Opfer des Paragrafen 175 verstorben: Nie rehabilitiert
Wolfgang Lauinger saß wegen seiner Homosexualität monatelang in Haft – sowohl vor als auch nach 1945. Eine Entschädigung hat er nie erhalten.
Lauinger wurde bereits von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt. Zweimal nahm ihn die Gestapo 1941 fest und ließ ihn beim zweiten Mal erst nach sieben Monaten wieder gehen. Er tauchte 1942 unter und kehrte nach Kriegsende wieder in seine Heimatstadt Frankfurt am Main zurück. Doch auch in der Bundesrepublik hatte er keine Ruhe. 1950 wurde er nach einer Razzia erneut verhaftet und saß acht Monate lang in Haft. Anschließend wurde er freigesprochen.
Jahrelang hat sich Lauinger für ein Gesetz zur Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 eingesetzt. Im Juni hat der Bundestag das Entschädigungsgesetz endlich beschlossen. Das Bundesamt für Justiz lehnte allerdings Wolfgang Lauingers Antrag auf Entschädigung im Oktober ab – weil er damals nicht verurteilt, sondern freigesprochen wurde.
„Das setzt der Sache die Krönung auf“, sagte der 99-Jährige in einem Interview mit Buzzfeed Deutschland Anfang Dezember. „Wo ist denn das für einen normalen Menschen ein Unterschied, wenn du fünf Monate lang im Gefängnis sitzt, ob du nachher freigelassen wirst?“
Empfohlener externer Inhalt
Wolfgang Lauinger über sein Leben
Lauinger schrieb einen Brief an Justizminister Heiko Maas und fragte ihn, ob das gerecht sei. Maas antwortete gegenüber Buzzfeed, dass sich der neue Bundestag mit der Änderung des Gesetzes befassen müsse – und schob die Entschädigung für Lauinger damit weiter auf.
„Wie ist es möglich, dass ein Land, das so viel Unglück, so viel Zerstörung und so viel Wahnsinn erfahren hat, heute nach siebzig Jahren noch nicht in der Lage ist, sich restlos aus dieser Klammer zu befreien?“, fragte Lauinger zum Abschluss des Interviews.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus