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Parlamentswahl in FrankreichMacron räumt ab

Erfolg für den Präsidenten: Nach dem ersten Wahlgang kann Macron mit einer geradezu erdrückenden absoluten Mehrheit im Parlament rechnen.

Auf Erfolgskurs: Staatspräsident Emmanuel Macron Foto: reuters

PARIS taz | Bei der Wahl der Abgeordneten der französischen Nationalversammlung hat Emmanuel Macrons Partei „La République en marche“ (REM) im ersten Durchgang einen klaren Sieg errungen. Die erst vor einem Jahr gegründete Bewegung und die mit ihr verbündete zentrumsdemokratische Partei MoDem erhielten zusammen insgesamt 32,32 Prozent der Stimmen.

In mehr als 500 der 577 Wahlkreisen aber sind am kommenden Sonntag KandidatInnen im Rennen, die sich zur Politik des Präsidenten bekennen und der Regierungsmehrheit angehören wollen. Falls die WählerInnen das Votum bestätigen, woran niemand zweifelt, könnte sich eine geradezu erdrückende absolute Mehrheit von 400 bis 450 Sitzen ergeben.

Für Macron ist das mehr als die erhoffte Bestätigung: ein klares Plebiszit für den Präsidenten. Das Ausmaß dieses Triumphs wird nur durch die historisch tiefe Wahlbeteiligung (48,7 Prozent) relativiert.

Umgekehrt wurden die traditionellen Parteien von links und rechts von diesem politischen „Tsunami“ überrollt. Ihre Niederlage ist historisch und ebenso krass wie der Sieg der Präsidentenpartei. Am schlimmsten traf es die Sozialisten (PS), die nur noch 9,51 Prozent bekamen und so klar hinter der linken „Das unbeugsame Frankreich“ (FI) von Jean-Luc Mélenchon liegen, dessen Bewegung zusammen mit den Stimmen für separat angetretene Kommunisten auf 13,74 Prozent kommt.

Das ist auch ein knapp besseres Ergebnis als die 13,2 Prozent für den Front National (FN). Für die Konservativen und ihre Alliierten (LR-UDI) stimmten noch 21,56 Prozent, für die Grünen (EELV) 4,3 Prozent.

REM und viele Statisten

Das französische Wahlsystem begünstigt die Bildung einer starken Mehrheit. Das funktioniert für REM dieses Mal in extremer Weise. So zeichnet sich eine sehr deutliche parlamentarische Vorherrschaft für REM ab, die weit über den für eine absolute Mehrheit erforderlichen 289 Sitzen hinausgehen und den anderen politischen Kräften nur eine Statistenrolle überlassen könnte.

Aufgrund der jetzigen Ausgangslage könnten die Konservativen und andere bürgerliche Rechte (LR-UDI) zwischen 70 und 130 Mandate retten. Für die Sozialisten dagegen könnten von ihren mehr als 300 vor fünf Jahren errungenen Sitzen am Ende gerade noch 15 bis maximal 40 übrig bleiben. Mehrere Ex-Minister von François Hollande und viele prominente PS-Mitglieder schafften es dieses Mal nicht einmal in den zweiten Durchgang.

So schied beispielsweise auch Parteichef Jean-Christophe Cambadélis in seinem Pariser Wahlkreis, wo er seit 20 Jahren Abgeordneter gewesen war, klar aus. Noch im Rennen sind dagegen ein paar Sozialisten – etwa der frühere Premierminister Manuel Valls, Ex-Arbeitsministerin Myriam El Khomri oder Ex-Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll –, gegen die REM absichtlich keine Konkurrenten nominiert hatte. Ähnlich werden auch einige bürgerlich-rechte KandidatInnen mit passiver Hilfe der neuen Regierungspartei gewählt, die sie in ihre parlamentarische Mehrheit einzureihen gedenkt. Weder die Sozialisten noch die Konservativen sind so klar in der Opposition.

Die Rolle der linken Opposition übernehmen in Zukunft die „Unbeugsamen“ von Mélenchon, die vermutlich 10 bis 23 Sitze erobern können. Zur Bildung einer Fraktion in der Nationalversammlung braucht es mindestens 15 Mandate. Diese Schwelle dürfte der FN von Marine Le Pen nicht erreichen, der mit ganz wenigen Sitzen (zwischen einem und maximal zehn) eine schwere Enttäuschung erlebt, obwohl Le Pen selber in Nordfrankreich erstmals Abgeordnete werden könnte.

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11 Kommentare

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  • In Savoyen könnte Typhanie Degois, die 24jährige , jüngste macroniste Kandidaten den Platz von Dominique DORD (LR) , Abgeordnete und Bürgermeister von Aix les Bains nehmen. http://saintinn-elec....over-blog.com/

  • "Das Ausmaß dieses Triumphs wird nur durch die historisch tiefe Wahlbeteiligung (48,7 Prozent) relativiert."

     

    NUR?? Eine derart niedrige Wahlbeteiligung ist eine Schande für jede Demokratie. Hier von "Triumph" zu sprechen ist absurd.

    • @J.Lang:

      Wer nicht wählt ist selber schuld und unterstützt so das Wahlergebnis.

       

      Und wie kann man nicht von Triumph sprechen wenn eine neue Partei auf Anhieb die Absolute Mehrheit erreicht?

       

      Aber zusätzlich ist eine solche niedrige Wahlbeteiligung natürlich eine Schande für eine Demokratie. In meinen Augen ist daran auch das Wahlrecht schuld, wo nur eine Stimme futsch ist wenn man nicht für den Gewinner gestimmt hat. Der gleiche Scheiß wie in GB oder den USA.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Franco:

        Von absoluter Mehrheit kann ja wohl nicht die Rede sein auch wenn man die Nichtwähler ausser Acht lässt. Denn rein mathematisch sind 32,32% nur knapp ein Drittel der abgegebenen Stimmen. Das eigentliche rechenkünstliche Wunder vollbringt das französische Wahlrecht, wonach aus 32% der Stimmen 74% der Sitze werden. Das ist ein weiteres Wahlwunder, wie bei der Präsidentschaftswahl, wo aus 24% 66% wurden, weil die böse Hexe Marine in die Stichwahl kam.

        Wieder rein mathematisch auf die Einwohnerzahl von Frankreich umgerechnet haben nur 11 von 100 Franzosen für den Kaiser mit seinen neuen Kleidern gestimmt, der in Wirklichkeit nackt dasteht, da seine Politik inhaltlich überhaupt nichts neues darstellt, sondern nur ein weiter so des bereits unter Hollande und seinem liberalen Wirtschaftsminister begonnenen liberalen Umbau der Wirtschaft und Abbau des Sozialstaates.

        Soziologisch gesehen hat die überwiegende Mehrheit der leitendenden Angestellten, der höheren Beamten, Unternehmer, Startupper, Ingenieure, Banker und Freiberufler, Trader und Vemögensberater für ihn gestimmt, also das obere Drittel der französischen Mittelschicht. Die überwiegende Mehrheit der Bankangestellten, Beamten mittlerer und niederer Laufbahn, Handwerker, Facharbeiter, kleinere Büroangestellte, Hilsarbeiter, Kleinrenter und Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger sind entweder nicht zur Wahl gegangen oder haben eine Linkspartei gewählt oder FN. Das sind die restlichen 2/3 der französischen Gesellschaft, die zu 1/10 im Parlament vertreten sein werden, die LR-Wähler gehören ja auch hauptsächlich zum obèren Drittel. So kann man aus einer Minderheit eine satte Mehrheit zaubern und der Oligarchie neben der wirtschaftlichen auch noch die politische Macht in Die Hände spielen.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Finden Sie sich damit ab, dass Ihr neuer Präsident Macron in einer Woche über eine komfortable und selbstredend absolut zu nennende Mehrheit im französichen Parlament verfügt. Allen Unkenrufen - von Ihnen zB. - zum Trotz.

          Frankreich wird regierbar und der shooting-star an seiner Spitze wird noch für manche positive Überraschung gut sein. Chapeau !!!

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @60440 (Profil gelöscht):

            Böse Überraschungen für die Arbeitnehmer und was die Einschränkung der Grundrechte anbetrifft. Ich nehme an, dass Sie von den Veröffentlichungen diesbezüglich in Le Parisien und Le Monde gehört haben. Shooting Star ist er nur für die knapp 15% der Wahlberechtigten und für die Hofberichterstattung. Und abfinden tue ich mich gar nicht mit einem Parlament, dass zu 90% aus Wanderern und Blockflöten bestehen wird. Die Mehrheit der Bevölkerung, die nicht im Parlament vertreten ist, wird sich zu wehren wissen. Mit diesem Parlament ist die V. Republik am Ende. Vive la Vi ème, démocratique et participative.

            • 6G
              60440 (Profil gelöscht)
              @82236 (Profil gelöscht):

              Schlimm, schlimm, dass jetzt so viele Nichtpolitiker im Parlament sitzen, ganz normale Bürger halt, igitt, gell ? Man hat doch echte Berufspolitiker viel lieber, die noch wissen, wie man sich die Taschen füllt ...

              Dumm, dass korrupte Knalltüten wie Francois Fillon, absolute Versager wie die Sozialisten oder alte, verkrustete antieeuropäische Miesmacher wie Melenchon mit Rezepten von vorvorgestern nicht zum Zuge kamen.

              Und selbst die Faschistin, die Ihr Melenchon ja nicht bekämpfen wollte, heult. Wie Sie, macht die braune Dame das böse und ungerechte Wahlrecht für ihr schlechtes Abschneiden verantwortlich.

              Da sind sie sich ähnlich, die Wahlverlierer von links und rechts: Schlechte Verlierer und undemokratisch.

              Aber egal, das Land wird blühen und wer zurückbleiben will ...

              • 8G
                82236 (Profil gelöscht)
                @60440 (Profil gelöscht):

                Naja, die Hälfte der Kandidten der Wanderer sind ja Berufspolitiket, vor allem Holländer, die ihren Sitz behalten wollen. Da haunse mal nicht so auf die Pauke. Die anderen haben zum grossen Teil schon lokale Mandate bekleidet. Bei der Regierung ist das noch klarer, alle wichtigen Ministerien werden von Berufspolotikern, vor allem Männern besetzt. Mindestens drei davon haben schon das Rentenalter erreicht. Ebenfalls drei davon sind korrupte Knalltüten.

                Desweiteren eine Wahl verlieren heisst nicht sich zu unterwerfen. In einer gutfunktionierenden Demokratie gibt es eine starke parlamentarische Oppostion, das ist eine Grundregel.

                Die werden wir nicht haben.

                Was Ihr bourgeoises Antifagequatsche anbetrifft, was halten Sie von Macrons Witz über die Komorer? Und warum hat er es nicht für nötig gehalten, sich bei der komorischen Community zu entschuldigen? Vielleicht hat er diesen Witz gerissen, weil in Marseille eine junge 24jährige Frau komorischer Herkunft für die France Insoumise kandidiert hat. Sind ja komisch die Boote von den Komorern und sinken auch schnell 2000 Tote, finden Sie das nicht auch lustig Herr Kreibig?

                • 6G
                  60440 (Profil gelöscht)
                  @82236 (Profil gelöscht):

                  Eine starke Oppostion ist also eine Grundregel ? Und wenn das Volk der böse Lümmel diese nicht wählt wird sie wohl verordnet ?

                  Vielleicht hätte sich Melenchon mal anstrengen sollen, nur irgendwie überzeugte er die Franzosen ungefähr so wenig wie die Faschistin (die er indirekt unterstützte).

                  Ist schon vertrackt, so ne Demokratie.

                   

                  Was ist übrigens "bougeoises Antifagequatsche", das Vokabular erinnert doch stark an die AfD, deren vordemokratische Einstellungen gewisse Ähnlichkeiten mit dem Inhalt Ihrer Äußerungen aufweisen ...

                  • 8G
                    82236 (Profil gelöscht)
                    @60440 (Profil gelöscht):

                    Sie drücken sich natürlich um die Beàtxortung meiner Frage bezüglich Macrons rassistischen Witz über diese Komorer.Die Komoren sind eine Inselgruppe im indischen Ozean zwischen Madagaskar und Mosambik. Eine von den Insel Mayotte ist ein französisches Überseedepartment, also wesentlich wohlhabener als die anderen Inseln, weshalb viele Menschen mit leichten Booten Kwassa Kwassa genannt nach Mayotte übersetzen wollen, viele überladene Boote kentern, und es sind schon 2000Tote zu beklagen. Jedenfalls hat Macron einen selten dämlichen Witz über diese Kwassa Kwassa gemacht, voilà pour votre gouverne. Jedenfalls hat Macron ganz spontan ohne Über-Ich Filterung gesprochen, was bedeutet, dass er in seinem tiefsten Inneren eine starke Verachtung für diese Menschen hegt, da kam die ganze Arroganz der Pariser Elite heraus zu der er ja gehört. Jene Pariser Elite, die Frankreich erneuen will...faites-moi rire!

  • "Das Ausmaß dieses Triumphs wird nur durch die historisch tiefe Wahlbeteiligung (48,7 Prozent) relativiert."

     

    Berücksichtigen wir alle wahlmündigen französischen Staatsbürgerinnen und Bürger, so liegt der Anteil für Macrons Regierungsadministration wohl bei knapp unter 16 Prozent. Aber im Bourgeoissozialismus französischer und auch quandtscher bzw. bundesdeutscher Prägung [siehe doch nur die ostdeutschen Landtaggswahlen] spielt die Wähler*innen und Volksbeteiligung wohl keine Rolle mehr.

     

    Auf alle Fälle kommen in Frankreich, so ganz im Gegensatz zur treubraven und bundesdeutschen "Volksgemeinschaft" der "Sozialpartner", aufs Kapital und dessen Staatsdiener harte Zeiten zu. Bleibt dabei noch die Hoffnung, so möglichst in den anstehenden Klassenauseinandersetzungen, ohne gesellschaftspolitische Wirkungsmacht der franz. Nationalisten, Rassisten und/bzw. Faschisten.