Paläontologe über „Jurassic Park“: „Hauptgegner war die Dramaturgie“
Der Actionfilm „Jurassic Park“ feierte vor 30 Jahren Premiere und sorgte für einen globalen Dinohype. Jack Horner war wissenschaftlicher Berater.
taz: Herr Horner, schauen Sie gerne „Jurassic Park“?
Jack Horner: Ich verbinde mit dem Film viele tolle Erinnerungen. Es hat Spaß gemacht, mit Steven Spielberg und all den großartigen Schauspielern zu arbeiten. Auch der Film selbst ist immer noch sehr sehenswert. Er hat bei vielen Menschen das ganz große Interesse für Dinosaurier erst erweckt. Manche von ihnen sind heute selbst Paläontologinnen und Paläontologen.
Einer der bekanntesten Paläontologen der Welt. Er lieferte etwa den Nachweis, dass Maiasaura in Kolonien nisteten und sich um ihre Babys kümmerten. Neben seiner Forschung war er wissenschaftlicher Berater für die Jurassic Park Filmreihe.
Was war Ihre Aufgabe als wissenschaftlicher Berater des Films?
Ich sollte dafür sorgen, dass die Darstellung der Dinosaurier möglichst nah an den wissenschaftlichen Erkenntnissen bleibt. Wir sprechen natürlich vom Stand der Wissenschaft in den frühen 90er Jahren. Meine Hauptgegner waren dabei die Dramaturgie eines Katastrophenfilms und die limitierte Technik der Zeit. Dem Hauptdarsteller Sam Neill habe ich außerdem viel über die Arbeit als Paläontologe erzählt. Er spielt im Film den Dinoforscher Alan Grant. Ebenso habe ich dafür gesorgt, dass alle Dinonamen korrekt ausgesprochen wurden. Es war eine echt spannende Arbeit, ich habe viel Zeit am Set verbracht und bekam Einblicke in eine für mich völlig fremde Welt.
Wie viele Kompromisse mussten Sie eingehen?
Natürlich einige. Wir hatten gerade herausgefunden, dass viele Raubsaurier gefiedert waren. In meiner Vorstellung waren sie außerdem mindestens genauso bunt wie heutige Vögel. Diese Annahme wurde durch einige sehr spannende Funde und bessere Labortechnik in den letzten Jahren bestätigt. In dem Film wurden die Raptoren und der T-Rex aber zu schuppigen, dunklen Monstern gemacht. Das schmerzte mir in der Seele. Aber es war ja nicht meine Aufgabe, eine Dokumentation zu begleiten, sondern einen Actionfilm.
Wie groß ist der Einfluss des Films auf unser heutiges Dinosaurierbild?
Noch mal: Ich mag „Jurassic Park“ als Film, er hat viele tolle Seiten. Aber ich habe inzwischen große Probleme mit der Darstellung der Saurier. Sie prägt bis heute unser Dinobild maßgeblich, und zwar auf eine falsche Weise. Das beste Beispiel dafür ist der Velociraptor. Er war deutlich kleiner als im Film und besaß Federn. Das wussten wir auch schon damals. Leider war die Computergrafik noch nicht ausgereift genug, um gefiederte Saurier auf die Leinwand zu bringen. Schuppige Killermaschinen sehen außerdem deutlich gefährlicher aus als vogelartige Raubsaurier. Leider bekommt man solche falschen Darstellungen schwer wieder aus den Köpfen der Menschen.
Im Film sind die meisten Dinosaurier tatsächlich gefährliche Killer. Ist da gar nichts dran?
In „Jurassic Park“ sind vor allem die Fleischfresser furchterregende Bestien, die die Parkbesucher erbarmungslos jagen. Das ist gut für die Spannung, macht aber überhaupt keinen Sinn. Wir sehen in einer der ersten Szenen einen sehr kranken Triceratops. Er wäre die perfekte Beute. Stattdessen jagt der T-Rex viel kleinere Menschen in einem Auto. Das ist viel mehr Aufwand für viel weniger Fleisch. Aber das war eben die Idee von Steven Spielberg. Er hat aber auch einen Film über einen Hai gemacht, der ein Boot zerstört, um einen Menschen zu fressen.
Wir müssen über das ikonische Gebrüll des T-Rex sprechen. Es wurde aus allerlei Tierstimmen zusammengemischt. Was weiß man heute über die Geräusche der Saurier?
Ein auf der Jagd brüllender T-Rex ist ziemlicher Blödsinn. Mit lautem Brüllen würde er sämtliche Beutetiere verscheuchen. Auch heute lebende Raubtiere wie Löwen oder Tiger sind auf der Jagd sehr still. Wie ein T-Rex wirklich klang, wissen wir aber auch nicht. Das liegt vor allem daran, dass wir nur wenige Überreste vom Dino-Stimmapparat finden. Er besteht aus Weichteilen und wird deshalb nur selten versteinert. Aber die wenigen Hinweise und Funde, die wir kennen, deuten eher darauf hin, dass Dinos wie ihre heutigen Verwandten, die Vögel, klangen – im Falle des T-Rex nur deutlich tiefer und lauter.
In einer der ersten Szenen wird die Arbeit der beiden Forschenden gezeigt. Elli Sadler und Alan Grant finden ein fast komplettes Raptorskelett in der Wüste. Außerdem sieht man den frühen Einsatz von Computern. Sind Sie mit dieser Darstellung zufrieden?
Diese Szene basiert tatsächlich auf einem meiner Field Camps aus dieser Zeit. Ich hatte auch einen ähnlichen Wohnwagen mit damals sehr modernen Computern darin. Aber natürlich mussten wir auch hier die Filmwirklichkeit etwas anpassen. Ein bisschen Sand wegpinseln und dann sehen wir ein komplettes Raptorskelett vor uns, das ist natürlich völlig unrealistisch. Die echte Arbeit ist viel härter. Wir benutzen viel häufiger Presslufthammer oder Meißel als einen schnöden Pinsel. Auch komplette Skelette, bei denen jeder Knochen genau an der richtigen Stelle liegt, gibt es nur äußerst selten. Meistens finden wir nur wenige Knochen eines Tieres oder ein großes Durcheinander verschiedener Skelette. Auch so sauber wie im Film sehen die Knochen meist erst nach der Präparation im Labor aus. Aber diesen langen Prozess konnten wir schlecht auf die Leinwand bringen.
Welche Bedeutung hatte der erste „Jurassic Park“-Film für die Paläontologie?
„Jurassic Park“ hat die kindliche Liebe zu Dinosauriern bei vielen Erwachsenen neu erweckt. Von diesem neuen Interesse profitierte die Forschung damals immens. Ich bekam zum Beispiel eine umfangreiche Förderung von der US-Regierung, um nach DNA-Spuren an Saurierfossilien zu suchen. Die Steuergelder werden am leichtesten für etwas ausgegeben, das die Menschen mögen. Übrigens waren nicht nur die Fördertöpfe wieder größer, auch die Studierendenzahlen stiegen deutlich. Es gab auch wieder mehr Stellen für Doktoranden. Und meine Seminare waren plötzlich völlig überlaufen. Ein besonders positiver Trend war der wachsende Anteil von Studentinnen. Vielleicht lag es an der Rolle der Paläobotanikerin Elli Sadler, aber plötzlich wuchs der Frauenanteil auf fast 50 Prozent. Das war ein immenser Fortschritt für ein bis dahin sehr männerdominiertes Fach.
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