Streit um Pagode in Berlin: Ein Platz zum Beten

Die Lichtenberger Pho-Da-Pagode ist bedroht, weil sie in einem Gewerbegebiet steht. In einem taz-Talk aber war zu hören, dass es neue Hoffnung gibt.

Eine Frau betet vor Altar mit Buddhastatue vor der Berliner Pho-Da-Pagode

Ein Tempel mit Asiamarkt-Anschluss: die Pho-Da-Pagode in Lichtenberg Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Im Fall der von Schließung bedrohten vietnamesisch-buddhistischen Pho-Da-Pagode im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen gibt es neue Hoffnung. Das Lichtenberger Bauamt hat im Dezember den Schließungsbeschluss zurückgezogen und der Pagode eine Duldung bis mindestens 2026 gewährt. Bis dahin will der Bezirk gemeinsam mit dem Land Berlin eine langfristig tragfähige Lösung suchen. Das erklärte Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) auf einem taz-Talk im Dezember vor 120 Gästen in der taz-Kantine, den die Autorin moderierte. Die meisten Gäste waren Mitglieder der buddhistischen Gemeinde. Das Video der Veranstaltung wurde bisher mehr als 1.000 mal geklickt.

Die Pho-Da-Pagode ist eine von drei vietnamesisch-buddhistischen Pagoden in Berlin. Die Gemeinde hat rund 200 Mitglieder. Die Pagode wurde 2006 im Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes, das Gemeindemitglieder liebevoll renovierten, eröffnet. Im Eröffnungsjahr war die damalige Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) Gast einer Feier der Pagode. Dennoch behauptet das Bauamt, von der Existenz der Pagode nichts erfahren zu haben. Da die Gemeinde in ihrem Gebäude keine Umbauten vornahm, stellte sie keinen Bauantrag.

Das änderte sich zehn Jahre später: Die zahlenmäßig stark gewachsene Religionsgemeinde wollte anbauen. Der Bauantrag wurde abgelehnt. Begründung: Eine Pagode habe in einem Gewerbegebiet nichts zu suchen. Die Gemeinde baute dennoch.

Es dauerte bis 2019, bis das Bauamt den Schwarzanbau bemerkte. Seitdem fordert der Bezirk die Gemeinde auf, das Gebäude aufzugeben. Nicht des Schwarzbaus wegen, den Hönicke als „sicher“ bezeichnet („Da fällt keinem was auf den Kopf“), sondern aus grundsätzlichen Gründen: Eine Pagode störe in einem Gewerbegebiet.

Bisher hat sich niemand über die sonntäglichen Gebete, den Gong oder die neben der Pagode parkenden Autos beschwert

Selbst Hönicke räumt ein, dass das „Stören“ rein theoretisch gemeint ist. Bisher hat sich niemand über die sonntäglichen Gebete, den Gong oder die neben der Pagode parkenden Autos beschwert.

Aber das deutsche Planungsrecht trenne fein säuberlich: Gewerbe zu Gewerbe. Wohnen zu Wohnen. Und eine kulturelle oder religiöse Nutzung – wie eben eine Pagode – zu vergleichbaren Einrichtungen. Denn theoretisch ist schließlich denkbar, dass sich ein hier ansässiges Wirtschaftsunternehmen dann doch mal an der Pagode stören könnte. Vor Gericht würde es Recht bekommen. Und für so einen Fall müsse ein Bauamt vorsorgen.

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Eine Win-Win-Situation

Praktisch haben die Pagode und der benachbarte Asia-Markt eine im Baurecht nicht vorgesehene Win-Win-Situation. Der Asiamarkt freut sich über die Pagodenbesucher als Kunden. Dessen Mitarbeiter kommen in die Pagode zum Gebet. Solche migrantischen Synergieeffekte hat das vor Jahrzehnten geschaffene Baurecht nicht mitgedacht.

Doch das Land Berlin will, dass sich just auf diesem Gelände in Hohenschönhausen produzierendes Gewerbe ansiedeln kann, das aus der Innenstadt verdrängt wird. Und weil Berlin immer weniger Flächen für produzierendes Gewerbe hat, sollen auf diesen Flächen keine anderen Nutzungsarten mehr erlaubt werden. Auch das ist eher eine theoretische Annahme. Praktisch teilt sich die Pagode die Pförtnerloge mit der Verwaltung des Asiamarktes. Wer würde in diese Miniräume einziehen wollen, wenn direkt daneben ein ganzes Bürogebäude leer steht?

Religionsstaatssekretär Gerry Woop (Linke) fragte beim taz-Talk nach der Verfassungsmäßigkeit des Handelns des Lichtenberger Bauamtes. Bricht nicht die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit das Baurecht?

Nach dem traditionellen vietnamesischen Glauben, einer Vermischung von Buddhismus und Naturreligion, wohnen die Geister der verstorbenen Familienangehörigen am Ort des Ahnenaltars. Also in der Pagode. Rund 200 solche Ahnenaltäre mit Fotos von Verstorbenen gibt es. Weihrauch und Gebete sorgen für ein gutes Leben der Geister im Jenseits. Diese Geister würden aber im Jenseits ziellos umherirren, wenn der Altar plötzlich verschwinden müsste.

Woop und Hönicke waren sich einig, dass man einen Glauben nicht in diesem Maße angreifen kann. Doch anders als für Woop, für den das Verfassungsrecht hier eindeutig das Baurecht bricht, sucht Hönicke noch nach einer Lösung, die auch die Juristen in seinem Bauamt überzeugen kann, die ohne sein Wissen den Räumungsbescheid an die Gemeinde verschickt hatten. Woop kann sich in seiner Interpretation sogar auf Unterstützung der Senatsverwaltung für Justiz berufen. Deren Staatssekretärin Saraya Gomis unterstützt seine Position ausdrücklich. Hönicke hingegen will gemeinsam mit Woop proaktiv auf die Senatsverwaltung für Wirtschaft zugehen. Die soll seiner Meinung nach eine Ausnahme im Gewerbegebiet zulassen.

Spenden für die Ukraine

In der Vorweihnachtszeit war die Pho-Da-Gemeinde sehr aktiv. Mehr als 8.000 Euro Spenden wurden für die Ukraine gesammelt. Die für das Geld gekauften Schals, Mützen und warme Tücher wollten Gemeindemitglieder bereits am 26. Dezember in die Ukraine fahren. Doch die Reise wurde auf Ende Januar verschoben. Einer der der Helfer hat die vietnamesische Staatsbürgerschaft und er muss zuerst bei der ukrainischen Botschaft ein Visum beantragen.

„Unsere Gemeinde hat im Frühjahr 2022 vietnamesische Geflüchtete aus der Ukraine im Land Brandenburg unterstützt“, sagt Gemeindemitglied Ha Hausmann der taz. Etliche von ihnen seien inzwischen in die Ukraine zurückgekehrt und würden die Reise logistisch unterstützen. „Sie haben uns den Kontakt zum Roten Kreuz der Ukraine vermittelt, sodass wir eine offizielle Einladung erhalten.“

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