Otto-Erbe über seine linke Biographie: „In meiner Jugend war ich Frank“

Der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto hat als Sohn des Otto-Versand-Gründers ein Millionenvermögen geerbt. Nun hat er ein Buch geschrieben.

Frank Otto sitzt in einem Café neben einer Vase mit Blumen.

Von der Hippiebewegung sozialisiert: Millionenerbe und Medienunternehmer Frank Otto Foto: Miguel Ferraz Araujo

taz am wochenende: Guten Tag, Herr Otto. Wo ist Ihr Personenschützer? Haben Sie den nicht immer dabei?

Frank Otto: Doch.

Aber hier ist niemand.

Er ist keine zwei Minuten von mir entfernt und hat das Umfeld hier im Blick. Das ist das System. Ich brauche keine Manndeckung. Es wird niemand auf mich schießen. Wenn, dann hätte man mit mir etwas anderes vor.

Sie spielen auf die Entführung von Jan Philipp Reemtsma 1996 an. Damals wurde Lösegeld erpresst. Seitdem haben Sie Personenschutz.

Ich habe mich daran gewöhnt. Das ist auch keine ständig wechselnde Person. Es macht hauptsächlich einer. Er nimmt intensiv an meinem Leben teil und ist ein Buddy geworden. Sogar unsere Ruhestandsüberlegungen gehen konform.

Warum haben Sie ein Buch über Ihr Leben geschrieben?

Ich bin angesprochen worden, und das war so ein Moment, wo ich dachte: Ist es schon so weit? Bin ich schon in einem Alter, in dem man eine Biografie braucht? Dann habe ich gemerkt, die meinen das ernst. Und ich fand es gut, weil ich schon den Eindruck hatte, dass es ein verzerrtes Bild von mir in der Öffentlichkeit gibt.

Inwiefern?

Weil ich immer so als Erbe dargestellt werde. Ich weiß, Geld ist für alle Menschen irgendwie faszinierend. Den meisten Menschen gefällt die Vorstellung, so reich zu sein. Ich habe versucht, den Reichtum nachvollziehbar zu machen. Aber meine Geschichte ist auch eine individuelle Geschichte. Ich glaube schon, dass meine Geschwister eine andere Geschichte schreiben würden.

Sie schreiben viel über Ihre Tätigkeit als Medienunternehmer, Ihre Beteiligungen an Privatradios und Privatfernsehen, beginnend in den 1980er Jahren, als ein neues Mediengesetz das möglich gemacht hat.

1957 in Hamburg geboren, ist das dritte von fünf Kindern von Otto-Versand-Gründer Werner Otto und wohnt an der Hamburger Außenalster. Otto lebte nach der Scheidung seiner Eltern bei seinem Vater, spielte in Bands, studiert Kunst und wurde Medienunternehmer. Er ist heute an knapp 20 Radiosendern beteiligt und unterstützt Projekte wie die Deutsche Meeresstiftung, die Hamburger Klimawoche oder den World Future Council (Weltzukunftsrat). Otto war zweimal verheiratet und hat fünf Kinder.

Viele Leute sagten nach der Lektüre des Buches: „Hey Frank, das wusste ich ja gar nicht, was Du alles gemacht hast.“ Es gibt ja zum Beispiel die Generation Viva mit Leuten wie Stefan Raab und Heike Makatsch, die bei Viva als Moderatoren angefangen haben. Viele wussten gar nicht, dass ich damit zu tun hatte.

Was ist mit den Frauengeschichten? Zuletzt hat Ihre Beziehung mit dem Model Nathalie Volk die bunten Blätter intensiv beschäftigt.

Mit Herzschmerzgeschichten bin ich im Buch sparsam. Ich habe mit niemandem etwas aufzurechnen. Das Buch besteht aus einer Aneinanderreihung von Anekdoten, besondere Vorfälle, die nicht jedem Menschen so passieren, wie sie mir passiert sind. Dadurch ist es interessant.

Bevor Sie mit Ende 20 angefangen haben, sich mit Medien zu beschäftigen, haben Sie eine Ausbildung im Unternehmen des Vaters gemacht.

Da war ich nur ganz kurz.

Sie beschreiben in der Episode eine Raucherpause. Alle treffen sich und am Anfang war alles cool. Dann kam heraus, dass Sie der Sohn vom Chef sind und die Gespräche sind verstummt. Ist Ihnen so was öfter passiert?

So krass nicht. Ich habe das Glück gehabt, dass ich bis zu meinem dreißigsten Geburtstag relativ unentdeckt leben konnte. Der Name Otto ist kein so ungewöhnlicher Name, den bringt man nicht automatisch mit dem Otto-Versand in Verbindung. In meiner Jugend war ich nicht der Sohn, sondern da war ich Frank. Die Verhältnisse waren relativ normal. Ich habe ja auch meinen finanziellen Hintergrund erst beim Radiomachen in Anspruch genommen. Vorher hat der gar keine Rolle gespielt.

Als die Leute dann wussten, was Sie für einen familiären Background haben, hatten Sie da das Gefühl, die reagieren alle komisch?

„Das Problem mit der Vermögenssteuer ist, dass der Aufwand, sie zu erheben, den Ertrag schon auffrisst. Das würde nichts bringen“

Nee. Dann war ich zwar nicht mehr der Frank, aber es war ja so, dass Privatfunk und Privatfernsehen neu waren. Die Medienlandschaft hat sich innerhalb eines Jahres völlig verändert. Viele haben das als spektakulär empfunden und ich war mittenmang dabei. Und dann war der Fokus eher auf dem Neuen als auf meiner Herkunft.

Hatten Sie zu der Zeit noch Kontakt zu linken Kreisen? Als junger Erwachsener waren Sie ja zum Beispiel bei der Bunten Liste dabei, die später in den Grünen aufgegangen ist.

Ich habe mich auch in meinem Radiosender ganz viel mit linken Kreisen beschäftigt. Da sind auch Mitarbeiter gekommen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil sie sich bei uns freier gefühlt haben. Aber als Inhaber hatte ich im Programm nichts zu suchen. Auch später bei der Hamburger Morgenpost habe ich den Leuten gesagt: „Wenn Ihr schreibt, was ich denke, dann haben wir ein Problem, dann müssen wir wahrscheinlich die Hälfte der Belegschaft entlassen.“ Weil meine Meinung damals eine Minderheitenmeinung war. Die war zu links und zu grün.

Würden Sie eine Vermögenssteuer befürworten?

Das Problem mit der Vermögenssteuer ist, dass der Aufwand, sie zu erheben, den Ertrag schon auffrisst. Das würde nichts bringen. Sonst hätte ich kein Problem damit.

Also die Idee finden Sie gut?

Ich glaube mehr an solche Sachen wie Grundeinkommen und Entbürokratisierung. Da sehe ich mehr Gewinn für die Zukunft unserer Gesellschaft, weil sie die Effizienz erhöhen würde. Die meisten Menschen wollen etwas tun, selbst wenn sie eine Grundsicherung haben, weil die Arbeit Anerkennung gibt.

Im NDR sagten Sie, Sie würden sich Gedanken machen, ob unser Wirtschaftssystem das richtige ist.

Das kann nicht das richtige sein, weil das Falsche belohnt wird. Es wird die Ausbeutung planetarer Ressourcen belohnt. Das darf nicht belohnt werden, es gehört bestraft.

Das würde heißen, man müsste die Idee des Wachstums über Bord werfen.

Ich glaube, dass die Idee des Wachstums nicht ganz über Bord geworfen werden kann, weil wir auch mit Armutsbekämpfung zu tun haben auf diesem Planeten. Die Bekämpfung von Hunger und die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse funktionieren jetzt schon besser als vor 50 Jahren. Obwohl wir mehr Menschen geworden sind. Ich glaube, dazu braucht es schon irgendwo diesen Mehrwert, der durch Wachstum entsteht. Aber als Industrienation stehen wir vor einer anderen Herausforderung.

Vor welcher?

Wir müssen mehr in die Nachhaltigkeit kommen und das relativ zügig. Und insofern wird sich das Wirtschaftssystem schon verändern müssen. Also es wird nicht mehr ganz so einfach sein, Rendite zu erwirtschaften.

Otto erzählte seine Geschichte der Autorin Melanie Köhne, die daraus ein Buch machte: „Frank Otto. Sinn und Eigensinn. Ein Leben zwischen Verantwortung und Rebellion.“ Edel Books, Hamburg 2021. 256 Seiten, 22 Euro.

Wie halten Sie es denn privat mit der Nachhaltigkeit?

Bei den offensichtlichen Sachen wie der Vermeidung von Plastikmüll bin ich dabei. Ansonsten bin ich nicht so, dass ich mich jeden Tag überprüfe.

Haben Sie ein Privatflugzeug?

Nein, um Gottes willen.

Soll vorkommen bei Leuten mit Ihrem Vermögen.

Ja, ja, es gibt Leute, für die das Sinn macht, wenn sie für ihr Business viele unbedeutende Ortschaften besuchen müssen. Aber das ist bei mir nicht so. Ich bin, wenn überhaupt, von Metropole zu Metropole unterwegs, da brauche ich so was nicht.

Bei Wikipedia gibt es zwei Angaben über die Höhe Ihres Vermögens, die eine nennt 900 Millionen Euro, die andere über 1,1 Milliarden Dollar. Was stimmt?

Ich weiß nicht, wie die auf diese Zahlen kommen.

Liegen die zu hoch oder zu niedrig?

Deutlich zu hoch. Aber ich könnte selbst keine genaue Zahl sagen. Ich habe viele Unternehmensbeteiligungen und diese Unternehmen werden ja nicht ständig bewertet.

Man stellt sich vor, ab einer gewissen Größe ist es egal, ob das eigene Vermögen noch weiter wächst. Welche Rolle spielt der wirtschaftliche Erfolg Ihrer Unternehmen?

Der spielt auf jeden Fall eine Rolle, weil man natürlich nicht ein Business gründet, um Geld zu verlieren. Am Ende möchte man, dass sich die Leute, die man da beschäftigt, selbst refinanzieren. Das ist nicht immer überall möglich. Aber es ist immer das Ziel.

Gibt es auch Unternehmen, wo Sie einen Verlust in Kauf nehmen, weil Ihnen die Inhalte so wichtig sind?

Ja, zum Beispiel Hamburg 1. Ich finde lokale Informationen demokratiepolitisch wichtig. Jeder kennt dieses Gefühl, im großen Maßstab nichts bewirken zu können. Aber ich kann dafür sorgen, dass die Ampel um die Ecke nachts abgeschaltet wird, wenn da keine Autos kommen.

Wie viel Chance räumen Sie Fridays for Future ein, eine Veränderung zu erwirken?

Eine Menge, aber Fridays for Future kann es nicht alleine schaffen. Fridays for Future ist eine Bewegung, die den Finger in die Wunde legt. Im Kern geht es ja um die Hinwendung zur Wissenschaft, die da eingefordert wird. Das ist eine neue Qualität. Das ist das Tolle, dass sie uns darauf aufmerksam machen, dass wir uns über wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegsetzen.

Der letzte Satz in Ihrem Buch ist: „Meine Geschichte gehört uns allen.“ Was meinen Sie damit?

Ich meine, dass ich ein Teil der Gesellschaft bin. Wenn wir über die Bundesrepublik sprechen und über das, wie wir leben, dann gehört meine Geschichte auch dazu. Weil sie anders ist, als viele erwarten. Aber sie ist nur ein Teil.

Wofür steht Ihre Geschichte?

Es ist eine Nachkriegsgeschichte. Ich war in einer spannenden Zeit jung. Durch die Hippiebewegung und die emanzipatorischen Prozesse, die es gab, sind Prozesse angestoßen worden. Und die Welt hat sich ganz langsam verändert. Heute haben wir das Thema Diversity, und das wäre ohne diese emanzipatorischen Bewegungen von damals gar nicht möglich. Wir sind immer noch in einer Bewegung, in einem Prozess, der versucht, uns zivilisatorisch besser zu machen. Da stecken wir mitten drin. Darum sage ich: Am Ende wird alles gut.

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