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Online-Musikbörse "ReDigi"Downloads in der Ramschkiste

Wohin mit totgehörten Musik-Downloads? In den USA kann man sie jetzt auf "ReDigi" weiterverkaufen. Die Industrie ist erzürnt über den neuen Angriff der Filesharing-Apologeten.

Besser zu fassen: Tonträger auf einem Flohmarkt der Offline-Welt. Bild: imago / Steinach

Amerika, Du hast es besser. Zumindest wenn es um die Wiederverwertbarkeit von Datenmüll geht. Denn dort können Musikkonsumenten über die Webseite "ReDigi" jene Downloads, derer sie überdrüssig geworden sind, weiterverkaufen. Fragt sich nur, wie lange noch: Die Recording Industry Association of America (RIAA), der Interessenverband der Musikindustrie, hat dem virtuellen Flohmarkt nun eine Unterlassungsaufforderung zustellen lassen und auch gleich Schadensersatz gefordert.

Kein Wunder. Schließlich ähnelt das von Boston aus auf den Weg gebrachte "ReDigi" auf den ersten Blick all jenen Internet-Tauschbörsen, die die Musikindustrie als Totengräber ihres Kerngeschäfts identifiziert hat. Die Betreiber der neuen Website, die seit 11.Oktober in einer Beta-Testversion verfügbar ist, sehen das natürlich anders. Sie werben mit dem Slogan "The Legal Alternative" und berufen sich auf die "First Sale Doctrine" des US-amerikanischen Rechts, nach der man ein urheberrechtlich geschütztes Produkt gebraucht weiterverkaufen darf.

Das Gesetz war natürlich ursprünglich gedacht für Bücher oder physische Datenträger. "ReDigi" steht aber auf dem Standpunkt, das man keine Kopien weiterverkauft, sondern ein digitaler, legal erworbener Download ein einzelnes Artefakt ist – und stellt seinen Mitgliedern eine Software zur Verfügung, die garantieren soll, dass alle Kopien eines Songs auf dem Rechner und synchronisierten Geräten wie dem Smartphone gelöscht werden, wenn der Song zum Weiterverkauf angeboten wird.

Dreimal Cristina Aguilera

Trotz der rechtlichen Grauzone geht es auf "ReDigi" schon zu wie in der CD-Kiste auf dem Flohmarkt. Der wirklich gute Stoff ist rar, aber im Fach von Cristina Aguilera findet sich aktuell drei Mal ihr letztes Album "Bionic". Würde man nun zuschlagen, verschwände ein Album aus dem Fach. Denn jeder Download wird nur einmal weiter verkauft, denn nach "ReDigi"-Lesart erwirbt man ein Original und keine Kopie. Anders als auf dem Flohmarkt allerdings werden die Aguilera-Songs einzeln verkauft, in diesem Fall für jeweils 87 US-Cents. Davon erhält der Verkäufer 12 Cent, für das reine Hochladen des Stücke hat er bereits 20 Cent bekommen. Dieses Geld, noch ein Unterschied zum echten Flohmarkt, wird allerdings nicht ausgezahlt: Der Käufer kann von seinem Konto wieder nur "gebrauchte" Downloads erwerben.

Solche Einschränkungen machen "ReDigi" ebenso unattraktiv für den Konsumenten wie das notgedrungen noch sehr limitierte Angebot. Angeblich sollen zwar 11 Millionen Songs zur Verfügung stehen, aber Stichproben ergaben große Lücken im Sortiment. So könnte "ReDigi" ein ähnliches Schicksal bevorstehen wie "bopaboo". Die 2008 gestartete Site, auf der ebenfalls Downloads zum Weiterverkauf angeboten werden konnten, verschwand nach nur wenigen Monaten wieder sang- und klanglos aus dem Netz.

"ReDigi" allerdings hat vorerst vor allem mit juristischen Problemen zu kämpfen. Deren Geschäftsmodell "stellt eine absichtliche Urheberrechtsverletzung dar", schreibt die RIAA. Larry Rudolph von "ReDigi", ein Absolvent des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), ließ wissen, dass hinter dem Internetportal auch "viele Juristen stehen, die dafür sorgen, dass ReDigi funktioniert".

"Wir sind Computer-Nerds"

In dem veröffentlichten Statement findet sich aber auch die wahre Motivation hinter dem Dienst: "Wir sind eine Gruppe von Computer-Nerds", so Rudolph, "die, wenn uns jemand sagt, etwas kann nicht getan werden, sofort nach Wegen suchen, wie es getan werden kann."

"ReDigi" ist vor allem also eine neues Schlacht in einem schon Jahre währenden Krieg. Auf der einen Seite die Apologeten des uneingeschränkten Datenverkehrs, die versuchen eine längst gängige Praxis endlich zu legalisieren. Auf der anderen Seite eine Musikindustrie, die verzweifelt versucht an ihrem klassischen Geschäftsmodell festzuhalten.

Dort allerdings löst "ReDigi" noch keine Albträume aus. Erst recht nicht in Deutschland, wo der Dienst offiziell noch gar nicht verfügbar ist. Florian Drücke, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, sieht auf taz-Nachfrage "keine rechtliche Grundlage, ein ähnliches Geschäftsmodell derzeit legal in Deutschland zu betreiben".

Auch hierzulande ist die Meinung der Musikindustrie, dass "der Vergleich zum Gebrauchthandel mit der CD hinkt, da man sich gerade nicht eines physischen Produkts entäußert". Deutsche Gerichte hätten "mehrfach bestätigt, dass der Erwerb einer Datei rechtlich anders zu bewerten ist und der Erschöpfungsgrundsatz, der beim Weiterverkauf einer CD Anwendung findet – auch aufgrund der Bestimmungen des europäischen Rechts – nicht übertragbar ist".

Mehr Angst vor "Spotify"

Kein Panik also bislang. Tatsächlich hatten die von der taz angesprochenen Indie-Labels City Slang, Staatsakt und Grand Hotel van Cleef noch nicht einmal von der Existenz des neuen Dienstes erfahren. Die Reaktion war allerdings überall gleich: Die Erklärung "Eine Website, auf der man seine gebrauchten Downloads verkaufen kann" sorgte allgemein für eine fatalistische Heiterkeit.

Sehr viel konkretere Sorgen macht man sich bei den deutschen Labels an einer anderen Front: Sollte "Spotify" demnächst hierzulande legal verfügbar sein, werden weitere Umsatzeinbußen befürchtet. Das aus Schweden stammende Portal spürt Songs im Internet auf und streamt sie in Echtzeit. "Spotify" ist ein entscheidender Schritt in die digitale Zukunft, hin zur oft beschworenen "Cloud", in der dann alle denkbaren Inhalte ständig verfügbar sein werden. Im Vergleich dazu wirkt „ReDigi“ wie ein Auslaufmodell.

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6 Kommentare

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  • P
    Paint.Black

    @hotzenplotz

     

    stimme völlig zu!

     

    Entweder ich kaufe etwas - es gehört mir - und dann kann ich es bedarfsweise auch wieder verkaufen (wie sollte ich sonst auch z.B. meine Mißbilligung gegenüber Bands oder Autoren zum Ausdruck bringen: offentliche datenformatierung?)

    oder auch verschenken. Oder auch Rückgaberecht bei Nicht-Gefallen! Wieso ist es mein - Endverbraucher- Problem das es den Anbietern zu aufwenig ist, dann zu prüfen, ob es "bei mir auch wirlich verschwunden ist"? - und wie auch ramsch-kiste bereits sehr richtig formulierte, kann das bei anderen Formaten auch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden.

    Gibt es eigentlich keine Verbraucherrechte mehr, oder was ist hier überall eigentlich los?

     

    Leute: Machen wir einfach alle Musik selbst und schenken sie uns gegenseitig. Das wäre doch die einzig richtige Antwort auf diese Willkür!

  • C
    Contentschnecke

    Contentmafia halt die Klappe !

  • RK
    ramsch- kiste

    @murks: Der Rechnungszweck bestimmt die Rechnungsart. Also definier erst mal, was den legalen Besitz ausmacht. Dann definiert sich meist von selber, wie der Verkauf abzulaufen hat. Bei Autos beispielsweise durch übergabe von KFZ-Schein und Fahrzeugbrief.

    Du kannst auch Windows legal weiterverkaufen und (danach illegal) auf deinem Laptop weiter betreiben.

    Es geht bei der Löschung also eher um Convenience und das man in seinen üblichen Mediaplayer-Ablage-Orten keine Kopien behält.

    Wenn man den Gebrauchtverkauf von Digital-Gütern verbietet, weil man im Auto noch eine CD mit den Songs oder Ebooks halten könnte, müsste man den Gebrauchtverkauf von Büchern, zeitschriften und Comics verbieten, weil man die ja mit dem Handy oder Scanner oder Fotokopierer kopiert haben könnte. oder den Gebrauchtverkauf von Kunstwerken verbieten weil man sie im 3D-Drucker nachgebaut haben könnte in einer Größe die besser in die Eingangshalle oder die Sammler-Vitrine oder den Vorgarten passt.

    Nur weil jemand die KFZbriefe und Fahrzeugscheine kopieren und sich identische Autos vom Schrottplatz holen und weiterverkaufen oder für sich benutzen kann, wird Gebrauchtautoverkauf ja auch nicht verboten.

  • M
    Murks

    Wie soll denn diese Software funktionieren, die "garantieren" soll, dass die Datei gelöscht wird. Dann speichere ich sie eben auf meiner externen Festplatte, die nicht irgendwie synchronisiert ist o.ä.. Und dann kann ich mir wieder Songs runterladen, von dem Geld für den "Verkauf", aber ausgezahlt wird es nicht. Das ist die unlogischste, dümmste Idee seit Langem, und legal kann das eigentlich nicht sein.

  • H
    hotzenplotz

    Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Lobby, die mit Schwachsinnswortschöpfungen wie "Raubkopie" Terror verbreiten will, jetzt gegen ihre eigenen Hirngespinste kämpft. Schließlich impliziert ja der Begriff Raub die gewaltsame Wegnahme eines Gegenstands. D.h. eine Person hat ein Ding, und danach hat eine andere Person das Ding - die Ursprungsperson aber nicht. Das ist bei klassischem Filesharing logischerweise nicht der Fall.

    Jetzt bauen Leute ein System auf, das so funktioniert (was auch immer man davon halten soll), aber jetzt ist das den Herrschaften auch nicht mehr recht...

     

    ceterum censeo:

    "Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsch lecken."

  • RK
    ramsch kiste

    Die Grünen haben unter Trittin-Schröder Rot-Grün die Ebook-Preisbindung eingeführt...

    Man hätte besser mal zentrale Lizenzserver aufsetzen können. Alle TV-Serien seit 1999 könnten dann darüber lizensiert werden und wir dürften Hulu, Netflix, Sky-IPad usw. auch hier kriegen und nicht nur den BBC-Player :-((

     

    Auch der Weiterverkauf und Besitz virtueller Güter hätte man man klar definieren können. Wenn man nicht ständig hinterherregiert. Jeder Bauer der so wirtschaftet, erntet nichts und erfriert im Winter. Jeder Igel und Eichhörnchen und Haustier (Winterfell, Winterspeck) ist schlauer.

     

    Interessant aber von piraten und digiges nicht interessiert wäre ein "Folgerecht": Jeder Betreiber MUSS einen funktionierenden Gebrauchtmarkt anbieten. 10% gehen als Folgerechtprovision an den Betreiber für die Umschreibung wie beim Grundbuchamt. Damit sind alle Kosten abgedeckt!

    Dann könnte man auch Windows-Lizenzen oder SAP-lizenzen weiterverkaufen. Fragt doch mal Insolvenzverwalter nach Softwarelizenzen neupreis vs. weiterverkaufbarkeit oder lest die ct-FAQs dazu. Der ewige Besitz sollte klar sein. Darüber ergibt sich, das millionen Windows-2000-Lizenzen auf dem Müllplatz verrotten und man somit Windows2000 zum freien Gut erklären könnte, weil ja genug verwaiste Lizenzen existieren. M$ könnte dann also Windows2000 als Werbefinanzierte Online-Cloud-Version anbieten. Und wieso ich für Windows8 den vollen Neupreis zahlen soll, wenn ich heute Windows7 kaufe, finde ich auch nicht gut. Das verzögert neukäufe wie auch immer wenn das neue VW-Golf-Modell herauskommt.

    Sowas interessiert Piraten, digiges usw aber leider nicht :-(

    Die Musikindustrie und Radiostationen sind zillionenfach weiter in der automatischen Abrechnung der gespielten Songs. Auch die Buchhandlungen waren 1970 besser durch ISBN-Einführung. Ebenso Walmart mit den EANs. Schon arm, wie Fortschritt verhindert wird.

    Wenn man ein Auto nicht weiterverkaufen darf, kaufen es viel weniger oder gar nicht mehr. Auto- und Pferdehändler sind also anständiger.

    Sinnvolle diskussionen dazu kenne ich nirgendwo. Alles wird auf Foren diffundiert damit sich nichts tut. Die hunderten Verarmten Hartz4-Musiker die vielleicht sogar Menschen die Arbeit "wegnehmen" obwohl sie mal hunderttausende Euros hatten ("bei münchner freiheit verdiente ich 1 Million DMark pro Jahr") kennen wir zu Genüge aus den Promi-Shows.