Parlamentarisches Kontrollgremium: Zu geheim für Stegner und Reichinnek
Russland-Manifest-Unterzeichner Stegner (SPD) wird kein Mitglied der Kontrollkommission mehr sein. Linke-Fraktionschefin Reichinnek könnte bei der Wahl durchfallen.

Das Bundestagsgremium ist für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig und soll sich am Donnerstag konstituieren. Häufig kommen in den nicht öffentlichen Sitzungen vertrauliche und sicherheitssensible Informationen zur Sprache, weswegen die Mitglieder besonders zuverlässig sein sollen und mit Kanzlermehrheit, also der absoluten Mehrheit, gewählt werden. Die selbst vom Verfassungsschutz beobachtete extrem rechte AfD ist auch aufgrund ihrer Nähe zu Russland, aber auch zu China schon lange nicht mehr in das PKGr gewählt worden.
Nun aber hat die SPD-Fraktionsspitze offenbar Bedenken bei Stegner, der bereits nach einem Treffen in Aserbaidschan mit russischen Vertretern im April für viel Kritik gesorgt hatte. Schon damals forderten Grüne und FDP Stegners Rücktritt aus der PKGr. Die SPD will nun kurzerhand ihre Fraktions-Vize und Innenpolitikerin Sonja Eichwede sowie den auch für Verteidigung zuständigen Daniel Baldy schicken. Bei diesen KandidatInnen gilt eine Zustimmung der Union als sicher. Stegner sagte der taz zum Beschluss der Fraktionsspitze: „Das Gremium wird von 13 auf 9 verkleinert, die SPD stellt nur noch 2 Leute. Es ergibt Sinn, dass dann Innen- und Verteidigungspolitiker drin sind.“
Ob seine Demissionierung nicht vielmehr mit dem Treffen mit russischen Vertretern sowie seinem Wiederannäherungs-Manifest zusammenhänge? „Das mit der Kanzlermehrheit kann schon schwierig werden, ich habe in der Union nicht nur Freunde. Mag sein, dass sie mir eine Quittung für das Manifest gegeben hätten“, räumt Stegner ein. Ihn beschwere sein Ausscheiden aber nicht, zumal die Arbeit im PKGr sehr zeitintensiv gewesen sei. Stegner wolle sich jetzt umso intensiver um „friedenspolitische Initiativen“ kümmern.
Union ist skeptisch bei Heidi Reichhinek
Probleme bei einer Kanzlermehrheit wiederum dürfte es auch für die Linksfraktion geben: Die würde gern ihre Chefin Heidi Reichinnek ins PKGr schicken. Allerdings sind viele in der Union wegen deren harter Kritik an Bundesregierung und Kapitalismus skeptisch. Die CSU nannte ihre Nominierung eine „parteipolitische Provokation“, Reichinnek sei das Gegenteil von passendem Personal. Aus der Führung der Unionsfraktion hieß es, die Linke sei klug beraten, einen „wählbaren Vorschlag zu machen“. Reichinnek sei das „sicher nicht“.
Sören Pellmann, ihr Co-Vorsitzender in der Linksfraktion, erwiderte: „Offenbar hat die Union ihr die deutliche Kritik am Schulterschluss mit der AfD nicht verziehen.“ Die wichtige Funktion der Kontrolle der Geheimdienste „für parteitaktische Scharmützel“ zu nutzen, stehe der Union nicht gut zu Gesicht. „Und das ausgerechnet von der Fraktion, die einst Hans-Georg Maaßen zum Geheimdienstchef machte. Wir hoffen, dass die Union zur Vernunft kommt und Heidi Reichinnek wählt.“
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Christian Görke, widersprach vehement: Reichinnek sei über Parteigrenzen hinweg für ihren Einsatz für Demokratie anerkannt: „Die Linke braucht keine Hinweise zum Personal, schon gar nicht von der Union, die sich erst mal um ihre Maskendeals und das entsprechende Personal kümmern sollte.“
Die Union wiederum hatte selbst Anfang Juni den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter nach viereinhalb Jahren im PKGr gegen seinen Willen abgezogen – wohl auch, weil er sich gegen Merz positioniert und etwa nicht gemeinsam mit der AfD abgestimmt hatte. Kiesewetter kommentierte damals: „Das ist der Preis, wenn man eine Haltung hat.“ Am Donnerstag soll nun Marc Henrichmann sein Nachfolger werden, der auch zum Vorsitzenden des PKGr werden soll.
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