Ortstermin Auftritt Lafontaines: "Oskar, Oskar!"
Bei dem ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Krebsoperation teilt Oskar Lafontaine heftig aus. Wie er sich seine politische Zukunft vorstellt, verrät er nicht.
Oskar Lafontaine (66) kommt durch die Hintertür, begleitet von vier Bodyguards. Zwischen den kleiderschrankgroßen Kerlen in ihren schwarzen Maßanzügen mit den ausgebeulten Jacken wirkt er merkwürdig klein, fast fragil. Seine Leibwächter schirmen ihn gleich gegen allzu aufdringliche Fans und Medienvertreter ab, denen Lafontaine an diesem Dienstagabend auf dem Neujahrsempfang der Linken Saar ohnehin noch selbst die Leviten lesen wird.
Oskar Lafontaine back on stage also. Der erste öffentliche Auftritt des Bundesvorsitzenden der Linken, der auch Bundes- und Landtagsabgeordneter ist und im Saarländischen Landtag zudem die Fraktion führt, nach seiner Krebsoperation mobilisiert knapp 1.000 Menschen. Und gekommen sind nicht nur Parteigänger der Linken. Das Vorstandsmitglied der SPD Saar, Eugen Roth (MdL), wird gesichtet; und auch einige Bürgermeister mit dem Parteibuch der SPD in der Hosentasche. Man kennt sich schließlich - schon lange.
"Oskar, Oskar!", skandiert das Auditorium, begleitet von rhythmischem Klatschen. Dann entert der Politpopstar Lafontaine mit einem - unerwartet gekonnt "mit links" dargebotenen - Stützsprung die Bühne und kommt gleich in Fahrt: Die "Reichenabgabe" müsse jetzt her, damit Land und Bund ihre Haushalte sanieren könnten, der Finanzsektor gehöre endlich reguliert und staatlich kontrolliert, hohe Mindestlöhne eingeführt. Nur so nämlich könne die Wirtschaft demokratisiert werden und eine Gesellschaftsordnung entstehen, "in der sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen". Demokratie eben.
Da war dann die erste "Rakete" fällig. Und die zweite nach der Feststellung des Altlinken, dass "Krieg kein Mittel der Politik" sein dürfe. Und dass jetzt auch die anderen Parteien dabei seien, sich - mit Blick auf die Lage in Afghanistan - diese Maxime der Linken zu eigen zu machen. "Rückzugsgefechte" nennt er das spöttisch. Und die seien ja schließlich auch auf anderen Politikfeldern zu konstatieren und Beleg dafür, dass die Linke auch in der Opposition durchaus in der Lage sei, die Konkurrenz weiter vor sich her zu treiben.
Für den aktuellen Streit innerhalb der Linken, der im angekündigten Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch gipfelte, machte Lafontaine dann vor allem die Medien verantwortlich. "Kampagnenjournalismus" nennt er den "untauglichen Versuch", die Linke in Reformer auf der einen - östlichen - Seite, und "Fundamentalisten und Chaoten" auf der anderen - westlichen - einteilen und damit spalten zu wollen.
Das aber sei alles "offenkundig falsch", so Lafontaine weiter. Denn in Hessen habe sich die Linke ja sogar auf die Tolerierung einer rot-grünen Koalition eingelassen. Gescheitert sei die Sache dann an der SPD. Und im Saarland seien es die Grünen gewesen, die mit ihrem überraschenden Schwenk zu Jamaika das Linksbündnis torpediert hätten. Die Wahrheit werde von den Medien aber "verdreht". Sein Rat an die Partei: "Lasst die Hunde bellen; die linke Karawane zieht weiter!" Da war dann die dritte "Rakete" fällig und Schluss.
Und wohin zieht Lafontaine? "Niemand ist unersetzlich", hatte er in seiner Rede angemerkt. Dass er darin die Landespolitik nur ganz kurz "streifte", sich aber ausführlich der Bundespolitik und der Bundespartei widmete, sei jetzt aber auch nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass sich Lafontaine der Wiederwahl zum Bundesparteichef stellen und dann sein Landtagsmandat zurückgeben werde, meinte ein Sprecher der Linken Saar zu entsprechenden Spekulationen. Alles hänge jetzt wohl vom Votum der Ärzte ab.
Fest steht jedenfalls, dass die Linke keinen "zweiten Oskar" in Reserve hat, der Parteimitglieder, Sympathisanten und potenzielle Wähler der Linken so begeistern kann wie das Original. Und dass ihn die Partei wohl dringend braucht, nicht nur im Westen. "De Oskar ist zwei Monate krank, und schon hauen sich die anderen in Berlin die Köpfe ein", klagte denn auch ein schon älterer Linker, der einmal in der DKP war, nach dem Auftritt von Lafontaine mit Tränen in den Augen. "Oskar, werd gesund und misch den Laden wieder auf!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren