Open-Source-Film zur Energiewende: „Ich hatte eine Schere im Kopf“
Der Fernsehjournalist Frank Farenski hat einen Film über die Energiewende gedreht – als Open-Source-Produktion. Das war teuer, aber für das Team ein Befreiungsschlag.
taz: Herr Farenski, wie sind Sie auf die Idee einer Open-Source-Produktion gekommen?
Frank Farenski: Ich habe ursprünglich eine Fernseh-Doku über die Energiewende für ZDF Info gemacht. Das Interesse an dieser Dokumentation war wahnsinnig hoch, sowohl die Einschaltquoten als auch die Zahl der Zuschriften von Zuschauern. Und die Aussagen der Zuschauer waren alle gleich: Das haben wir nicht gewusst. Da ist mir die Idee gekommen, einen Kinofilm über die Energiewende zu machen und ihn der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Thema und Idee der Finanzierung sind also parallel entstanden?
Ja, ich hab mir gedacht, ich probiere es einfach mal. Wichtig ist mir, dass der Film nicht nur für den symbolischen Preis von 1,68 Cent – das entspricht der Erhöhung der EEG-Umlage im nächsten Jahr – im Kino zu sehen ist, sondern auch im frei im Internet zugänglich. Die Nutzer dürfen ihn überall zeigen, sie dürfen ihn verändern, von mir aus neu einsprechen oder schneiden.
Sie finanzieren den Film über den Verkauf von Lizenzen, 2.500 Euro pro Stück.
Genau, man kann eine Lizenz erwerben und erhält dann neben dem geschnittenen Film auch das gesamte Rohmaterial. Wir nutzen also Crowdfunding, um letztlich das Produkt frei zur Verfügung stellen zu können.
46, ist freier Journalist und beschäftigt sich vor allem mit der Transformation von Wirtschaftsordnungen. Dazu gehört auch und gerade das Thema Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. Farenski hat Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft studiert und arbeitet für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender.
Der Open-Source-Film „Leben mit der Energiewende“ kann ab Mittwoch heruntergeladen werden. Auf der Website sind auch die Uhrzeiten der Vorstellungen am Premierentag zu finden.
Wie teuer war die Produktion?
Die Gesamtproduktion hat etwa 100.000 Euro gekostet. Die habe ich aber bei Weitem noch nicht wieder drin.
Sie haben also erst mal alles vorfinanziert.
Ja, ich und mein Kameramann. Und jetzt sind wir pleite. Aber es ist so: Ich hatte als freier Journalist einen Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr anders konnte. Ich habe schon viele Berichte über Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien gemacht und die werden immer vom Sender glattgebügelt.
Inwiefern?
Es darf über dem, was sowieso Konsens ist, keine Kritik geben. Ich darf zwar sagen: Die Energiewende ist schön. Ich darf aber nicht sagen, dass Regierung und konventionelle Energieindustrie Propaganda machen, was zum Beispiel die Kosten angeht. Und das konnte ich nicht mehr ertragen. Wir, mein Kameramann und ich, fühlen uns wie Zootiere, die ausgebrochen sind und nun endlich mal da lang rennen können, wo wir wollen. Ich mache diesen Beruf seit 1988 und jetzt bin ich zum ersten Mal wirklich freier Journalist.
Empfohlener externer Inhalt
Liegt es wirklich an den Sendern?
Ja und es beginnt noch vorher: Ich habe bei der jetzigen Produktion und auch beim Schnitt und beim Texten gemerkt, wie sehr ich vorher die Schere im Kopf hatte, für den Sender. In dem Film sind Sätze drin, die sind völlig in Ordnung, die sind wahr, die sind beweisbar, aber die könnte ich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht senden.
Zum Beispiel?
Ich dürfte zum Beispiel nicht sagen, dass die Öffentlichkeit falsche Fakten präsentiert bekommt. Dass gelogen wird, Propaganda gemacht. In dem Film kritisiere ich die FAZ, die regelmäßig im Kampagnenstil gegen die Energiewende anschreibt. Das benenne ich einfach mal und das wäre im Fernsehen vollkommen undenkbar. Ich weiß gar nicht, wie ich wieder in meinen alten Beruf zurück soll, wenn da jemand in der Redaktion sitzt und mir sagt, was geht und was nicht.
Naja, der Film ist alles andere als neutral.
Mein Film ist ein Plädoyer für die Erneuerbaren. Auch wenn natürlich die Gegenpositionen zu Wort kommen – mein Film ist nicht ausgewogen. Aber alles, was ist sage, stimmt. Es ist nichts falsch und nichts weggelassen. Der Film wird wahrscheinlich niemals im Fernsehen laufen, weil kein Sender so einen Stoff in die Hand nehmen würde.
Die Zuschauer dürfen das Material selbst weiterverwenden. Was glauben Sie, was die daraus machen?
Ich hoffe natürlich, dass sie es zumindest weitergeben, damit sich die Informationen und die Argumentation verbreiten. Darüber hinaus gibt es unheimlich viele Akteure im Bereich der erneuerbaren Energien, Bürgermeister, Initiativen. Da gibt es bestimmt jemanden, der sich hinsetzt oder daran nochmal was macht. Was? Das müssen wir abwarten.
Während Open-Source bei Software geläufig ist, ist es im Filmbereich eher eine Nische. Warum?
Das sind auf der einen Seite natürlich die Kosten. Auch wenn wir schon wirklich Low-Budget finanziert haben, weiß ich nicht, ob ich die Kosten irgendwann rein bekomme. Auf der anderen Seite gibt es überhaupt keinen Markt für Dokumentarfilme in Deutschland.
Das wäre doch eher ein Argument für alternative Finanzierungswege.
Ich glaube, das entsteht gerade. Das große Vorbild ist natürlich Iron Sky, der zum Teil durch Crowdfunding finanziert wurde. Das zeigt: Es ist möglich, so etwas auf die Beine zu stellen.
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