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Online-Konzerne im WettbewerbFacebook die Daten wegnehmen?

Das Online-Netzwerk will jetzt mit noch mehr Wissen noch mehr werben. Bestseller-Autor Evgeny Morozov hätte einen Gegenvorschlag.

Facebook wird in diesen Tagen wieder ganz genau beobachtet – auch vom Justizministerium. Bild: dpa

Ab diesem Freitag gelten für Kunden des Unternehmens Facebook neue Nutzungsbedingungen. Facebook wird Werbung stärker personalisieren und es wird dafür mehr Daten als bisher verwenden. Wer auf Facebook mitteilt, wo er gerade ist, wird beispielsweise Anzeigen für Restaurants in der Nähe zu sehen bekommen.

Gleichzeitig soll es für Facebook-Kunden einfacher werden, nachzuvollziehen, wer die Beiträge, die sie in dem Netzwerk veröffentlichen, sehen kann. Es ist wie immer, wenn Facebook seine Daten noch etwas intensiver nutzt: Alle Welt diskutiert. Auf Facebook selbst wird man vorher kaum informiert, jedenfalls nicht von Facebook.

Ende Dezember schrieb der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Ulrich Kelber in der Sache schon einmal an die Facebook Ireland Ltd., den Europa-Sitz des Unternehmens, und an die Facebook Germany GmbH, Pariser Platz 4a. „Der Kern des Problems besteht darin“, beklagte Kelber, „dass immer noch nicht ausreichend in der Datenrichtlinie dargestellt wird, welche Daten bei welchem Vorgang zu welchen Zwecken erhoben werden und wie diese Daten verarbeitet, genutzt und ausgewertet und an Dritte übertragen werden.“

Jeden immer überall bewerben

taz.am wochenende

Warum sollte jemand Daten besitzen? „Luft gehört auch keinem“, sagt Evgeny Morozov. Oft wird er als Internetkritiker bezeichnet. Dabei will er dir Schreibmaschine gar nicht zurück. Das Titelgespräch über Google, Weißrussland und den Humor der Zukunft lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. Januar/1. Februar 2015. Und: Finnland schafft die Schreibschrift ab, damit Schüler mehr Zeit zum Tippen haben. Auch Deutschland ist ein Blockbuchstabenland geworden. Ist die Schreibschrift überflüssig? Mit Gastbeiträgen von Martin Walser und Katharina Nocun - verfasst mit Kugelschreiber. Außerdem: Warum man Sauerteig auch mal mit ins Kino nehmen sollte. Von einem Bäcker und seiner Beziehung zum Brot. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Weder sei klar, ob Facebook spezielle Werbeprofile für einzelne Kunden erstelle, noch welche Rolle die Werbeplattform Atlas spiele. Facebook hatte die Werbefirma Atlas übernommen. Die nennt sich nun „Atlas by Facebook“ und verspricht „people based“-Marketing. Was konkret bedeutet, dass Atlas mit Hilfe der Facebook-Profile jede Nutzerin überall erkennen will - egal auf welchem Gerät, mit welchem System sie gerade Webseiten besucht.

Am Mittwoch diskutierten Datenschützer, Facebook-Vertreter und Abgeordnete im Rechtsausschuss des Bundestages über die neuen Nutzungsbedingungen, die Facebook eigentlich schon einen Monat zuvor hatte einführen wollen. Auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, zuständig für Facebook, war dabei. Er hat dem Unternehmen wieder einmal Fragen gestellt und wartet auf Klärung. Seine größten Bedenken: Dass Facebook mit den Daten von Whatsapp-Nutzern und Instagram-Mitgliedern komplexe Profile erstellt, die „immense statistische Möglichkeiten“ mit sich brächten.

Facebook bestreitet, dass es das überhaupt vorhat. „Dann sollen sie es doch reinschreiben“, sagt Johannes Caspar. In den neuen Nutzungsbedingungen wird die Kombination der Daten aus all den Diensten, die Facebook gekauft hat, aber nicht ausgeschlossen.

Zustimmungsbutton fehlt bisher

Der Verbraucherschutz-Staatssekretär Kelber schlägt für die neuen Nutzungsbedingungen einen Zustimmungsbutton vor, mit dem Facebook-Kunden signalisieren könnten, dass sie die Änderungen tatsächlich zur Kenntnis genommen haben und mit ihnen einverstanden sind. Nach deutschem Recht müsste das Unternehmen diese Zustimmung eigentlich einholen – tut es aber nicht.

Neue Facebook-Regeln

Das kann man selbst tun:

Profil-Einstellungen ändern, damit nicht jeder alles sehen kann

Der Facebook-App auf dem Smartphone den Zugriff aufs GPS-Modul verbieten

Unternehmen das Sammeln von Nutzungsdaten für personalisierte Werbung untersagen

Evgeny Morozov will gar nicht allzu viel über dieses Kleingedruckte reden. Im Gespräch mit der taz.am wochenende formuliert er das Problem grundsätzlicher: „Derzeit gehen wir von der Annahme aus, dass Daten der jeweiligen Firma gehören, mit deren Ressourcen sie hergestellt worden sind. Suchen gehört Google. Soziale Kontakte gehören Facebook. Die Information darüber, wohin mich mein Fahrer fährt, gehört dem Taxi-Dienst Uber.“ Das sei das Paradigma des Silicon Valley, stellt Morozov fest, der mit seinen Büchern „The Net Delusion“ und „To Save Everything, click here“ für Aufsehen gesorgt hat.

Niemand soll Daten besitzen

Gerade, sagt Morozov, entstehe noch ein anderes Paradigma, das besagt: Die Daten gehören den Bürgern. Und die könnten mit ihren Daten handeln, Geld verdienen. „Vielleicht ist das so ein neuer Ansatz, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Man verkauft seine Daten, damit man dafür Geld bekommt. Ich glaube, beide Ideen führen in eine demokratische und politische Sackgasse.“

Morozov schlägt eine Alternative vor: „Niemand sollte Daten besitzen. Luft gehört auch keinem. Bürger sollen mit ihren Daten etwas tun dürfen. Sie haben also eine digitale Identität, die extrem gut verschlüsselt ist und sicher. Der Staat gewährleistet den Zugang, auch Unternehmen dürfen die Daten nutzen. Vielleicht gegen eine Gebühr.“

Während bei Facebook über Werbedaten diskutiert wird und Politiker wie Kartellrechtler für Google das große Wort von der Zerschlagung diskutieren, wird ein weiteres Unternehmen zum neuen Feindbild von Datenschützern und Politikern. Zwar hat der Chef des Fahrdienstes Uber gerade erst bei einem Auftritt in München versprochen, 50.000 Arbeitsplätze in Europa zu schaffen. Arbeitsministerin . Sie sichere ihre Mitarbeiter nicht ausreichend sozial ab. „Wir sollten den digitalen Wandel nicht den Ubers dieser Welt überlassen. Jeder ist Konsument und kann die neue Welt mit seinen Klicks gestalten“, sagte die Sozialdemokratin der Wirtschaftswoche.

Peter Schaar verlässt Facebook aus Protest

Der Konsument und ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar wählte die einzig wirksame Ablehnung der neuen Facebook-Bestimmungen und verkündete am Freitagmorgen, er werde sich abmelden. "They don‘t care about German an European law", schrieb er. Das Unternehmen schere sich weder um deutsches noch um europäisches Recht.

Facebook beharrt weiter auf seiner Rechtsauffassung, dass es sich allein den irischen Datenschutzbestimmungen beugen müsse. Deutsche Datenschützer wie der Hamburger Johannes Caspar widersprechen dieser Auffassung seit Jahren. Anfang April wird ein Wiener Gericht klären, ob es für die jüngste Klage der Aktivisten um den Österreicher Max Schrems zuständig ist.

Man wolle sich an die Gesetze halten, „die hier gelten“, //:hatte dagegen der Uber-Chef Travis Kalanick immerhin in der FAZ behauptet. „Und längerfristig hoffen, dass die Gesetze so modernisiert werden, dass wir weiter wachsen können.“

Ubers Wert wird mittlerweile mit 40 Milliarden Dollar angegeben. „Was besitzen die? Nichts“, sagt Evgeny Morozov in der taz.am wochenende vom 31. Januar/1. Februar. „Keine Fahrer, keine Autos. Nur einen Algorithmus und einen Haufen Daten. Wenn Google Uber kaufen würde, hätten beide Unternehmen noch mehr Daten. Ich möchte aber nicht, dass Google diese Macht hat.“ Würden diese Daten in einer allgemein zugänglichen Datenbank gelagert, wäre das Problem gelöst, glaubt Morozov. „Sie müssten so verschlüsselt werden, dass sie nicht zu manipulieren sind. Das ist die entscheidende Hürde.“

Hat Morozov recht? Müssten Online-Konzerne enteignet werden und ihre Daten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, damit echter Wettbewerb wieder möglich wird?

Diskutieren Sie mit!

Das Titelgespräch „Nicht das Internet ist schuld, der Kapitalismus“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. Januar/1. Februar 2015.

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11 Kommentare

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  • Keine Panik!

    1. das gesamte Netz ist eine Nebenabteiliung der Geheimdienste und alles ist auch irgendwie verseucht mit SpionageMist. Egal was Du tust, irgendwer spioniert Dich aus.

    Gegen diesen Werbeterror einfach Ad Block einschalten und nix da mit 'personalisierter Werbung' ... Ausserdem surfe ich mittlerweile auf verschiedenen Browsern ...

    uns letztlich lebe ich in Indien und die ganze Werbescheisse ist absurd für mich

  • Cristina Plett , , freie Autorin

    @Buhr

    Ich muss ihnen zustimmen, ich hääte selber keine Ahnung was ich mit meinen Daten "machen" kann. Die Daten sind schließlich sowas wie Restmüll meiner Identität. Was soll man da schon groß verkaufen?

    Aber genau so sehen die Internetfirmen es anscheinend nicht..

  • @Index:

    "ohne gigantomanische, impertinente digitale Kleptokraten begnügen..."

     

    Ich mag zwar keine Tier-Metaphern, da diese mit Zuschreibung (meist negativer) menschlicher Eigenschaften den Tieren unrecht tun, aber meinen Sie vllt. "Kleptokraken" ?

  • "Facebook beharrt weiter auf seiner Rechtsauffassung, dass es sich allein den irischen Datenschutzbestimmungen beugen müsse." Recht nutzen, um Rechte zu umgehen. Interessant.

  • "Luft gehört auch keinem."

     

    Da die Politik in Deutschland aber "Mutti" gehört ...

     

    ... und die sich - wie wir seit unerträglich langer Zeit feststellen müssen - einen feuchten Kehricht um Datenschutz und die entsprechenden Grundrechte schert ...

     

    ... müssen wir braven Kinderlein uns halt weiter mit naiven Träumen von einer Welt ohne gigantomanische, impertinente digitale Kleptokraten begnügen.

     

    WAS ABER diesen niederträchtigen Diensten das Genick bricht ist so einfach wie effektiv:

     

    Bestehende KONTEN KÜNDIGEN und totaler BOYKOTT!

     

    Ohne lebt es sich zudem besser.

  • Ich bin entschieden gegen die Befreiung aller Daten.

    Es muss immer einen Unterschied geben zwischen öffentlich zugänglichen Daten und privaten Daten, wobei ich jeder Firma und dem Staat genauso wie jedem Privatmenschen zugestehe, dass es Daten gibt, die er nicht veröffentlicht sehen möchte.

    Ich gehe davon aus, dass Daten, die über eine Person oder eine Firma erhoben werden, zunächst auch die natürlichen Besitzer dieser Daten sind. Dies galt ja schon bei Fotographien, mit den gesetzlichen Regelungen zum Recht am Bild. Die für Fotographien geltenden Regeln halte ich für gut und auch auf digitale Daten übertragbar.

    Bei der kommerziellen Verwertung meiner Daten hätte ich gerne eine Vergütung. Automatisch und ohne Antrag. Meine Daten werden ja auch meist automatisch und ohne mich zu fragen erhoben.

    Das wird aber natürlich nicht kommen. Die Verwerter haben viel zu gute Lobbyisten, die Bevölkerung gar keine.

  • "Luft gehört auch keinem."

    So was bitte nicht zu laut sagen. Sonst könnte der Rolli-Fahrer noch auf die Idee kommen, daß man für die Finanzierung der Umweltzonen eine Atmungssteuer erheben könnte.

    Aber zu den Daten: Wir produzieren sie, ohne uns Gedanken darüber zu machen.

    Mittlerweile wissen ALLE, daß diese Daten von irgendjemanden für irgendwas benutzt werden. Und es gibt Mittel dagegen. Die meisten davon schränken den Lebenskomfort noch nicht einmal ein.

    Auf der anderen Seite muß ich Morozov aber widersprechen: Die Nutzer wissen nicht mit welcher Art von Daten man was machen kann. Was davon soll man demzufolge als sein Eigentum betrachten? Was davon kann man "verkaufen"?

    Und ein noch andere Seite des Würfels: Beschwert sich irgendjemand, der auf FB sein Mittagessen per Bild und Prosa postet, daß er Werbung auf sein Handy bekommt, die ein Restaurant 100m weiter links preist? Wundert er sich wirklich?

    Wenn jemand mit Uber von A nach B fährt obwohl es den ÖPNV, Taxen usw. gibt, wundert er sich wirklich, daß zumindest die Positionsdaten für Werbung am aktuellen Standort benutzt werden? (Womit soll Uber sonst Geld verdienen?)

    Dann ist diese sich wundernde Person doof.

    • @Hendrik Buhr:

      Das mit der personalisierten Werbung habe ich noch nie verstanden. Man weiß doch selbst, was man wann will, oder nicht? Dann kann man gezielt danach suchen. Es sei denn natürlich, man ist ein Zombie. Dann muss man sich sagen lassen, was man denn grad mal wollen könnte... Total verrückt.

      • @Karl Kraus:

        Das kaufe ich Ihnen nicht ab (sic!), dass Sie Sinn und Unsinn von Werbung nicht verstehen. Ich glaube, Sie sind klug genug, um sich dumm zu stehlen.

        • @lichtgestalt:

          Was die Werber wollen, ist mir schon klar, aber ich verstehe nicht, dass das wirklich zu diesem vermehrten Konsum führt. Da lassen sich offensichtlich Millionen und Milliarden von Menschen für dumm verkaufen (sic!), indem sie die Werbung mit ihrem Willen und Wollen verwechseln. Mein Unverständnis ist ein umgangssprachliches nach dem Motto "Die sin so beklopp, dat begreifichnich."

  • Als Facebook-User machen wir es uns zu einfach und meckern nur, statt zu handeln! Wir haben letztlich die Kontrolle und nicht Facebook! Bekommen wir Werbung, können wir das ja auch auf Facebook publik machen und das entsprechende Produkt oder sogar den Hersteller allgemein boykottieren! Die Industrie wird sicher sehr schnell reagieren und Facebook "in den Hintern treten".

    Aber wir sind eben eine "Geiz-ist geil"-Gesellschaft, die lieber über fehlende Qualität meckert, als mehr Geld für qualitativ hochwertige Produkte auszugeben (was am Ende billiger käme).

    Aber so lassen wir uns von der Industrie steuern, statt dass wir die Industrie steuern!