Olympia 2022 – Dabei sein verboten (2): Er stößt auf taube Ohren
Der Filmemacher Dhondup Wangchen hat 2008 einen chinakritischen Film gedreht und kam dafür ins Gefängnis. Nun fordert er einen Olympia-Boykott.
Die Kritik von Menschenrechtlern an der Vergabe der Olympischen Spiele 2008 in Peking hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) seinerzeit damit abgetan, dass China während der Spiele ja den Schutz von Menschenrechten und Redefreiheit zugesichert habe.
Der tibetische Filmemacher Dhondup Wangchen hat dem Versprechen Pekings schon damals keinen Glauben geschenkt. Wie recht er damit hatte, bekam er am eigenen Leib zu spüren.
Dhondup Wangchen war ein einfacher Bauer gewesen, der nie eine Schule besucht hatte. Mit der Hilfe eines Mönches drehte er mit einer einfachen Videokamera zwischen 2007 und 2008 einen Dokumentarfilm, in dem Bauern, Arbeiter, Mönche und andere Tibeter Auskunft geben über ihre Erfahrungen mit Chinas Herrschaft.
Die Protagonisten sprechen über die Besiedelung Tibets mit Han-Chinesen und über ihre Erwartungen an die Olympischen Spiele 2008. Keiner der Befragten äußerte sich in „Leaving Fear Behind“ – so der Filmtitel – positiv über Pekings Politik oder die bevorstehenden Spiele.
Der Film war noch nicht geschnitten, aber das Rohmaterial schon ins Ausland geschickt, da brachen in Tibets Hauptstadt Lhasa tödliche Unruhen aus. Daraufhin verhafteten Chinas Behörden viele Tibeter, darunter Dhondup Wangchen. Der damals 33-Jährige wurde nach eigenen Angaben gefoltert. Später wurde er wegen „Anstiftung zum Separatismus“ zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Exil in den USA
Für China hatte er mit dem 25-minütigen Film klar gegen Tabus verstoßen. Dabei dürften die Behörden durch ihr brachiales Vorgehen gegen den Regisseur selbst stark zur Verbreitung seines Films beigetragen haben.
Nach Jahren der Zwangsarbeit kam Dhondup Wangchen 2014 frei. Doch weil er weiter überwacht und schikaniert wurde, entschied er sich zur Flucht. Seit 2017 lebt er in den USA. Er fordert einen vollständigen Boykott der Winterspiele – nicht nur einen diplomatischen, wie ihn einige westliche Regierungen verkündet haben.
„Es ist offensichtlich, dass Menschen unter der repressiven kommunistischen chinesischen Herrschaft nicht einmal das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern, weil das ihr Leben kosten könnte.“
Beim IOC stieß er mit seiner Forderung auf taube Ohren, auch beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sprach er erfolglos vor. Die deutsche Regierung schickt zwar keinen Vertreter zur Eröffnung, spricht aber nicht von diplomatischem Boykott.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden