: Operative Agenten mit Mordauftrag
Geheimdienst Die Agenten des türkischen MİT beschränken sich schon lange nicht mehr auf Aufklärung
Dass Agenten des türkischen Geheimdienstes MİT strafrechtlich verfolgt werden, ist eher ein Novum. Trotzdem zog die Bundesanwaltschaft bei Mehmet Fatih Sayan die Notbremse. Ein Spezialkommando nahm den 31-Jährigen kurz vor Weihnachten in Hamburg-St. Georg fest, wo er in einem Hinterzimmer eines Friseursalons sein Domizil aufgeschlagen hatte. Sayan lebte offiziell in Bremen und arbeitete drei Jahre für den kurdischen Fernsehsender Denge TV.
Hintergrund der Notbremse könnten konkrete Informationen darauf sein, dass der Spion in einem dreiköpfigen Team für das Erdoğan-Regime als Killer tätig werden sollte. Demnach hätten es die Häscher Erdoğans abgesehen auf Yüksel Koç, den in Bremen lebenden Ko-Vorsitzenden des Demokratischen Gesellschaftskongresses der KurdInnen in Europa (KCDK-E) und den in Brüssel lebenden Kurden-Funktionär Remzi Kartal.
Da diese Informationen den Behörden aber schon Wochen vor Sayans Verhaftung bekannt waren, gibt der überraschende Zugriff auch noch weiteren Spekulationen Nahrung: Sayan könnte auch noch auf andere Regimekritiker wie den Journalisten Adil Yiğit angesetzt gewesen sein, der nur wenige hundert Meter vom Friseurladen entfernt das Online-Nachrichtenportal Avrupa Postası betreibt. Den Halbglatzen-Träger hatte die Inhaberin des Friseursalons in mehreren mysteriösen Anrufen aufgefordert, zum Haareschneiden vorbeizukommen. Zuvor war Yiğit vom mutmaßlichen Hamburger MİT-Agenten Metin S. observiert worden.
Die Informationen über Mehmet Fatih Sayan basieren auf den Aussagen seiner Lebensgefährtin, die sich mittlerweile in einem Zeugenschutzprogramm befindet. Sie untermauerte die Informationen mit zahlreichen Dokumenten, die auch der Polizei übergeben wurden.
Vor dem Hintergrund des Putschversuchs in der Türkei vom Juli 2016 schätzten Experten, dass der MİT, der direkt dem Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan unterstellt ist, rund 6.000 Informanten in Deutschland unterhalte. Dem MIT gehe es längst nicht mehr um nachrichtendienstliche Aufklärung, sondern zunehmend um Repression, sagt der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Magda Schneider
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