Zivilgesellschaft in Kirgisistan: Jagd auf „ausländische Agenten“

In Kirgisistan könnte ein neues Gesetz Nichtregierungsorganisationen ihre Tätigkeit erheblich erschweren. Das Vorbild dafür: Moskau.

Portrait vom kirgisischen Parlamentssprecher

Nurlanbek Schakijew, der Sprecher des Parlaments in Kirgistan Foto: Alexander Demianchuk/ITAR-TASS/imago

Berlin taz | Im zentralasiatischen Kirgistan könnten für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bald noch härtere Zeiten anbrechen. In dieser Woche stimmte das Parlament (Dschogorku Kengesch) in erster Lesung über Verschärfungen des Gesetzes „Über gemeinnützige Organisationen“ sowie entsprechende Ergänzungen des Strafgesetzbuches ab.

52 Abgeordnete stimmten dafür, 7 dagegen. Laut dem Entwurf soll eine NGO, die Geld aus dem Ausland erhält und versucht, politische Aktivitäten und die öffentliche Meinung im Interesse ausländischer „Quellen“ zu beeinflussen, künftig als „ausländischer Repräsentant“ gelten.

Die Gründung einer gemeinnützigen Organisation beziehungsweise eine Mitarbeit in selbiger ist ein Straftatbestand, wenn die Organisation dazu ermutigt, die „Erfüllung staatsbürgerlicher Verpflichtungen zu verweigern“. Auch von einem Eingriff in die Persönlichkeit und Rechte der Bürger ist dabei die Rede. Im Falle von Verstößen sind Geldstrafen von umgerechnet 560 bis 1.000 Euro oder Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Der Abstimmung war keine Aussprache vorausgegangen. Der Sprecher des Parlaments, Nurlanbek Schakijew, sagte, die Gesetzesänderungen seien aus Sicherheitsgründen nötig. „Ich habe allen ausländischen Delegationen erklärt, dass es keinen Anlass zur Sorge gibt. Sie selbst erheben die Forderung nach Offenheit und Transparenz. In ihren Ländern in Europa und Amerika stehen Ordnung und Disziplin an erster Stelle.“

Kritik von Juristen

NGOs würden nicht verboten und kein Druck auf sie ausgeübt. Es gebe lediglich eine Meldepflicht. Niemand brauche Angst zu haben. Die Sicherheit des Landes habe Priorität, zitiert der russischsprachige Dienst der BBC Schakijew.

Das neue Gesetzesvorhaben stieß in Juristenkreisen auf Kritik. Der Wortlaut sei zu vage. Dies könne dazu führen, dass jede Form zivilen Ungehorsams als Straftat eingestuft werde, lautete ein Argument.

Das Oberste Gericht Kirgistans hatte vorgeschlagen, den Passus „Gründung einer gemeinnützigen Organisation, die in die Persönlichkeit und Rechte der Bürger eingreift“ zu streichen. Das entspreche nicht dem Grundsatz der Rechtssicherheit und könne zu mehrdeutigen Auslegungen und einem Verstoß gegen die Ver­fassung führen. Die kirgisische Generalstaatsanwaltschaft hatte geltend gemacht, dass das Straf­gesetzbuch bereits jetzt eine Haftung von NGO-Vertretern für Machtmissbrauch vorsehe.

Auch Menschenrechtsaktivisten hatten sich kritisch geäußert und gefordert, das Projekt fallen zu lassen. Gemeinnützige Organisationen trügen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes bei. Die Annahme des Dokuments könne einen Rückgang ausländischer Investitionen im gemeinnützigen Sektor sowie in der Wirtschaft Kirgistans zur Folge haben.

Kirgistan, dessen Entwicklung Hoffnungen auf eine zumindest ansatzweise liberale Entwicklung geweckt hatte, fällt mehr und, mehr in den Autoritarismus zurück. Das NGO-Gesetz erinnert fatal an Russland. Bereits 2012 waren dort Vorschriften über „ausländische Agenten“ in Kraft getreten, die seitdem mehrfach verschärft wurden. Sie sind maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass der sogenannte dritte Sektor in Russland mittlerweile so gut wie tot ist.

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