Parlamentswahl in Rumänien: Patt im Parlament
Die Sozialdemokraten landen vor der regierenden konservativen Nationalliberalen Partei. Die Suche nach Koalitionspartnern dürfte schwer werden.
Der zweite Platz geht an die konservative Nationalliberale Partei (PNL) des amtierenden Premiers Ludovic Orban, die auf rund 25 Prozent der Stimmen kam. Die potenziellen Verbündeten der sogenannten Liberalen, die ideologisch heterogene, neoliberale Ökoallianz „Union Rettet Rumänien – Partei der Freiheit, Einheit und Solidarität“ (USR-PLUS), erhielt etwa 15 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Viertstärkste Kraft wurde die rechtsnationalistische und proorthodoxe „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR), die erstmals im Parlament vertreten ist. Die Wahlbeteiligung fiel mit 32 Prozent auf einen historischen Tiefstand seit 1989.
Staatschef Klaus Iohannis dürfte es nun schwerfallen, den alten Regierungschef Orban erneut als Premier einzusetzen, ohne auf die Forderungen der rechten liberalen Kräfte einzugehen. Einige Vertreter dieses politischen Lagers bezeichnen die Allianz USR-PLUS als „neomarxististische“ Gruppierung, die von dem US-Milliardär George Soros „gefördert“ werde.
Dritter Partner notwendig
Um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen, müssen die Nationalliberalen sich jedoch einen dritten Partner ins Boot holen. Dafür stünde lediglich der Demokratische Verband der Ungarn aus Rumänien (UDMR) zur Verfügung, der von Iohannis in den letzten Monaten nicht nur verhöhnt, sondern auch als Steigbügelhalter der Sozialdemokraten angefeindet wurde. Für den Ungarnverband stimmten fast 6 Prozent der Wähler*innen.
Iohannis hatte sich in den vergangenen Wochen zunehmend als Wahlagent der Nationalliberalen in das laufende politische Geschehen eingemischt und die gebotene präsidiale Neutralität wiederholt verletzt. Er betonte gebetsmühlenartig, nur eine von den Nationalliberalen geführte Exekutive zu akzeptieren. Eine große Koalition zwischen den populistischen Sozialdemokraten und den konservativen Nationalliberalen ist ausgeschlossen.
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten Marcel Ciolacu, erklärte sibyllinisch am Sonntag, er habe gegen die „Inkompetenz“ und für ein Land der Spezialisten gestimmt, die die Coronakrise meistern könnten. „Ich habe für die rumänischen Produzenten und Firmen gestimmt“, sagte er großspurig und fügte im Sound der rumänischen religiös-nationalistischen Diskurstradition hinzu, die Wähler mögen, im „Geiste des Heiligen Nikolaus abstimmen, der an die Braven Geschenke verteilt und an die Unverschämten Ruten“.
Aufwertung des Faschismus
Die AUR-Partei wurde 2019 von Vertretern eines Verbands gegründet, der sich für die Aufwertung der alten faschistischen Bewegung Rumäniens einsetzte, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen unter dem Namen die Legion des Erzengels Michael entstanden war. Die AUR-Partei hat sich inzwischen zu einem Auffangbecken großrumänischer, europa- und coronaskeptischer Ideologen entwickelt.
Nachdem die ersten Hochrechnungen bekannt wurden, erläuterte George Simion, einer der Mitvorsitzenden der AUR-Partei, seine politischen Vorstellungen und Konzepte. Seine Partei sei für ein „Europa der Vaterländer“ und teile die Auffassungen der polnischen und ungarischen Konservativen.
Gleichzeitig betonte er, sich im Parlament für die Vereinigung Rumäniens mit der Republik Moldau starkzumachen und die Unionisten in der zur Ukraine gehörenden Nordbukowina aktiv zu unterstützen. Zugleich lehnte er jedwede Zusammenarbeit mit den anderen im Parlament vertretenen Parteien ab und schloss den Eintritt in eine Koalitionsregierung aus.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!