Organisierte Kriminalität in Deutschland: Der Mafia den Geldhahn abdrehen
Deutschland gilt als Geldwäscheparadies, die Ampel will stärker gegen Organisierte Kriminalität vorgehen. Über Konzepte ist man sich nicht einig.
Auch von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Grünen kommen Vorschläge für den Kampf gegen Organisierte Kriminalität. Nur: Auf einer Linie liegt die Ampel hier bisher nicht.
Mit dem Bundesamt zur Finanzkriminalität will Lindner vor allem Geldwäsche besser eindämmen. Deutschland gilt hier als Paradies – der finanzielle Schaden durch Organisierte Kriminalität überstieg 2021 laut Bundeskriminalamt die Milliardengrenze. Kontrolle und Bekämpfung sind bisher indes in rund 300 Behörden zersplittert.
Lindner will dies nun zentralisieren und auch die bisher zuständige Financial Intelligence Unit und die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung in das Bundesamt integrieren. 1.700 Mitarbeitende sollen dort künftig arbeiten, sich auf große internationale Fälle fokussieren und verdächtige Finanzströme nach dem „Follow-the-Money“-Ansatz analysieren.
Razzien gegen die italienische Mafia
Ein weiterer Vorstoß kommt nun von den Grünen – und zielt auf die italienische Mafia. Diese sei „eine massive Bedrohung für unsere öffentliche Sicherheit sowie unsere politische und wirtschaftliche Integrität“, heißt es in einem Papier des Innenpolitikers Marcel Emmerich, das der taz vorliegt. Deutschland sei zu „einem sicheren Hafen für Mafia-Milliarden, Geldwäsche und Steuerhinterziehung geworden“. Die Brutalität der Mafia sei ein „immer noch unterschätztes Sicherheitsrisiko“.
Erst im Mai hatte es europaweite Razzien gegen die italienische Mafia gegeben, auch in Deutschland – die Operation Eureka war einer der größten Schläge gegen die Gruppe seit Jahren. Wenig später erfolgte die Festnahme des mutmaßlichen 'Ndrangheta-Kaders Francesco A. in Münster.
Die Grünen fordern nun den Aufbau einer Plattform zur Organisierten Kriminalität, angesiedelt beim BKA. Die Ermittlungen aller Behörden sollen dort koordiniert werden, auch international. Dazu brauche es eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Ermittler*innen, inklusive einfacherer Quereinstiegsmöglichkeiten, Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Ländern und eine unabhängige Beobachtungsstelle zu Organisierter Kriminalität als Pilotprojekt, an der sich auch Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft beteiligten. Darüber hinaus fordern die Grünen ein Barzahlungsverbot ab 10.000 Euro.
„Deutschland darf nicht länger Spielplatz der Organisierten Kriminalität sein“, sagte Emmerich der taz. Der Einfluss der 'Ndrangheta sei „enorm“, sie komme auf einen Umsatz von 50 Milliarden Euro – das Niveau eines deutschen Autokonzerns. Hier Ermittlungskompetenzen zentral zu bündeln, wie es Lindner mit seinem Bundesamt plane, sei gut, findet Emmerich. „Es kommt dabei aber auf die genaue Ausgestaltung an, eine gute Personalausstattung und darauf, Doppelstrukturen zu vermeiden.“ Wenn das Bundesamt mit dem BKA gemeinsame Ermittlungsgruppen bilde, könne das Synergieeffekte schaffen.
Faesers Ministerium gibt sich zurückhaltend. Lindners Bestrebungen, die Finanzkriminalität schlagkräftiger zu bekämpfen, begrüße man, erklärt ein Sprecher. Man stehe hier in fachlichem Austausch. Für das geplante Bundesamt stellten sich aber „noch einige, insbesondere strukturelle Fragen“.
Zum Grünen-Vorstoß verweist der Innenministeriumssprecher darauf, dass Faeser bereits im November ein Konzept gegen Organisierte Kriminalität vorlegte – inklusive der Idee einer Ermittlungsplattform und der Forderung nach Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Für Letzteres wirbt auch Justizminister Marco Buschmann (FDP). Diese könnten „einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leisten“, erklärt ein Sprecher. Entscheiden müssen darüber aber die Länder, in Berlin oder NRW etwa gibt es diese bereits.
Bei Faesers Konzept soll aber vor allem das BKA als Zentralstelle gestärkt werden. Zudem sollen undurchsichtige Vermögenswerte schneller eingezogen und das Strafmaß für Geldwäsche verschärft werden. Faeser tritt zudem, wie die Grünen, für eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro ein. „Sie verringert die Gefahr, die Herkunft großer Vermögenswerte zu verschleiern“, so ihr Sprecher.
Hier aber stellt sich Lindner quer. „Das Finanzministerium lehnt die Einführung einer Barzahlungsobergrenze ab“, erklärt sein Sprecher. Statt eines „Gießkannenprinzips“ gegen Geldwäsche müsse „zielgerichtet und punktuell“ dort reguliert werden, wo es nötig sei. So müssten etwa Edelmetallhändler inzwischen schon bei Barzahlungen ab 2.000 Euro, statt wie früher 10.000 Euro, mehr Nachweise einfordern und Kunden identifizieren. Und Bankkunden müssten bei sehr hohen Bareinzahlungen die Herkunft des Geldes „plausibilisieren“.
Faeser gründete „Allianz gegen Clankriminalität“
Faeser machte zuletzt noch einen anderen Vorstoß: Sie gründete eine „Allianz gegen Clankriminalität“ von Bund und Ländern, die Ermittlungen und Ausbildungen in dem Bereich stärker bündeln soll. „Wir dulden keine kriminellen Parallelgesellschaften“, erklärte Faeser.
Die unionsgeführten Länder warfen ihr PR ohne wirkliches Konzept vor, der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, wiederum warnte vor Stigmatisierungen. Auch der Grüne Emmerich sagte der taz, gegen kriminelle Clans müsse vorgegangen werden. Priorität aber habe die Mafia. Anders als die Clans, die „schrill“ seien und große Aufmerksamkeit bekämen, habe aber diese sich weitgehend unter dem Radar große Aktionsräume verschafft. „Wir müssen dort unsere Kräfte bündeln, wo der größte Schaden angerichtet wird.“
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