Papst eckt bei US-Konservativen an: Der Natur ins Gesicht
Papst Franziskus arbeitet an einer Enzyklika zu Umweltfragen. Amerikas Konservative halten ihn für einen radikalen Öko-Marxisten.
NEW YORK ap | Bei Amerikas Konservativen wächst die Unzufriedenheit über Papst Franziskus. Auslöser ist die Haltung des katholischen Kirchenoberhaupts in Umweltfragen. Franziskus wird allem Anschein nach zu einem energischeren Kampf gegen den Klimawandel aufrufen.
Seit Monaten arbeitet der Papst an einer sogenannten Enzyklika zu Umweltfragen und globaler Erwärmung. Enzykliken sind die wichtigsten Lehrschreiben des Papstes und werden üblicherweise unter strengster Geheimhaltung von einem kleinen Kreis päpstlicher Gefolgsleute erstellt. Als Franziskus vergangene Woche die Philippinen besuchte, ließ er allerdings schon deutlich durchscheinen, was er beabsichtigt.
Für die globale Erwärmung sei „größtenteils“ der Mensch verantwortlich, erklärte der Pontifex. Erscheinen soll die Enzyklika im Juni oder Juli - dadurch, so Franziskus, bliebe hoffentlich Zeit, ein Umdenken zu bewirken, bis im November in Paris die nächste UN-Klimakonferenz stattfindet. Bei den vorigen Gesprächen in Lima hatten sich die teilnehmenden Staaten nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen können.
„Ob (das Handeln des Menschen) die einzige Ursache ist, kann ich nicht sagen, aber größtenteils ist es der Mensch, der der Natur ins Gesicht schlägt“, sagte Franziskus. „In gewisser Weise haben wir die Natur übernommen.“
Der Papst als linker Ideologe
Schon vor diesen Äußerungen hatten in den USA mehrere konservative Kommentatoren die Enzyklika kritisiert. Der Papst nehme in Umweltfragen eine radikale Haltung ein, hieß es bei Investor"s Business Daily, Forbes und TownHall.com.
„Was seine öffentlichen politischen Äußerungen anbelangt, ist Papst Franziskus die reinste Katastrophe. Und das sage ich als Katholik“, schrieb Steve Moore, Chefökonom der konservativen Denkfabrik The Heritage Foundation. „In Wirtschaftsfragen und mehr noch bei Umweltthemen hat sich der Papst mit der extremen Linken verbündet. Er hängt einer Ideologie an, bei der die Menschen ärmer und weniger frei würden.“
„Diese Leute tragen Sorge, dass das Dokument etwas Verbindliches enthalten wird, dem sie nicht zustimmen können. Das brächte sie in eine sehr missliche Lage“, sagte der Theologe David Cloutier von der Mount St. Mary"s University in Maryland.
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten sich sehr für Umweltschutz stark gemacht, aber Franziskus wird sich als erstes geistiges Oberhaupt der katholischen Kirche auf so förmlicher Ebene zum Klimawandel äußern.
Kritik am Finanzsystem
Doch es ist nicht nur dieser Themenkomplex, der die Konservativen in den USA aufregt. Franziskus hat das globale Finanzsystem und damit verbundene Theorien vehement und wiederholt kritisiert. Der Radiomoderator Rosh Limbaugh bezeichnete die geistige Haltung des Papstes daraufhin als „reinen Marxismus“.
Die Frage, ob der Klimawandel real ist und inwieweit der Mensch daran Schuld trägt, wird in den USA heftig diskutiert. Im republikanischen Lager und dessen Umfeld glaubt Umfragen zufolge nur ein Viertel der Menschen, dass der Klimawandel tatsächlich existiert und größtenteils der Mensch dafür verantwortlich ist.
Die anderen führen festgestellte Veränderungen auf normale Schwankungen zurück, halten die vorliegenden Daten für nicht ausreichend oder beharren darauf, dass es überhaupt keine Erwärmung gibt. Der republikanisch dominierte US-Senat hat Senator James Inhofe zum Leiter des Senatsausschusses gewählt, der sich mit öffentlichen Bauten und Umweltfragen beschäftigt. Inhofe hält die globale Erwärmung für vorgetäuscht.
„Sie haben Angst vor der Lösung“, sagt der Umweltforscher Anthony Leiserowitz von der Universität Yale. „Klimawandel ist das ultimative Problem, bei dem kollektives Handeln nötig wird. Es werden bundesweit, auf Länderebene und auf kommunaler Ebene Änderungen erforderlich und es geht nicht ohne internationale Kooperation, ohne die Vereinten Nationen.“
Konkrete Vorschläge erwartet
Gespannt warten nun alle an den Debatten beteiligten Lager, inwieweit sich der Papst einmischen wird. In seiner Enzyklika werde Franziskus dazu aufrufen, sich stärker um Gottes Schöpfung zu kümmern und um die Armen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, prognostiziert der Moraltheologe James Bretzke vom Boston College. Außerdem werde der Papst die Welt auffordern, dieses Problem gemeinsam anzugehen.
„Die Tatsache, dass der Klimawandel existiert, wird akzeptiert und betont werden“, so Bretzke. „Man kann davon ausgehen, dass die Enzyklika ziemlich konkret und spezifisch sein wird und dass es Handlungsaufforderungen geben wird, die bei einer Vielzahl von Menschen Unbehagen auslösen dürften - von Herstellern in der Ersten Welt bis hin zu Drittwelt-Schwellenländern wie China.“
Im September wird Papst Franziskus vor den Vereinten Nationen sprechen. Es ist denkbar, dass er dann im Vorfeld der Klimakonferenz die versammelten Länder noch einmal drängen wird, aktiv zu werden. Schon zuvor hatte er die an der Konferenz teilnehmenden Unterhändler aufgefordert, „mehr Mut“ an den Tag zu legen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption