Papst entschuldigt sich: Ein zarter Versuch
Die Entschuldigung des Papst alleine reicht nicht. Denn die Verbrechen an der indigenen Bevölkerung Kanadas sind noch nicht vollständig aufgeklärt.

S ieben Jahre hat es gedauert, bis Papst Franziskus um Vergebung bittet. Sieben Jahre für eine Entschuldigung für grausamste körperliche und seelische Verbrechen, die die katholische Kirche Tausenden Menschen der indigenen Bevölkerung Kanadas über ein Jahrhundert lang angetan hat. Bereits 2015 hatte die kanadische Wahrheits- und Versöhnungskommission zu einer Entschuldigung des Papstes auf kanadischem Boden aufgerufen. Jetzt tourt Franziskus durchs Land, übernimmt die Verantwortung für die Taten der Kirche. Die Begegnungen der Betroffenen mit dem Papst sind schmerzlich: Tränen, Wut und die Konfrontation mit dem Menschen, der in seiner Funktion als oberster Hirte Sinnbild für Machtmissbrauch und ausbeuterische Strukturen im Namen Gottes steht.
Für päpstliche Verhältnisse ist die Entschuldigungstour ein starkes Signal. Mit ungewöhnlich eindringlichen Worten nannte er die Verbrechen der Kirchenmitglieder und Ordensgemeinschaften beim Namen. Es ist der zarte Versuch, die Taten der katholischen Kirche nicht zu vertuschen, sondern die Erinnerung wach zu halten. Wie Franziskus twittert, ist Vergebung eine Gnade, die erbeten werden muss.
Der Papst trifft auf seiner Reise durch Kanada Menschen, die die Kirche zerstört hat. Und er hört ihre Forderungen. Die kanadische Regierung hat bereits für die Betroffenen Entschädigungszahlungen zugesagt. Der Staat wusste von den Misshandlungen in den kirchlichen Einrichtungen, billigte die erzwungene Anpassung von indigenen Kindern an die weiße Mehrheitsgesellschaft. Die Kirche hält sich allerdings mit Zahlungen zurück. Und grausam mutet an, dass Rom keine Akten herausgeben will, die für die Aufklärung weiterer Taten sowie die Strafverfolgung der Täter:innen notwendig wären. Geld kann erlittenes Leid nicht wettmachen, auch kein Strafverfahren. Worte allein aber auch nicht. Der Wille zu vollständiger Aufklärung wäre das Mindeste, um Franziskus’ Geste nicht verpuffen zu lassen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg