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Omikron-Lage an den SchulenPräsenz für alle muss weitergehen

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Auch wenn die Inzidenzen hoch sind, die Corona-Lage ist eine andere als vor einem Jahr. Deshalb müssen die Schulen offen bleiben.

Stäbchen rein, weitermachen: Schüler mit Teststäbchen Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

D ie Inzidenzen können Angst machen derzeit, die Schulen müssen trotzdem offen bleiben – und mit offen bleiben ist gemeint: Präsenzunterricht in voller Klassenstärke muss weiter für alle stattfinden. Warum? Erstens, weil die Infektionslage, trotz Rekord-Inzidenzen, eine andere ist als im Lockdown vor einem Jahr: Damals spielte eine Impfquote noch keine Rolle. Zudem ist das Virus inzwischen weiter mutiert, und nach allem, was man bisher weiß, scheint Omikron in Verbindung mit einer hohen Impfquote weniger schwere und schwerste Verläufe zu verursachen.

Das zusammengenommen heißt, dass wir uns – wie Charité-Virologe Christian Drosten am Wochenende im Tagesspiegel-Interview erklärte – am Übergang von einer Pandemie in eine Endemie befinden. Mit anderen Worten: Man muss überlegen, wie man mit dem Virus so umgeht, dass man wieder möglichst viel normales Leben zulässt.

Drosten hat dabei auch klar gemacht, dass man das Virus noch längst nicht ungebremst „durchrauschen“ lassen kann, will man nicht viele Todesfälle in Kauf nehmen. Spanien und Israel bekommen das möglicherweise demnächst noch zu spüren. Auch in Deutschland ist die Impfquote schlicht noch nicht ausreichend – traurigerweise.

Dennoch: Die Pandemie hat sich verändert im Vergleich zu Januar 2021, als die Kinder erst im Homeschooling und dann im Wechselunterricht in halben Klassenstärken waren. Also müssen sich auch die politischen Maßnahmen verändern. Dass, neben vielen anderen PolitikerInnen, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dieser Tage immer wieder betont, dass die Schulen offen bleiben müssen, ist eben genau eine solche Reflexion der veränderten Pandemie-Lage.

Zum Wohle der Kinder

Berlins Landeselternausschuss hatte am Freitag gefordert, die Präsenzpflicht aufzuheben – Eltern sollen also selbst entscheiden dürfen, ob sie ihr Kind noch zur Schule schicken wollen. Alles andere sei „keine Entscheidung zugunsten der Kinder“, hatte Landeselternsprecher Norman Heise gesagt.

Dieser Hinweis auf das Kindeswohl ist eine recht steile These, wenn man davon ausgeht, dass vor allem die Kinder im Homeschooling gelitten haben, deren Eltern zu Hause kein Essen kochen und Aushilfslehrer spielen können – nicht immer, weil sie nicht wollen, sondern weil ihnen die Ressourcen fehlen.

Man kann von der Krisenkommunikation der Senatsbildungsverwaltung bisweilen halten, was man will – aber was bisher gut funktioniert, ist die Corona-Warnampel für die Schulen. Immer donnerstags treffen sich Gesundheitsämter, Schulleitungen und Schulaufsicht, um jede Schule einzeln zu beurteilen. Und das ist auch richtig so: Warum sollte, mal angenommen, ein Gymnasium in Lichtenberg mit geringer Infektionslage in den Wechselunterricht, wenn in Reinickendorf mehrere Grundschulen betroffen sind?

Die pandemische Lage ist komplexer geworden – was auch heißt, dass man es sich bei den Antworten nicht mehr allzu leicht machen darf.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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7 Kommentare

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  • Wieso kommt auch hier der Aspekt der Impfquote unter Kindern überhaupt nicht vor?



    Wir dürfen seit Dezember Kinder ab 5 Jahren impfen lassen - aber viele Kinderärzte tun das nicht, weil die Stiko nicht dazu rät. Das bedeutet, dass die Impfquote bei den unter 12-Jährigen bei ca. 10% liegt.



    Bekannt ist mittlerweile, dass die Impfung auch gegen PIMS und Long Covid schützt. Wieso also, wieso bloß, kann man nicht mal über eine dreiwöchige Unterrichtspause in Verbindung mit einer Impf-Offensive bei den Kindern sprechen - dann könnten alle Eltern, die das für sinnvoll halten, ihre Kinder impfen lassen, und erst DANACH werden sie durchseucht. So wie man es ja auch bei den Erwachsenen seit zwei Jahren beschwört.



    Wieso, wieso, wieso, wieso??? Wieso tun alle so, als würden "Schulschließungen" zwansläufig "fünd Monate Schulschließungen" bedeuten??

  • Klar kann man immer und ewig das Mantra "Die Schulen müssen offenbleiben" herunterbeten.

    Interessant ist, dass sich dieser Artikel überhaupt nicht die Frage stellt, was sich denn in Berlin beispielsweise verbessert hat in Bezug auf die Möglichkeiten des E-Learnings. Ein Hauptproblem im letzten Jahr war die technisch schlechte Ausstattung so mancher Schule und der Mangel an Endgeräten bei vielen SchülerInnen.



    Auch davon sollte man die Frage abhängig machen, ob E-Learning eventuell zwischenzeitlich wieder eine Option werden könnte.

    Interessant ist auch, dass es in solchen Artikeln nie um die Frage der LehrerInnengesundheit geht. Wenn man die Inzidenzen unter Jugendlichen in Neukölln anschaut, wo ich an einer Schule arbeite, kann einem schon recht mulmig werden.

    Auch wenn fast alle LehrerInnen geimpft sind, sind sie damit trotzdem nicht vor Long Covid gefeit im Falle einer Ansteckung.

    Außerdem leisten wir ständig Mehrarbeit, indem wir SchülerInnen in Quarantäne nach dem Unterricht mit Aufgaben und Rückmeldungen versorgen. Das führt dazu, dass nicht wenige inzwischen auf dem Zahnfleisch gehen und Krankenstände an diversen Schulen ohnehin nur noch einen reduzierten Präsenzunterricht zulassen. Anscheinend dringen diese Informationen aber nicht weit genug in die Öffentlichkeit.

    Solche Aspekte sollte man jedoch betrachten, wenn man sich über Schule in Pandemiezeiten äußert.

    Es ist schade, wenn ein Artikel zu einem schwierigen Thema so unterkomplex daherkommt.

    • @cazzimma:

      Die Schulen müssen offenbleiben, aber logischerweise nur so lange das möglich ist. Durch die Möglichkeit zur Impfung und nun auch durch die im Einzelfall nochmal deutlich geringere Krankheitsschwere von Omikron ist die Situation nunmal eine komplett andere als im letzten Winter.

      Dass das real gerade nur ein schwacher Trost ist, da Aufwand, Mehrbelastung und auch die Angst vor Folgen noch immer groß sind, sehe ich ein. Es handelt sich hier aber um eine zeitlich sehr begrenzte Situation.

      In Berlin wird der Höhepunkt der Welle in 2 Wochen vorbei sein und bereits im Laufe des Februar wird nach und nach eine Normalisierung einsetzen, das gesamte Sommerhalbjahr wird zu >90% wieder sehr normal ablaufen.

      Ob sich Richtung Winter oder die nächsten Jahre nochmal eine neue, im Vergleich zu Omikron möglicherweise wieder gefährlichere Sars-CoV2-Variante durchsetzen können wird, weiß niemand. Aber durch die zunehmende Immunität in der Bevölkerung sinkt das Grundrisiko neuer Wellen beständig weiter.

      Ich kann nur jedem empfehlen, die neuesten Interviews mit Hr. Drosten und Hr. Stöhr zu lesen bzw. anzuschauen.

      • @Co-Bold:

        Ich verfoge und schätze Herrn Drosten und glaube seinen Einschätzungen.

        Dennoch bin ich real an einer Schule tätig und erlebe doch tagtäglich, wie viele SchülerInnen real bereits Corona hatten und wie viele sich laufend anstecken.

        Nicht wenige Kolleginnen waren/ sind infiziert.



        Wir unterrichten jetzt eineinhalb Jahre in Maske und das macht den Unterricht extrem anstrengend.

        Dass die 4. Welle so schnell vorbei sein wird wie Sie es behaupten, ist überhaupt nicht klar.

        Von LehrerInnen und ErzieherInnen wird permanent immer nur gefordert und gleichzeitig sind wir offenbar geeignet, für diverse gesellschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht zu werden.

        Unsere Gesundheit spielt keine Rolle; wo gehobelt wird, da fallen Späne.

        Vielleicht sollte die Frage, warum der LehrerInnennachwuchs fehlt, mal ernsthaft und ehrlich untersucht werden.

        • @cazzimma:

          "Unsere Gesundheit spielt keine Rolle; wo gehobelt wird, da fallen Späne."

          Wenn Sie Hr. Drosten folgen, dann wissen Sie auch, dass jeder sich zu 100% mit dem Virus anstecken wird, sinnigerweise natürlich nach vorheriger Impfung, um das Risiko deutlich herabzusetzen. Das Risiko liegt für Lehrer daher nicht wirklich höher. Es ist nichtmal ein Risiko. Es ist eine Gewissheit.

          Wer es geschafft hat, die ersten Varianten zu umgehen, hat sein Risiko auf eine merkliche, in Einzelfällen dauerhafte Problematik, deutlich herabgesetzt. Ja, die Symptomatik von Omikron und die geringere Vermehrung in der Lunge deuten darauf hin, dass auch Long Covid bei Omikron eine deutlich geringere Rolle spielen wird. Auch das ist die Einschätzung der Experten, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht überprüfbar

          "Dass die 4. Welle so schnell vorbei sein wird wie Sie es behaupten, ist überhaupt nicht klar."



          Natürlich könnte sich das Virus in Deutschland auch komplett anders Verhalten als in allen anderen Ländern, aber wie wahrscheinlich ist das?

  • ja, die Lage ist komplex. Das war sie aber schon immer. Homeschooling muß man sich leisten können. Aber auch Kinder in die Schule schicken und das Virus mit nach Hause in die Familie holen, kann sich nicht jeder leisten.



    Was möglich ist, hängt komplett an den persönlichen Lebensumständen, was wichtig ist und was nicht wichtig ist auch. Ich empfinde diese Artikel in denen alle über einen Kamm geschoren werden nicht hilfreich. Der Vorschlag eine Unterrichtsteilnahme in Präsenz freiwillig zu stellen, ist da die bessere Wahl.



    Der Wunsch das Virus nicht einfach durchrauschen zu lassen, ist eine schöne Fata Morgana, die allgemeine Stimmungslage ist aber die, dass wir da jetzt durch müssen. Auch bei Lehrern aus dem Bekanntenkreis, die angeführte Begründung: Es gibt ja eine Impfung. Auch aus der Schule meiner Kinder weiß ich, dass es kaum noch ein Thema ist. Es wird durchrauschen. Dumm für Menschen, für die das ein Problem ist, (Oma zu Hause oder was auch immer) denn auch die müssen die Kinder hinschicken.



    Wenn es aber auf eine Durchseuchung hinausläuft, sollte es auch möglich sein, sich da rauszuziehen, wenn es denn aus persönlichen Gründen nötig ist.



    Wir sind zwar alle dreifach geimpft, aber ich halte es trotzdem für eine saudumme Idee sich zum selben Zeitpunkt anzustecken, wie alle anderen auch. Denn, gibt`s Komplikationen dann lieber bei leeren Krankenhäusern.



    Pauschlisierungen was richtig ist, ist jetzt definitiv nicht mehr möglich, aber es sollte auch zumindest sanktionsfrei sein, wenn Menschen da jetzt nicht mitmachen wollen. Und Schule ist nun mal nicht sanktionsfrei...

    • @nutzer:

      Es gibt gute Argumente gegen die Präsenzpflicht, da haben Sie recht. Da allerdings in Deutschland gesetzlich Schulpflicht herrscht, muss eine pandemiebedingt ohnehin schon reduzierte Lehrerschaft doppelten Unterricht leisten: Präsenz UND Homeschooling. Das ist sagen wir mal so, bei bestem Willen, nicht ganz einfach, auch nicht für die Kiddies.

      3-4 Stunden gehen drauf pro Woche fürs Testen. Viel Zeit geht auch drauf für zusätzliche Schulwege. Dann gilt es zB, nach 4 "Unterrichts"stunden von denen 3 Std Vertretungs-Zeitvertreib sind, nach Hause zu hetzen, um rechtzeitig zur 5. Std. ohne Mittagessen online noch die notenrelevante Prüfung abzulegen. Denn nur im Homeschooling kriegt man sie alle zugleich "ran". Ich finde aber nun, wenn die Präsenzpflicht aufgehoben wird, sollten auch keine Noten mehr fällig werden. Und weiter gedacht: ohne Präsenzpflicht auch keine Schulpflicht. Sabbatical für alle, bis Corona vorbei ist. Zuhause anderes lernen. Verantwortung übernehmen, Aufräumen, Streitkultur, Medienkunde, Nähen - Friday for Future is every day.