piwik no script img

Panter-Preisträger vor EuGHDeserteur und Preisträger

Als André Shepherd von Deutschland aus für die US-Armee in den Irak ziehen soll, taucht er unter. Bekommt er jetzt Asyl in Deutschland?

„Absent without leave“ – abwesend ohne Erlaubnis: André Shepherd Bild: Rolf Zoellner

BERLIN taz | Bekommt der Deserteur der US-Armee und ehemalige taz-Panterpreis-Träger André Shepherd Asyl in Deutschland? Darüber verhandelt ab Mittwoch der Europäische Gerichtshof. Zwar ist Shepherd, 37 Jahre, nicht so prominent wie Edward Snowden. Aber politisches Asyl für einen Deserteur würde die USA wohl irritieren. Und rechtlich ist der Fall heikel.

Shepherds Geschichte beginnt wie die vieler US-Soldaten mit Geldsorgen. Er wächst in Ohio auf, studiert Informatik, kann aber seine Miete nicht zahlen. 2003 wirbt ihn die US Army an. Von September 2004 bis Februar 2005 repariert er Kampfhubschrauber im Irak. „Als ich hörte, wie viele Unschuldige starben, begann ich mich zu schämen“, sagt er.

Nach dem Einsatz arbeitet Shepherd im Büro einer US-Kaserne in der fränkischen Provinz. Als er 2007 wieder in den Irak ziehen soll, packt er seine Sachen und verlässt den Militärstützpunkt. Er ist „absent without leave“ – abwesend ohne Erlaubnis, 19 Monate lebt er im Untergrund und finanziert sich mit Gartenarbeit. Denn in den USA drohen ihm eine Haftstrafe und soziale Ächtung, wenn er unehrenhaft aus der Armee entlassen würde.

Deshalb beantragt er im November 2008 Asyl in Deutschland, als erster Deserteur der US-Armee. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnt seinen Antrag ab. Shepherds Rechtsanwalt klagt beim Verwaltungsgericht in München, das übergibt an Luxemburg. Denn Shepherd beruft sich auf eine EU-Richtlinie: Seit 2004 haben Kriegsdienstverweigerer, die an Straftaten, Kriegsverbrechen oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren, Recht auf Asyl.

Das Verwaltungsgericht will jetzt vom EuGH wissen, ob auch eine indirekte Beteiligung als Mechaniker an Kampfeinsätzen ausreicht – oder ob die soziale Ächtung und die Freiheitsstrafe, die ihm möglicherweise in den USA bevorstehen, als politische Verfolgung gelten.

Abgeschoben werden kann Shepherd zwar nicht: Er ist mit einer Deutschen verheiratet und lebt am Chiemsee. Aber er will, dass das BAMF mit der Anerkennung seines Asylantrags den Irakkrieg als völkerrechtswidrig einstuft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • G
    Guest

    Joachim Petrick

     

    Was will das Verwaltungsgericht vom EugH wissen, was es nicht ohnehin schon seit dem Ausruf Bundeskanzler Gerhard Schröders im Bundestagswahlkampf 2002 auf dem Marktplatz zu Goslar weiss:

     

    "Uneingeschränkte Solidarität mit den USA nach Nine Eleven 2001, der Ausrufung des Ernstfalles durch die NATO am folgenden Tag, JA!

     

    Aber für Kriegsabenteuer ohne UNO- Mandat sind wir nicht zu haben!"

     

    Nämlich dass Kriegsabenteuer per se Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit implizieren und jeder Deserteur unter ein Kronzeugenprogramm gehört

     

    https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick