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Ortstermin bei der LinksfraktionKampf um Krümel

Die neue Doppelspitze der Linksfraktion lädt zum Frühstück: Wagenknecht und Bartsch kommen schon dabei nicht auf einen Nenner.

Scheinbare Nähe: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. Foto: dpa

Er schiebt sich zwei große Stücke Camembert auf das Vollkornbrötchen und beißt dreimal kräftig rein. Sie schnappt sich eine trockene Schrippe, reißt kleine Teigfetzen ab und kaut konzentriert auf ihnen herum. Als Sahra Wagenknecht dann endlich herunterschluckt und das Wort ergreift, als Dietmar Bartsch sein halbes Brötchen ablegt und vom Esstisch aufblickt, hat die designierte Doppelspitze der Linken im Grunde schon verloren: Noch nicht mal beim Frühstück kommen die Beiden auf einen gemeinsamen Nenner. Und jetzt wollen sie zusammen eine Fraktion führen?

Mittwochmorgen im Jakob-Kaiser-Haus neben dem Reichstag: Die Linksfraktion hat hier ihre Büros und lädt regelmäßig Journalisten zum Frühstück. Irgendjemand aus der Fraktionsspitze (mal Gregor Gysi, mal seine Stellvertreter) plaudert dann eine dreiviertel Stunde über die aktuelle Woche, über die Abstimmungen im Plenum und über die Tücken des Neoliberalismus.

Dass Bartsch und Wagenknecht gemeinsam dort frühstücken, ist ein Novum. Der Termin hat natürlich mit ihrer gemeinsamen Zukunft zu tun: Am Montag verkündete die Parteispitze, dass die Beiden im Herbst Gysis Nachfolge antreten sollen.

Ausgerechnet diese beiden, der verkappte Sozialdemokrat und die Kommunistin a.D. „Die beiden harmonieren so gut wie Tom und Jerry“, schrieb vor kurzem die Süddeutsche Zeitung. Und nun müssen sie es 45 Minuten am selben Tisch aushalten.

Von Athen nach Hagenow

„Wenn es für Griechenland ein Schuldenmoratorium gäbe, wäre die ganze Debatte über neue Hilfspakete obsolet“, sagt Wagenknecht. Kein guter Einstieg: Seit März sind Hilfspakete in der Linksfraktion ein schwieriges Thema. Damals stimmten die Abgeordneten im Bundestag für neue Griechenlandhilfen - gegen Wagenknechts Willen.

Zwischenzeitlich hatte sie deshalb gar keine Lust mehr auf den Fraktionsvorsitz. Hätte sie ihre Entscheidung nicht revidiert, gäbe es nun keine Doppelspitze, kein Frühstück und keinen Bartsch.

Ihr Kollege in spé lässt das nicht auf sich sitzen und startet den Gegenangriff. Er nimmt noch einen Happen Camembert, ergreift dann selbst das Wort und wechselt das Thema: Von Athen nach Hagenow.

Das liegt in Mecklenburg-Vorpommern, hat knapp 12.000 Einwohner und seit Sonntag einen linken Bürgermeister. „Das ist ein schönes Ereignis. Auch deshalb, weil uns die Sozialdemokraten dort unterstützt haben“, sagt Bartsch. Uff. Regieren mit der SPD. Nichts für Wagenknecht. Sie reagiert aber souverän, schiebt sich einen neuen Brotkrümel in den Mund und starrt auf die Tischplatte.

Wiederholung ohne Kamera

„Ab jetzt unter drei“, ruft der Pressesprecher dann von der Seite. „Unter drei“ heißt, dass die Journalisten nicht schreiben dürfen, was gesagt wird. Das klingt für Außenstehende aufregend: Als ob Bartsch jetzt von Geheimverträgen erzählt, die er für 2017 mit SPD und Grünen abgeschlossen hat, woraufhin sich Wagenknecht an ihrem Brötchen verschluckt und die Doppelspitze aufkündigt.

Die Wirklichkeit ist normalerweise weniger aufregend. Es könnte sein, dass Bartsch keine Geheimverträge erwähnt und sich Wagenknecht nicht verschluckt, sondern beide wiederholen, was sie zuletzt schon in Fernsehkameras sagten. Dass sie hier und da unterschiedliche Positionen hätten, zum Beispiel, sich aber in den meisten Punkten einig seien. Sogar bei der Sache mit Griechenland: Zunächst stünde nämlich gar kein neues Hilfspaket an, und wenn es einmal so weit sei, müsse man sich zuerst die Details ansehen. Wie gesagt: Ob es so war, dürfen wir leider nicht schreiben.

Freigegeben ist nur eine Information: Die nächste Gelegenheit für den Eklat bietet sich am Mittwoch, dem 1. Juli. Dann steht das nächste Frühstück an.

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17 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Krümel sucht hier doch eher der Autor: Weil keine wirklichen Differenzen gefunden wurden, werden absurde Differenzen konstruiert. Peinlich.

  • Ganz abgesehen von der selten dämlichen Einleitung: Ist das nicht der Sinn einer Doppelspitze, dass sie nicht harmoniert? Wenn sie sich in allem einig wären, könnte man ja auf eine(n) der beiden verzichten.

  • Ich hätte es auch nicht anders erwartet. Bartsch muss mit Wagenknech eben leben und die ist auf grundsätzliche Feststellung aus. In Wirklichkeit könnten sie auch gemeinsam einen Klassenkampf, Generalstreik verkünden - wer interessiert sich wirklich für die beiden? Nur ein paar Leser beim ND, TAZ und Junge Welt. Und bei der Borniertheit der bürgerlichen Medien wird das auch so bleiben. Immerhin wissen wir jetzt, wo die taz manchmal ein Frühstück spendiert bekommt.

  • die Linkspartei sollte sich endlich zu ihrer SED-Tradition bekennen und sich für die Stasi-Folteropfer und die Mauertoten entschuldigen. Dann könnten vielleicht auch mitdenkende Bürger die Partei wählen

    • @Franz Vege:

      Wie war's im Orbit? Leider haben Sie auf Ihrer 30-jährigen Umlaufbahn doch so einiges verpasst.

  • Endlich ist die taz auf dem Niveau des 'Spiegels' angekommen. Man simuliert politische Analyse durch Salbadern über Essgewohnheiten der vermeintlichen Kontrahenten. Eine Geschwätzigkeit, die den Autor auch für die 'Bunte' qualifizieren würde. Hallo taz: einfach arm.

  • Was will uns Schulze sagen? Ich lese diesen Mist und verschenke kostbare Lebenszeit. Ärgerlicher Schachsinn!

    • @RPH:

      Für verschwendete Lebenszeit kommen Sie aber erstaunlich oft zu diesem Artikel zurück... :)

  • Ähm, 'tschuldjung ... wird sowas jetzt das Merkel/Gabriel-Globuli?

  • Hauptsache, keine® antwortet auf eine Frage solange sie(er) noch kaut mit vollem Mund.

  • [Cäsar an den Iden des März]

    Auch Du, mein Sohn Brutus...

    [/Cäsar an den Iden des März]

     

    im Klartext: Jetzt hab ich die taz schon ein paar Jahre abonniert und bin sogar Mitgesellschafter, und muß nun (nach 30 langen, kürzlich mit nur mehr geringer Wehmut beendeten) Jahren Süddeutsche-Abo auch bei der taz endlich den unvermeidlichen Rutsch in den gleichgeschalteten Mainstream sehen? Linkenbashing mit im Wesentlichen inhaltsfreien Brotkrümelartikeln bekomme ich anderswo auch.

    Hallo taz!?!? Nicht auch Ihr, mein Lieblingsblatt.....

  • Was will uns Schulze sagen? Ich lese diesen Mist und verschenke kostbare Lebenszeit. Ärgerlicher Schachsinn!

  • Was will uns Schulze sagen? Ich lese diesen Mist und verschenke kostbare Lebenszeit. Ärgerlicher Schwachsinn

  • Es könnte sein, dass der Kommentar von Tobias Schulze einen Inhalt hat, aber mir bleibt er leider verborgen.

    Zwei Fraktionsvorsitzende, die beim Frühstück nicht das gleiche Brötchen essen, das geht natürlich ebenso wenig wie zwei Eheleute, die verschiedene Zahnbürsten benutzen.

  • "Noch nicht mal beim Frühstück kommen die Beiden auf einen gemeinsamen Nenner. Und jetzt wollen sie zusammen eine Fraktion führen?"

     

    Daß Zwei nicht dasselbe essen, gibt Rückschlüsse auf alles Andere? Davon abgesehen völlig inhaltslos, diese "Reportage" oder was auch immer das sein soll: Je einen Satz von Wagenknecht und Bartsch und der Rest neblig wabernde Gedankenschwaden eines Parlamentskorrespondenten, die ihn allem Anschein nach Morgens um Halbvier heimgesucht haben müssen.

     

    So langsam nimmt der Schmierenjournalismus bei der TAZ überhand. Ich würde mal anfangen, was dagegen zu tun.

  • Yo, liebe TAZler - Artikel wie dieser sind für mich der Grund, warum ich Eure Bezahlschranke lieber wegklicke als meinen Obulus abzudrücken. Null Informationen. Dafür viel Polemik. Was hättet Ihr nur gemacht, wenn die Wagenknecht sich ebenfalls ein Scheibchen Camembert auf die Schrippe gelegt hätte?!? Euch was anderes zum Rumätzen gesucht? Nee Leutz - so wird das nix. Echt jetzt.

  • ...in dem Artikel geht es wirklich nur um "Krümel"