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Paragraf 219a vor dem OberlandesgerichtUrteil gegen Hänel aufgehoben

Die Ärztin Kristina Hänel wurde verurteilt, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informierte. Ihr Weg zum Verfassungsgericht wird nun länger.

Im langen Kampf gegen Paragraf 219a: die Ärztin Kristina Hänel Foto: dpa

BERLIN/FRANKFURT taz | Es klingt nach einer Erfolgsmeldung: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben. Das teilte das Gericht am Mittwoch mit. Allerdings: Für Hänel wird der Rechtsweg bis zu einer endgültigen Klärung über den umstrittenen Paragrafen 219a nun noch länger. Die Ärztin will diesen vor dem Bundesverfassungsgericht kippen.

Das Oberlandesgericht (OLG) verwies den Fall nun zurück ans Landgericht Gießen. „Damit ist wieder klar geworden, dass es beim Paragrafen 219a keine Rechtssicherheit gibt“, sagte Hänel am Mittwoch der taz. „Dass ich nun eine Ehrenrunde drehen muss, ist total ärgerlich.“ Für die Frauen bedeute das, dass die Informationen zum Schwangerschaftsabbruch weiter auf der Strecke blieben. An ihrem Plan, zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen, ändere der Beschluss des OLG aber gar nichts.

Der Paragraf 219a verbietet es ÄrztInnen, auf ihren Webseiten darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wegen der Anklage und Verurteilung von Hänel entbrannte 2017 eine Debatte über den Paragrafen. Im Februar 2019 beschloss die Bundesregierung eine Reform des Gesetzes: Nun dürfen ÄrztInnen zwar schreiben, dass sie Abbrüche machen – für jede weitere Information, wie etwa die Methoden, müssen sie aber auf andere Stellen wie die Bundesärztekammer verweisen.

Schon vor der Reform allerdings, im Oktober 2018, wurde Hänel wegen Verstoßes gegen den Paragrafen in zweiter Instanz vom Landgericht Gießen verurteilt. Dieses Urteil hebt das OLG nun auf. Im deutschen Strafrecht gilt der Grundsatz, dass im Fall einer geänderten Rechtslage für den oder die Angeklagte das mildere Gesetz anzuwenden ist. Im Fall Hänel sei demnach der nach Erlass des Urteils geänderte Paragraf anzuwenden, schreibt das OLG in einer Pressemitteilung.

Freispruch „praktisch ausgeschlossen“

„Für das OLG ist das der Weg des geringsten Aufwands“, sagte Hänels Anwalt Karlheinz Merkel der taz. Er gehe aber davon aus, dass das neue Gesetz keine Veränderung für Hänel bringen werde. Einen Freispruch vor dem Landgericht hält Merkel auch nach dem neuen Gesetz für „praktisch ausgeschlossen“.

Dennoch muss sich das Landgericht nun wieder neu mit Hänels Fall befassen. Sollte Hänel wieder verurteilt werden, würde sie wieder Revision einreichen, so Merkel. Die andere Möglichkeit sei, dass der Richter oder die Richterin dem Begehren Hänels stattgebe und den Fall direkt dem Bundesverfassungsgericht vorlege – „weil die Regelung weiter völlig wirr und verfassungswidrig“ sei, so Merkel. Ein neuer Termin für die Verhandlung am Landgericht steht noch nicht fest.

Hänel kündigte zudem an, selbst vor Gericht zu ziehen: gegen Klaus Günter Annen, einen der Männer, der sie und weitere ÄrztInnen wegen Verstoß gegen den Paragraf 219a angezeigt hatte. Annen betreibt die Website www.babykaust.de, hetzt dort gegen ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und schreibt, es gebe eine „Steigerungsform der grausamen Verbrechen“ des Holocaust, nämlich Abtreibungen.

Annen habe „schon lange die Ebene der freien Meinungsäußerung verlassen“, sagte Hänel. Bei ihren Lesereisen rufe er mit verletzenden Äußerungen zum Stören auf. „Mir macht das Angst.“ Bei der Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld gehe es unter anderem um Annens „Schmähkritik im Zusammenhang mit den KZ-Verbrechen“. Merkel sagte, er nehme an, dass Hänel in diesem Fall erfolgreich sein werde.

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6 Kommentare

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  • UN-Kinderrechtskonvention: „..Das Wohl des Kindes ist vorrangig zu berücksichtigen“



    Welches Wohlergehen hat ein Kind zu erwarten, das selbst von seiner Mutter nicht erwünscht ist? Aus welchen Gründen auch immer.



    Es kann genau so wenig eine Pflicht zum Gebären geben, wie eine Pflicht zu leben.

  • Für Frau Dr. Hänel ist das Ergebnis der Verhandlung eigentlich das Schlechteste.

    Da sie auch den neuen 219a kippen möchte, wäre nach einem Schuldspruch durch das OLG Frankfurt der Weg zur nächst höheren Instanz frei gewesen und das ist der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe und der hätte auch den neuen § kippen können.

    Jetzt ist erstmal wieder das Landgericht in Gießen zuständig, was eine Klage in Karlsruhe weiter verzögert.

    Persönlich halte ich den Weg von Frau Dr. Hänel für völlig richtig. Ärzten muss eine sachliche Aufklärung ihrer möglichen zukünftigen Patienten erlaubt sein.

    Nur weil das Thema emotional ist, heißt das nicht, das man nicht informieren darf.

  • Der Paragraph 219a ist Gesetzesschrott, den die Gerichte jetzt von einer Ecke in die andere schieben. Die SPD hätte es längst in der Hand gehabt, den 219a mit der bestehenden Bundestagsmehrheit komplett zu entsorgen. Stattdessen lässt sie sich lieber weiter von der „Union“ in eine Gesetzgebung einbinden, die nur einem Zweck dienen kann, nämlich Frauen zu entmündigen. Dafür gibt's mehr als eine Quittung - zu Recht.

    • @Rainer B.:

      Warum wohl lässt sich die SPD vom Gro-Koalitionspartner so vor sich hertreiben? Wohl offensichtlich deshalb, weil sie sich davor fürchtet, von der CDU/CSU mit dem - mit den Abtreibungsgegnern identischen - moralischen Knüppel in eine fragwürdige Position geprügelt zu werden. Dann würde die CDU/CSU wieder einmal als Gut-Menschen-Partei glänzen können, während sie wie immer die sich abmühende SPD für sich die Kartoffeln aus dem Feuer holen lässt. Altbekanntes und immer wieder erneut erfolgreiches Spiel, das die SPD klaglos mit sich machen lässt, ohne auch nur einmal scharf zu reagieren oder den Stiel umzudrehen. Zuviel Noblesse - schon immer!

      • @noevil:

        Dabei geht es hier überhaupt gar nicht um die SPD, oder um Moral, sondern darum, dass Ärzt*Innen umfassend und straffrei über Schwangerschaftsabbrüche aufklären dürfen müssen und Frauen sich barrierefrei, zeitnah, unkompliziert und nicht irgendwie staatlich reguliert über alle Aspekte von Schwangerschaftsabbrüchen informieren können sollen. Nicht mehr und nicht weniger.

  • Im Hinblick auf das, was sich mittlerweile aus „harmlosen Störern“ im Wahn der Filterblase entwickeln kann, kann ich Frau Hänels Sorgen gut verstehen. Hoffen wir, Herr Annen will seine kruden Ziele nicht irgendwann selbst mit Gewalt durchsetzen, oder animiert Andere, ihm mit selbiger in der Sache beizuspringen.