Olympische Winterspiele an Afrika vorbei: Exklusives Sportfest
Die Olympischen Winterspiele gehen am afrikanischen Kontinent praktisch vorbei. Das wird mehr oder minder als naturgegeben hingenommen.
Neunundvierzig Tage sind’s noch bis zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking. Spiele, die in sportlicher und politischer Hinsicht wohl viel Wirbel machen werden. Aber nicht in Afrika. Denn die Winterspiele gehen an diesem Kontinent mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern in 55 Ländern praktisch vorbei. Olympia und Afrika verbinden sich im Sommer zu einer Gold-Silber-Bronze-Legierung (über 400 Medaillen), im Winter finden sie so gut wie gar nicht zusammen.
Dass ein kompletter Kontinent bei einem der größten Sportfeste keine Rolle spielt, ist nicht Gegenstand von Sportkonferenzen, auf denen über Partizipation nachgedacht wird oder die Ermöglichung der ersten afrikanischen Wintermedaille, nein, es ist ein Zustand, der hingenommen wird – mit Verweis auf die klimatischen Bedingungen, die wirtschaftliche Lage. Und überhaupt.
Während es in Deutschland gleich vier Rodelbahnen mit einem Millionenbudget gibt, steht in Afrika keine einzige. Es gibt – notabene – keine Skiweltcups und Schanzentourneen. Die einzige Schanze stand zwischen 1906 und dem Ende der 30er Jahre in Algier. Der Norweger Ragnar Ørmen sprang 1933 mit 28 Metern Schanzenrekord auf der Anlage, die noch vorm Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
Skifahren kann man zumindest in Marokko im Skigebiet Oukaïmeden sowie in Südafrika und Lesotho. Bei den letzten Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang entsandte der wintersportlich abgehängte Kontinent Sportler aus immerhin acht Ländern: Athleten aus Eritrea, Ghana, Kenia, Madagaskar, Marokko, Nigeria, Südafrika und Togo trugen zur größten Präsenz afrikanischer Länder bei einer Winterolympiade bei.
15-jährige südafrikanische Eiskunstläufer
Von den fünfzehn Ländern, die Afrika zwischen 1960 und 2018 bei den Winterspielen vertreten haben, nahmen nur sieben Länder an mehr als einer Winterolympiade teil. Südafrika trat 1960 erstmals mit einem ausschließlich weißen Team an. Die jungen Athletinnen und Athleten, das Durchschnittsalter betrug gerade mal 15 Jahre, gingen alle im Eiskunstlaufwettbewerb an den Start. Kinder von weißen Südafrikanern konnten sich eine Ausbildung im Eiskunstlauf in Stadien leisten, die in den 1950er Jahren gebaut worden waren. Der Ausschluss wegen der Apartheidpolitik erfolgte 1962. Südafrika war raus – bis 1994.
Marokko war das zweite afrikanische Land, das an den Winterspielen teilnahm. Fünf alpine Skifahrer fuhren zu den Spielen 1968 in Grenoble. Marokkos Teilnahme hatte eine gewisse Symbolkraft, da sich das Land erst vor gut einer Dekade von der französischen Kolonialherrschaft befreit hatte. Doch wegen des Konflikts in der Westsahara konnten keine Marokkaner zu den nächsten drei Winterolympiaden reisen. Auch zwischen 1992 und 2010 schickte Marokko keine Alpinen auf die Olympiahänge.
Senegal wiederum feierte seine erste von fünf Teilnahmen 1984, als der alpine Skifahrer Lamine Guèye das westafrikanische Land in Sarajevo vertrat. Guèye wurde im Senegal geboren, aber seine Familie schickte ihn nach dem Tod seines Großvaters Lamine Guèye, Chef der senegalesischen Partei für Sozialistische Aktion, im Alter von acht Jahren in die Schweiz.
Guèye war der erste schwarze Afrikaner, der an Winterspielen teilnahm. Er belegte in der Abfahrt und im Riesenslalom die Plätze 45 und 57. Nach seiner Abfahrt sagte Guèye: „Wir haben im Senegal nicht einmal ein Wort für Abfahrt, weil wir keine Berge haben.“ Der größte Hügel im Senegal ist 645 Meter hoch, es ist der Nepen-Diakha-Berg. Aber was sollen erst die Niederländer (130 Winter-Medaillen) sagen? Dort geht es maximal 323 Meter hinauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste