Oskar Lafontaine über SPD und Grüne: „Wer’s glaubt, wird selig“
Die Linkspartei hat SPD und Grüne sanft genötigt, Umverteilung auf ihre Banner zu schreiben, sagt Oskar Lafontaine. Dass Rot-Grün es ernst meint, bezweifelt er.
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taz: Herr Lafontaine, Wirtschaftsvertreter nennen die Grünen die Steuererhöhungspartei Nummer eins. Sind Sie gram, weil die Grünen sich Steuerideen der Linkspartei zu eigen gemacht haben?
Oskar Lafontaine: Nein. Die Grünen korrigieren teilweise Fehler, die sie in der rot-grünen Regierung gemacht haben. Das ist zu begrüßen. Aber sie sind nicht glaubwürdig. Weil sie eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließen, können sie voraussichtlich nur mit der Union regieren. Damit werden die meisten Versprechungen Makulatur.
Die Grünen scheinen damit Schwarz-Grün unmöglich gemacht zu haben.
Wer’s glaubt, wird selig.
Die Grünen wollen eine Vermögensabgabe, 49 Prozent Spitzensteuersatz, eine Vermögenssteuer, einen Mindestlohn von 8,50 und höhere Hartz-VI-Sätze. Klingt vertraut für Sie, oder?
Die Partei Die Linke hat erreicht, dass SPD und Grüne umdenken. Ein höherer Spitzensteuersatz ist richtig – unter Adenauer lag der übrigens bei 95 Prozent. Die Partei Die Linke fordert bei der Millionärssteuer einen höheren Satz als SPD und Grüne. Wir wollen aber gleichzeitig eine massive Entlastung der Facharbeiter und mittleren Angestellten.
Wo ist die wesentliche Differenz zwischen Linkspartei und Rot-Grün?
SPD und Grüne befürworten nach wie vor den Fiskalpakt in der EU, der die Agenda 2010 auf ganz Europa ausweitet. Sie befürworten die Schuldenbremse in Deutschland und in der EU, die letztendlich zum Sozialabbau führt.
Und ihre Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 reicht nicht. Wer mit einem solchen Lohn 45 Jahre arbeitet, bekommt eine Hungerrente. Wir fordern mindestens 10 Euro.
SPD, Grüne und Linkspartei zielen steuerpolitisch doch in die selbe Richtung…
Das begrüßen wir ja. Wenn SPD und Grüne ihre Versprechen ernst meinen, geht das nur mit uns. Doch beide erklären kategorisch, dass sie eine Zusammenarbeit, wie schon 2005 und 2009, ausschließen.
Ich habe bis 2009 immer wieder angeboten, einen sozialdemokratischen Kanzler mitzuwählen, wenn vier Bedingungen erfüllt sind: Rückzug aus Afghanistan, Verbesserung bei der Rente und Hartz IV sowie die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Es gab keine Bereitschaft, darauf einzugehen.
Es gibt aber 2013 eine andere gesellschaftliche Stimmung und eine Mehrheit für Umverteilung…
…die man nutzen sollte. Es geht aber nicht um Umverteilung sondern um Rückverteilung. Milliarden sind ohne entsprechende Gegenleistung an die oberen Zehntausend geflossen ist, an die Quandts, Klattens, Piëchs und Schefflers. Die müssen an die zurückgegeben werden, die sie erarbeitet haben.
Sind die Abgrenzungsbedürfnisse zwischen Rot-Grün und Linkspartei so groß, weil sie sich so nahe sind?
Nein.
Dann weil sie sich nicht leiden können?
Das wäre albern. Wir wollen eine Koalition für eine Mehrheit, für einen gesetzlichen Mindestlohn, eine bessere Arbeitslosenversicherung, für eine höhere Rente und für eine friedliche Außenpolitik. Es geht nicht um persönliche Antipathien.
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