Palästinensischer Politiker Erekat gestorben: Unermüdlich bis zum Tod
Der palästinensische Politiker Saeb Erekat ist den Folgen von Covid-19 erlegen. Israelische Ärzte kämpften bis zuletzt um ihn. Er wurde 65 Jahre alt.
„Für meinen CV reicht eine Zeile“, sagte er einst über sich selbst: „palästinensischer Friedensunterhändler“. Am Dienstag starb der an Covid-19 erkrankte PLO-Generalsekretär im Alter von 65 Jahren in einem israelischen Krankenhaus in Jerusalem.
Elf Tage nachdem er positiv getestet worden war, hatte sich Erekat Mitte Oktober in das renommierte Hadassah-Krankenhaus einweisen lassen. Die Behandlung habe nach anfänglicher Auskunft der Klinik eine „immense Herausforderung“ dargestellt, weil sein Immunsystem unterdrückt sei. Erekat hatte sich 2017 einer Lungentransplantation unterzogen. Die ranghöchsten Ärzte von Hadassah seien in Kontakt mit anderen Medizinern weltweit gewesen, um die Behandlung abzustimmen.
Das künstliche Koma, in das ihn die Ärzte versetzten, ersparte es Erekat, sich der Häme rechter Israelis stellen zu müssen, die die Behandlung des Todkranken in der israelischen Klinik nicht unkommentiert lassen wollten. Erst vor wenigen Wochen hatte die palästinensische Führung infolge der israelischen Annexionspläne Kooperationen mit dem Besatzer, darunter die Überweisung palästinensischer Patienten in israelische Kliniken, auf Eis gelegt.
Kolumnist in „Haaretz“
Erekat gehörte zu den schlagfertigsten Kritikern der israelischen Politik. In akzentfreiem Englisch zürnte er den zwei Golfstaaten Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die jüngst einer Normalisierung der Beziehungen mit Israel zustimmten. Er stellte Bedingungen, allen voran den Stopp des Siedlungsbaus.
Er drohte, die getroffenen Vereinbarungen mit Israel aufzulösen, „den Schlüssel zurückzugeben“, wie er es nannte. Er warnte vor den Islamisten im besetzten Land, die stärker werden würden, sollte es keine Einigung geben, und er appellierte immer wieder auch an die internationale Gemeinschaft, nicht abzulassen von der Zweistaatenlösung.
„Stoppt die Annexionsfanatiker“, schrieb er in seiner letzten Kolumne, die die liberale Haaretz im Juni druckte. „Verhängt Sanktionen über Israel“. Den von US-Präsident Donald Trump präsentierten „Plan des Jahrhunderts“ für einen Nahostfrieden bezeichnete Erekat als „unverschämten Fahrplan zu einer Realität von nur einem Staat mit zwei Systemen: einer kompletten Apartheid“.
Erekat holte junge Israelis nach Nablus
Erekat war unermüdlich, wohl wissend, dass seine Aussichten, ein Friedensabkommen zu erreichen, miserabel waren. „Ich bin der armseligste Unterhändler in der Geschichte der Menschheit“, räumte er schon 2007 ein. „Ich habe keine Armee, keine Flotte, keine Wirtschaft und meine Gesellschaft ist zersplittert.“
Schon lange vor Beginn des Friedensprozesses, zu Zeiten, als Kontakte zur PLO in Israel noch gesetzlich verboten waren, lud der in den USA studierte Politologe und später in England promovierte Friedens- und Konfliktforscher junge Israelis zum Dialog ein an die Al-Najah-Universität in Nablus, an der er Internationale Beziehungen unterrichtete.
Immerhin wirkte Erekat später daran mit, den Prozess in Gang zu bringen, der seine Heimatstadt Jericho als eine der ersten palästinensischen Städte autonom werden ließ und der die PLO-Führung aus dem Exil nach Hause brachte. In der palästinensischen Bevölkerung war er nicht zuletzt, weil er auf seinem Weg zur Zweistaatenlösung und der palästinensischen Selbstbestimmung so wenig vorankam, nicht unumstritten. Und er soll seine politische Macht zur Bereicherung seiner Familie missbraucht haben.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ordnete eine dreitägige Trauerzeit zum Tod „unseres lieben Bruders und Freundes“ an. Zipi Livni twitterte: „Saeb hat sein Leben seinem Volk gewidmet.“ Noch kurz vor seinem Koma habe er ihr eine SMS geschrieben: „Ich bin noch nicht fertig, mit dem, wofür ich geboren wurde.“ Erekat hinterlässt seine Frau und vier Kinder. Er wurde 65 Jahre alt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen