Onlineangebot der „FAZ“ für Juristen: Viel Text für unbekannte Leser
Mit „Einspruch“ hat die „FAZ“ jetzt ein digitales Angebot für juristisch Interessierte gestartet – als Pilotprojekt für andere Berufe.
Lesen fast alle Juristen die FAZ? Oder sind fast alle FAZ-Leser Juristen? Es gibt da manche Vorurteile, die der FAZ-Verlag aber nicht bestätigt. Jedenfalls produziert die FAZ jetzt eine tägliche Ausgabe für Juristen und Rechts-Interessierte. Wenn das Erfolg hat, sollen spezielle Angebote für anderen Berufsgruppen folgen.
„Einspruch“ heißt das neue Produkt. Es ist keine Zeitung, sondern ein rein digitales Medium, das seit Ende November jeden Abend (außer samstags) um 20 Uhr erscheint. Es enthält alle juristisch relevanten Texte aus der FAZ des kommenden Tages. Im Schnitt sind das immerhin 17 Artikel aus allen Ressorts. Zusätzlich gibt es einmal pro Woche – am Mittwoch – das „Einspruch“-Magazin mit acht exklusiven Texten. Dort schreiben ebenfalls überwiegend FAZ-Redakteure, aber auch Gastautoren wie der konservative Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof.
Das Layout ist elegant, die Texte sind fundiert, die inhaltliche Ausrichtung ist FAZ-adäquat. Im jüngsten „Einspruch“-Magazin begründet zum Beispiel Rechtsprofessor Volker Rieble, warum Bürgerwehren rechtlich zulässig sind. Und FAZ-Redakteurin Corinna Budras warnt die kommende Bundesregierung vor den verfassungsrechtlichen Problemen einer Bürgerversicherung, mit der die Regierung sicher überfordert wäre.
Ein Einspruch-Abo kostet 19,90 Euro pro Monat, für FAZ-Abonennenten 9,90 Euro. „Einspruch verkauft sich schon nach einer Woche ausnehmend gut“, sagt Reinhard Müller, der verantwortliche Redakteur des Projekts. Er nennt zwar keine Zahlen, Doch die Menge der Abogesuche scheint die Kapazitäten des Verlags zu überfordern. Bis zum Online-Vertragsschluss dauerte es mehr als 40 Stunden.
Einerseits will der Verlag mit der Juristen-FAZ neue Leserschichten erschließen. „Wer ‚Einspruch‘ gut findet, abonniert später vielleicht auch die FAZ oder das Digitalangebot Faz-Plus“, hofft Müller. Gerade bei Studenten sei das Interesse groß. Sie bekommen Einspruch für nur 4,90 Euro pro Monat.
Wer soll das alles lesen?
Aber auch bei den Lesern der FAZ hofft man auf viele Zusatz-Abos. Dass Juristen dann das FAZ-Abo kündigen und nur noch Einspruch lesen, sei nicht wahrscheinlich. „Juristen sind in der Regel breit interessiert“, sagt der Jurist Müller, „und wollen nicht nur über Rechtsfragen lesen.“ Außerdem sei die digitale Bündelung der juristischen Inhalte nützlich und das Einspruch-Magazin ein echter Mehrwert.
Im Magazin finden sich vor allem superlange Texte mit im Schnitt 9.000 Zeichen, was einer taz-Seite entspricht. Wer aber soll das alles lesen, an einem Mittwoch, zusätzlich zu den 17 regulären rechtsrelevanten Texten aus der aktuellen Print-FAZ? Der Mehrwert könnte verpuffen. Es ist deshalb zu erwarten, dass Autoren statt für das Einspruch-Magazin lieber für die reguläre FAZ schreiben wollen, denn dort haben sie zusätzlich zu den paar hundert Einspruch-Abonnenten auch die Chance auf immer noch rund 240.000 FAZ-Leser.
Für FAZ-Geschäftsführer Thomas Lindner ist die Juristen-FAZ Teil einer Strategie: „Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, mehr Varianten unserer Inhalte auszuspielen und zu personalisieren.“ Die FAZ will auch mit digitalen Produkten Gewinne erzielen. Für Einspruch wurden sogar zwei zusätzliche Redakteure eingestellt.
Was aber könnte auf die Juristen-FAZ folgen? Eine FAZ für Börsenmakler? Für Ärzte? Eine Theologen-FAZ? Reinhard Müller kennt Pläne, aber schweigt.
Ungewöhnlich ist der Name der Juristen-FAZ: Einspruch würde eher zum Rechtsmagazin einer randständigen Minderheit passen. Viele Richter erinnern sich noch empört an das Buch „Einspruch“ von Norbert Blüm. Untertitel: „Wider die Willkür an deutschen Gerichten“, Aber vielleicht sieht sich die konservative FAZ sogar bei den Juristen nicht mehr im maßgeblichen Mainstream.
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