemüht. In einem Post auf Facebook vom 9. November 2025 schrieb er: „Es wird keine Staatsstreiche geben. Von nun an werdet ihr Staatsstreiche nur noch in euren Träumen sehen.“

In Richtung Autokratie

Nur noch davon träumen, Kirgistan bewege sich, wenn auch nur langsam, in Richtung Demokratie, können derzeit Kri­ti­ke­r*in­nen des Regimes von Japarow. Dabei hatte das Land in den Nullerjahren als Vorreiter für eine möglicherweise erfolgreiche Transition in der Region gegolten. Doch damit ist es vorbei. Im Korruptionsindex von Transparency International ist Kirgistan auf den 146. Platz (von 180 Ländern) abgerutscht.

Ähnliches weist die aktuelle Rangliste für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen aus: Platz 144 von 180 Plätzen. Laut der internationalen Nichtregierungsorganisation Freedom House bewege sich Kirgistan ganz klar in Richtung Autokratie. Die Parlamentswahlen in Kirgistan erinnerten an Belarus, heißt es in einem Beitrag der oppositionellen russischen Novaya Gazeta Europe. Auch dort sehe man vollkommen zerstörte Parteistrukturen und gesichtslose Kandidaten.

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