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Panter 5 Wo die Rechte von Arbeiter*innen systematisch missachtet werden, helfen nur noch Gerichte und lautstarker Protest. Der aktion ./. arbeitsunrecht e. V. organisiert beides und hilft den BetroffenenDie Arbeitgeberverbrecher stoppen

von Volkan Ağar

Zwischen Kölner Dom und dem Stadtteil Sülz, in der Luxemburger Straße 176, sitzen eine Frau und ein Mann in einem spartanisch eingerichteten Ladenlokal hinter zwei großen Bildschirmen. Dass sich ihr Ladenlokal gerade in der Straße befindet, die den Nachnamen der berühmten Kommunistin Rosa Luxemburg trägt, mag ein Zufall sein, zumal die Straße nicht nach der linken Ikone benannt ist. Es ist aber ein Zufall, der gut passt: An der Wand des Ladenlokals hängt eine Tafel, mit Kreide sind darauf kämpferische Parolen geschrieben. „worker’s rights are human rights“ und „pray for the dead, fight for the living“. An der gegenüberliegenden Wand stehen ein Megafon und drei Demo­plakate.

Die beiden hinter den Bildschirmen sind Gründungsmitglieder des Vereins „aktion ./. arbeitsunrecht e.V.“. Elmar Wigand, grauer Kapuzenpullover über schwarzem T-Shirt, nennt sein Projekt auch gern eine „Start-up-NGO“. Jessica Reisner, schwarzes Kleid mit weißen Punkten, verantwortet hier die Kampagnen der „Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb“, wie sich der Verein auch bezeichnet. Am 18. Januar 2014 haben sie und andere in Köln den aktion ./. arbeitsunrecht e. V. gegründet. Seit Mai 2017 sind sie in diesem kleinen, aber sympathischen Ladenlokal mit großen Fenstern untergebracht – dass nur mit dem Nötigsten eingerichtet ist. Neben der politischen Tafelkritzelei hängen noch Plakate an der Wand: Eines richtet sich gegen die AfD, auf einem anderen steht „Nieder mit Pegida“. Und: „Es gibt keine Alternative zur Solidarität“ aktion ./. arbeitsunrecht e. V. enga­giert sich gegen sogenannte „aggressive Arbeitgeber“. Ihre Gegner sind Unternehmen, die mit einem professionellen Netzwerk von Anwälten, Detektiven, Medienkanzleien, Unternehmensstiftungen, Fake-Gewerkschaften und Pseudo-Betriebsratslisten gegen Betriebsräte, Betriebsratsgründer*innen und Beschäftigte vorgehen und dabei vielfach geltendes Arbeitsrecht verletzen.

Ein weiterer Teil ihrer Vereinsarbeit besteht aus dem Kampf gegen die Hyperausbeutung. Dabei werden Menschen, die oft am untersten Rand der Gesellschaft um ihre Existenz kämpfen, von Subunternehmen, zu geringsten Löhnen und oft unter Missachtung geltender Arbeitsrechte, angestellt. Sie müssen dann für andere Unternehmen, wie etwa Hotel­ketten, arbeiten.

Proteste vorm Hotel

Ihr Engagement hat verschiedene Aspekte: von Kampagnen für die Arbeiter*innen über öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Kundgebungen und Protestaktionen bis hin zur Begleitung von Betroffenen auf dem Rechtsweg.

„In Hotels stoßen Arm und Reich aufeinander wie sonst nirgendwo“, erklärt Elmar Wigand. Sie hätten bereits vor Hotels protestiert und deren Gäste ge­beten, die Putzfrauen direkt anzusprechen. „Die Hotels eignen sich für unsere Zwecke gut“, ergänzt Jessica Reisner, denn „ein Hotel lebt von seiner Marke“.

Die Idee zum Verein aktion ./. arbeitsunrecht e. V., erläutert Elmar Wigand, resultiert aus seinem frühen Interesse an besonderen Ausbeutungsverhältnissen. Und aus Beobachtungen, die er in London machen konnte. Dort recherchierte er zum sogenannten „Community Orga­nising“, prekär beschäftigten Reinigungskräften aus Mittelamerika, die sich gegen ihre Ausbeutung aktiv zur Wehr setzten.

aktion ./. arbeitsunrecht e. V.

Das Ziel des ehrenamtlichen Vereins ist es, über sogenannte „aggressive Arbeitgeber“ sowie deren Strategien und Netzwerke aus Anwälten, Detektiven, Medienkanzleien etc. aufzuklären, die gegen Betriebsräte und Arbeitnehmer*innen vorgehen. Außerdem unterstützt der Verein Arbeitnehmer*innen, die von Lohnraub betroffen sind, mit öffentlichen Aktionen und auf dem Rechtsweg.

Mehr Infos zum Projekt: www.arbeitsunrecht.de

Jessica Reisner erzählt von einem der vielen Fälle, denen der Verein nachgegangen ist: Eine Reinigungskraft aus Brasilien, die über ein Subunternehmen in einem Hotel arbeitete, habe sich an den Verein gewandt : „In manchen Fällen haben die Putzkräfte nur eine halbe Stunde Zeit für die Reinigung eines Zimmers.“ Und das trotz anfallender zusätzlicher Aufgaben, wie dem Putzen der Flure oder der zeitintensiven Reinigung von hartnäckigen Verunreinigungen. Wer das Tempo nicht hält, dem drohe der Rausschmiss aus einem Arbeitsverhältnis, das zwar unmenschlicher nicht sein könnte, für die Arbeiter*innen jedoch die einzige Alternative sei, um zu überleben. Viele der Betroffenen, insbesondere in der Hotellerie, stammten aus Rumänien oder Bulgarien, so Reisner. Sie sprächen kein oder nur schlecht Deutsch, weshalb sie ihre Wehrlosigkeit zu beliebten Opfern der Subunternehmen mache.

Über ein Subunternehmen angestellt zu sein bedeutet, so Wigand und Reisner, dem Diktat der Kosteneffizienz ausgeliefert zu sein – somit oft auch zahlreichen Brüchen mit Rechten und geltenden Mindeststandards. Das Subunternehmertum verschleiert die Schuldigen für die Rechtsverstöße, da die Verantwortung ausgelagert wird, manchmal sogar bis ins Ausland.

Das ganze Ausmaß der perfiden Anstellungsverhältnisse offenbart sich mit jeder weiteren Erzählung der beiden. Zugleich staunt der Zuhörer aber auch darüber, dass dieser Graubereich der Arbeitswelt bisher so wenig Raum in der Öffentlichkeit oder bei Gewerkschaften einnimmt.

Fragmentierung der Arbeit

Aktion ./. arbeitsunrecht e. V. begreift sich jedoch keineswegs als Ersatz von Gewerkschaftsarbeit – eher als Ergänzung. Sie würden eben einen Bereich bearbeiten, der für Gewerkschaften lange Zeit ein blinder Fleck war, so Wigand. Gewerkschaftsarbeit bleibe wichtig. Aber das, was sie machten, werde auch wichtiger. Gerade in einer Zeit, in der sich die Lohnarbeit selbst, ihre Organisation und Struktur so fundamental verändern.

Denn Globalisierung bedeutet auch eine Fragmentierung von Arbeitsprozessen, in viele einzelne über den Globus verteilte Arbeitsschritte. Und die damit verbundene größere Angreifbarkeit von Arbeiter*innen. „Wenn sich die Arbeit verändert“, so Wigand, „muss sich auch der Kampf für Arbeiter*innenrechte anpassen“. Ihr Projekt ist ein Versuch. Derzeit konzentriert sich die Initiative auf die Kampagne „PutzfrauenPower!“.

Panter Preis 2017

Der taz Panter Preis zeichnet Menschen und Initiativen aus, die sich mit persönlichem Einsatz für eine bessere Welt engagieren. Jedes Jahr werden zwei mit je 5.000 Euro dotierte Preise verliehen.

Porträts: Bis Ende Juli stellen wir Ihnen die sechs Nominierten in der taz.am wochenende und auf taz.de vor.

Leser*innenwahl: Ab 5. August 2017 können Sie Ihre Favoritin/Ihren Favoriten wählen: per Mail, per Post oder online.

Verleihung: Am 16. September werden Leser*innen- und Jurypreis im Kino International in Berlin verliehen.

Solidarität: Unterstützen Sie uns. Spenden Sie für den „taz Panter Preis“ auf das Konto der taz Panter Stiftung, bei der GLS-Bank Bochum, unter der IBAN: DE 9743 0609 6711 0371 5900. Die Stiftung ist als gemeinnützig anerkannt, Ihre Spenden sind daher steuerlich absetzbar.

Alle Infos, alle Nominierten: www.taz.de/panter.

Hier manifestiert sich der Lohnraub in all seinen Facetten: unbezahlte Überstunden, ein kontinuierlich steigendes Arbeitspensum, Kranken- und Urlaubsgeld, die kaum oder gar nicht gezahlt werden. Und bei Widerspruch: Schikanen, Abmahnungen, Entlassungen. Systematisches Übergehen von geltenden Arbeitsgesetzen. Auf ihrer Website ruft die Initiative Betroffene auf, sich bei ihnen zu melden: „Haben Sie Lohnraub, Schikanen und andere schlimme Erfahrungen als Putzkraft im Hotel gemacht?“, fragt sie und fordern auf: „Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit! Lassen Sie uns gemeinsam Druck machen: Vor Gericht und in der Öffentlichkeit!“

Außerdem beobachtet der Verein „Union Busting“, das heißt die systematische Bekämpfung von Arbeitnehmervertretungen durch Unternehmen. Erst kürzlich veröffentlichte der Verein Reformvorschläge zum besseren Schutz von Betriebsräten.

Es sind traurige Verhältnisse, denen aktion ./. arbeitsunrecht e. V. den Kampf ansagt. Ihren Humor haben Jessica Reisner und Elmar Wigand trotzdem nicht verloren: Mit der satirischen Aktion „Jetzt schlägt’s 13! Aktionstag Schwarzer Freitag“ nehmen sie Vorschläge für die schlimmsten Unternehmen an – und küren diese an jedem Freitag, dem 13. Das ist Witz, soll aber auch den „Schwarzen Freitag“ umdeuten – in den Widerstandstag der arbeitenden Bevölkerung.

Der nächste „Schwarze Freitag“ steht übrigens schon fest: es wird der 13. Oktober 2017 sein.

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