Pagode in Lichtenberg soll weg: Auf Buddha gebaut
Seit 2006 existiert eine buddhistische Pagode auf dem Gelände eines Asiamarkts. Für VietnamesInnen ist sie heilig, für den Bezirk Zweckentfremdung.
Die Pagode wird nur noch bis Ende Juni 2020 geduldet, danach soll sie sich neue Räume suchen. Von einer noch im Mai angedrohten sofortigen Nutzungsuntersagung und Beseitigungsanordnung des buddhistischen Gotteshauses will das Bauamt absehen, wenn die Pagode kurzfristig einen Feuerlöscher anschafft und Fluchtwege kennzeichnet. Das von außen schmucklose Gebäude für rund 200 gläubige VietnamesInnen liegt in einem Gewerbegebiet. Dort fügt sich die Pagode „nach der Nutzungsart nicht in die nähere Umgebung ein“, sagt Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) der taz.
Dem behördlichen Schreiben ging eine jahrelanges gegenseitiger Nicht-Verstehen-Wollen zwischen Bezirk und Gemeinde voraus. 2006 war die Pagode in das Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes in Hohenschönhausen gezogen. Seitdem werden in dem kleinen Gebäude Gottesdienste, Geburten und Totenrituale für BuddhistInnen gefeiert.
Der Asiamarkt stellt die Räume mietfrei zur Verfügung – nicht ganz uneigennützig, denn er will die Pagodenbesucher*innen auch in die Markthalle locken und seine Gewerbemieter beten in der Pagode für erfolgreiche Geschäfte. Zudem hat die Betreiberin des Asiamarktes, Trinh Thi Mui, die Erfahrung gemacht, dass die Nähe zu einem Gotteshaus ihrem Markt kriminelle Besucher vom Hals hält. Ihr Markt hat nicht annähernd im gleichen Maße mit derartigen Problemen zu kämpfen wie das weit größere Dong-Xuan-Center in Lichtenberg.
Pagodengemeinde Pho Da
Einen Bauantrag stellte die Pagode 2006 nicht. Schließlich nahm sie an dem Pförtnerhäuschen keine Umbauten vor. Dass sie eine planungsrechtliche Umwidmung hätte beantragen müssen, wusste die Gemeinde, die sich auch als Verein konstituiert hat, nicht. Die hätte sie 2006, als es in Hohenschönhausen viel Leerstand gab, problemlos bekommen. Der Bezirk wusste aber von der Pagodeneröffnung. Medien wie auch die taz hatten berichtet. Seit 2010 arbeitet dort mit Erlaubnis des Auswärtigen Amtes ein aus Vietnam entsandter Mönch.
Dem Bauamt ist die Pagode nach eigenen Angaben dennoch erst seit 2016 bekannt. Damals stellte die Gemeinde einen Bauantrag auf Erweiterung der nicht einmal 100 Quadratmeter großen Räume um etwa 30 Quadratmeter. Das Amt lehnte den allerdings ab. Begründung: Als nicht-gewerbliche Einrichtung habe eine Pagode nichts in einem Gewerbegebiet zu suchen.
Da die buddhistische Gemeinde weder Kirche noch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, seien ihre Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge im Baurecht auch nicht planungsrechtlich besonders zu berücksichtigen. Stattdessen fürchtet das Bauamt, dass die Existenz der damals bereits zehn Jahre alten Pagode „bodenrechtlich beachtliche Spannungen“ für andere Bauvorhaben haben könne.
Gemeinde baute trotzdem
Die Gemeinde legte gegen diesen Bescheid, der sie gegenüber religiösen Einrichtung von Nicht-Migranten diskriminierte, keinen Widerspruch ein, sondern löste das Problem auf andere Weise: Sie baute ohne Baugenehmigung. So sagt es die Gemeinde. Das Bezirksamt sagt: Sie hat vorher schon gebaut.
Tatsächlich dauerte es zweieinhalb Jahre, bis das Bauamt den Schwarzbau bemerkte. Es kündigte im Frühjahr 2019 die Nutzungsuntersagung der gesamten Pagode an. Jetzt begann die Gemeinde, sich zu wehren. Ein nicht existenzbedrohendes Bußgeld wegen des Schwarzbaus würde sie akzeptieren, eine Schließung nicht.
„Eine Pagode ist ein buddhistisches Gotteshaus“, schrieb sie dem Bauamt. „Dieses auf behördliche Anordnung zu schließen, käme einer Entweihung einer christlichen Kirche oder einer jüdischen Synagoge gleich und ist mit dem grundgesetzlichen Recht auf Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren.“
In Berlin hat zuletzt die SED ein Gotteshaus geschlossen
In Deutschland werden Gotteshäuser meist nur dann auf behördliche Anordnung geschlossen, wenn sie Tagebauen im Weg stehen, wie derzeit im Hambacher Forst. Sucht man Beispiele aus Berlin, muss man weit in die Geschichte zurückgehen. Nach dem Mauerbau 1961 schlossen DDR-Behörden die evangelische Versöhnungskirche in der Bernauer Straße und die katholische Kapelle Staaken, weil sie zu dicht an der Mauer standen. 1985 bzw. 1987 wurden beide Gotteshäuser abgerissen.
Ho Bich Thoa, eine Frau um die 50, ist Gemeindemitglied in Hohenschönhausen. Jeden Sonntag kommt sie zum Gottesdienst. Danach essen die Besucher gemeinsam, bevor Zeit ist für Religionsunterricht oder individuelle Gebete. Thoa betet am Altar vor dem Foto ihrer in diesem Jahr verstorbenen Mutter. „Hier und nicht auf dem Friedhof ist der Ort, wo ich meiner Mutter nahe sein kann“, sagt sie der taz.
Im Buddhismus verlässt der Geist nach dem Tod den Körper, auf dem Altar dieser Pagode kann sie am besten mit dem Geist ihrer Mutter ins Gespräch kommen. „Meine Mutter hat in der Pagode ehrenamtlich gearbeitet, ihr Geist wohnt hier“, sagt sie der taz. Sie möchte nicht, dass der Geist ihrer Mutter umziehen muss.
Baustadträtin Monteiro sagt der taz, sie will die Pagode in Lichtenberg halten, aber an einem anderen Standort. Bei der Suche bietet sie Hilfe an.
Gemeindesprecherin Thoa wendet ein, dass sich die Pagode ausschließlich aus Spenden finanziert und den jetzigen Standort mietfrei nutzt. Sie zahle lediglich Betriebskosten. Räume, die sie sich leisten kann, fände sie nur außerhalb Berlins. Thoa sagt: „Viele Gemeindemitglieder haben kein Auto, um rauszukommen. Sie arbeiten sechs Tage pro Woche und brauchen an ihrem freien Sonntag einen kurzen Weg zum Gottesdienst.“ Die Anmietung und Nutzung von Wohnraum für den Gottesdienst sei zudem nach dem Zweckentfremdungsverbot nicht zulässig. Die Nachbarschaft zu einem Gewerbegebiet ist aus Sicht der Pagode hingegen sogar gut: Hier störe es niemanden, wenn der Gong am Sonntag etwas lauter schlage.
Der grüne Bauexperte Andreas Otto appelliert an den Bezirk Lichtenberg, sich mit der buddhistischen Gemeinde an einen Tisch zu setzen, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Lichtenbergs SPD-Fraktionschef Kevin Hönicke will dabei helfen. „Religiöse Belange sollen wir als Bezirk ernst nehmen.“ Daniel Bartsch, Sprecher von Religionssenator Klaus Lederer (Linke), sagt der taz, der Senat arbeite an einem lang angelegten Prozess, nichttraditionellen Religionsgemeinschaften die Raumsuche zu erleichtern.
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