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Palästina-Demo in BerlinProtest gegen die Trumpisierung von Abschiebungen

Hunderte Menschen protestieren gegen die Ausweisung von vier Palästina-Aktivist:innen. Sie sehen das Grundgesetz in Gefahr.

Sie bleiben alle: Palästina-Protestierende am Alexanderplatz Foto: Nicolai Kary

Berlin taz | Ein Meer aus palästinensischen Fahnen weht am Alexanderplatz. Mehrere hundert Menschen haben sich hier am Freitagnachmittag zusammengefunden, um gegen die drohende Ausweisung der Palästina-Aktivist:innen Shane O'Brien, Kasia Wlaszczyk, Roberta Murray und Cooper Longbottom zu demonstrieren. Junge Studierende in Kufiyas rauchen selbstgedrehte Zigaretten, schwarz gekleidet Antifas stehen eingewickelt in „FCK AfD“ Fahnen herum, ältere arabische Männer und Frauen unterhalten sich über das Neuste.

Ein Mann hält Bilder mit verstümmelten Kindern aus dem Gazastreifen hoch, auf einem Banner einer kommunistischen Organisationen wird eine neue Intifada gefordert. Es dauert nicht lange, bis die Polizei das erste Mal in die Menge geht, und eine Person festnimmt. „Shame on you, shame on you“ rufen die Demonstrierenden.

Zur Demo unter dem Slogan „Wir bleiben alle! Politisch motivierte Abschiebungen stoppen“ hatten Menschenrechtsorganisation und linke Initiativen aufgerufen, darunter etwa Amnesty International Deutschland, die Interventionistische Linke und Sea Watch. Im Aufruf wurde vor der „Instrumentalisierung des Aufenthaltsrechts“ gewarnt, das die drohende Ausweisung der Ak­ti­vis­t:in­nen darstelle. Diese sei ein „Testballon, um auszuloten, wie weit staatliche Repression gegen kritischen Aktivismus in Deutschland gehen kann.“

Mehrfach wurde in Redebeiträgen eine Verfassungskrise attestiert. Ein Redner beklagte etwa „eine zunehmende ideologische Konformität von Institutionen mit der Linie der Regierung“, die ihn an die frühe Phase des Nationalsozialismus erinnere. Ausgeholt würde das „Recht, Rechte zu haben“, zitierte der Aktivist die Philosophin Hannah Arendt, denn Rechte würden zunehmend von Staatsangehörigkeit oder politischer Haltung abhängig gemacht. „Solange wir nicht alle frei sind, ist niemand frei“, rief der Redner – und erntete tosenden Applaus.

Einzug des Trumpismus in die Politik

Ende März war öffentlich geworden, dass das Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA) auf Geheiß des Berliner Senats eine Ausweisung der vier Ak­ti­vis­t:in­nen anstrebt, die bis auf den US-Amerikaner Longbottom aus der EU stammen, hier also eigentlich Freizügigkeit genießen. Vorgeworfen wird ihnen etwa die Beteilung an einer gewalttätigen Besetzung der Freien Universität im Oktober 2024 – von einem Gericht verurteilt wurde jedoch noch kei­ne:r der vier Aktivist:innen.

Im Falle von Shane O'Brien hat das Berliner Verwaltungsgericht vergangene Woche den Vollzug der Abschiebung zunächst gestoppt. O'Brien darf nun bleiben, bis in der Hauptsache entschieden hat. Das Gericht verneinte Berichten zufolge allerdings nicht grundsätzlich, dass EU-Bürger:innen auch ohne Verurteilung die Freizügigkeit entzogen werden kann – bemängelte aber, das LEA hätte die polizeilichen Vorwürfe nicht eigenständig überprüft.

Eine Rednerin von Amnesty International sagte auf der Auftaktkundgebung, der Fall stehe examplarisch dafür, wie sich die deutsche Politik zunehmend an Donald Trump orientiere. Sie zog einen Vergleich zum Fall des Palästina-Aktivisten Mahmoud Khalil, dem die Trump-Administration auf Basis nicht belegter Vorwürfe der Terrorunterstützung abschieben will. Von der Bundesregierung forderte sie, das Aufenthaltsrecht nicht zu missbrauchen, die Rede- und Versammlungsfreiheit zu wahren und Palästina-Solidarität nicht unter Generalverdacht zu stellen.

Um kurz nach 17 Uhr setzt sich die schätzungsweise 500 Menschen in Bewegung. Die Protestierenden skandieren die bekannten Parolen der Szene, von „Hoch die internationale Solidarität“, über „Yallah, yallah, Intifada“ bis zu „Israel is a terrorist state“. Bereits kurz nach Demostart heizt sich die Situation kurz auf, als die Polizei wiederholt Demonstrierende aus dem Protestzug zieht. Ein Sprecher der Polizei sprach nur zwanzig Minuten nach Demostart gegenüber der taz von vier Festnahmen. Grund seien verbotene Symbole, sowie Hamas-verherrlichende Schriftzüge. Unter den Festgenommenen sei zudem ein „wiedererkannter Straftäter“.

Vor dem Berliner Dom haben sich etwa zwanzig Ge­gen­de­mons­tran­t:in­nen versammelt. Sie tragen Israelflaggen und Schilder auf denen die von den Hamas entführten Geiseln zu sehen sind. Aus dem Demonstrationszug wird ihnen „Fuck Israhell“ und „Shame on you!“ entgegnet. „Islamfaschisten seid ihr!“, ruft einer aus dem Gegenprotest.

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