Pannen-AKW Krümmel: Vattenfall droht der Lizenzentzug
Umweltminister Gabriel glaubt nicht mehr an ein Wiederanfahren des Krümmel-Reaktors. Es gebe "Anzeichen" für die Unzuverlässigkeit des schwedischen Energiekonzerns.
BERLIN taz | Nach der Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel droht dem Betreiber Vattenfall nach Aussage von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel der Entzug der Betriebsgenehmigung. Der SPD-Minister sagte am Mittwoch in Berlin, dass er nicht damit rechne, dass Krümmel noch einmal angefahren werde. Der Bundesumweltausschuss hatte sich zu einer Sondersitzung getroffen, in dessen Mittelpunkt vor allem die Kritik an der Informations- und Kommunikationspolitik von Vattenfall stand.
Gabriel sagte in der Sitzung, dass es "Anzeichen" für die Unzuverlässigkeit des schwedischen Energiekonzerns gebe. Zudem werde ein Wiederanfahren nach neuen Sicherheitskriterien überprüft. "Nach unseren Einschätzungen wird es Vattenfall schwer haben, auf der Basis dieser Sicherheitskriterien Krümmel wieder ans Netz zu bringen", sagte Gabriel. Der Schritt eines Lizenzentzugs müsse allerdings gründlich geprüft werden. Immerhin wäre dies ein "schwerer Eingriff ins Privateigentum".
Im Krümmel-Reaktor hat es mehrfach Pannen gegeben. Nachdem im Jahr 2007 ein Transformator gebrannt hat, war das AKW zwei Jahre lang stillgelegt worden. Kurz nachdem es im Juni dieses Jahres wieder in Betrieb genommen worden war, kam es erneut zu mehreren Störfällen. Danach wurde Vattenfall - wie 2007 - für den Umgang mit den Pannen stark kritisiert. Unter anderem wurde der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe, Tuomo Hattaka, nicht von seinen Mitarbeitern von der erneuten Notabschaltung informiert, sondern telefonisch von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.
Im Auftrag der schleswig-holsteinischen Landesatomaufsicht läuft derzeit eine Zuverlässigkeitsprüfung, die von einem Kieler Rechtsexperten durchgeführt wird. Schleswig-Holsteins Umweltminister Christian von Boetticher (CDU) sagte, er werde diese Prüfung zunächst abwarten, bevor weitere Schritte eingeleitet würden. Er betonte: "Die Prüfung muss ergebnisoffen geführt werden." Gleichzeitig erklärte er, dass mit dem Abschluss der Prüfung nicht vor der Bundestagswahl am 27. September zu rechnen sei. Am selben Tag findet die Landtagswahl in Schleswig-Holstein statt.
An einer angeblich ergebnisoffenen Prüfung äußerten insbesondere Bündnis 90/Die Grünen starke Zweifel. Unter anderem sei der Gutachter der gleiche wie vor zwei Jahren. Damals kam er zu dem Schluss, dass die Fehler des Betreibers nicht dazu ausreichten, ihm die Genehmigung zu entziehen. Ähnlich äußerte er sich bereits vor wenigen Wochen in den Medien. Die Grünen kritisieren zudem, dass es für die Prüfung bereits zwei Monate und damit genügend Zeit gegeben habe. "Die wollen unbedingt über die Wahlen kommen mit ihrem Gutachten", sagte Grünen-Vize Bärbel Höhn.
Hans-Kurt Hill von der Linken sieht den Bundesminister in der Verantwortung: "Es ist ein Skandal, dass Gabriel die Zuverlässigkeitsprüfung des AKW-Betreibers Vattenfall jetzt auch noch der Landesatomaufsicht in Kiel überlässt, obwohl die Landesregierung in Schleswig-Holstein derzeit weitgehend handlungsunfähig ist."
Scharfe Kritik bekommt Vattenfall derweil sogar von der Konkurrenz. Nach Informationen des Handelsblatts haben die anderen drei großen Energiekonzerne, Eon, RWE und EnBW, dem schwedischen Unternehmen einen Brief geschickt, in dem sie ebenfalls die Kommunikationspolitik im Fall Krümmel rügen. Sie fordern Vattenfall auf, in der laufenden Atomdebatte eindeutig Stellung zu beziehen.
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