Olaf Scholz und der Wirecard-Betrug: Freund der Finanzbranche
Ohne den Untersuchungsausschuss wüssten wir kaum etwas über den Wirecard-Skandal. Er macht einen guten Job. Doch die Regierung wird wohl kaum etwas ändern.

D er Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal leistet hervorragende Arbeit: Er hat nicht nur die Fehler etlicher Führungskräfte in der Finanzaufsicht offen gelegt – und ihnen den Job gekostet. Er hat einer breiten Öffentlichkeit eines vor Augen geführt: das systematische Versagen der Finanzaufsicht bei gleichzeitig enormer Einflussnahme eines betrügerischen Konzerns auf die Politik.
Ohne den Bundestagsausschuss hätte die Öffentlichkeit nie erfahren, dass auf der Gehaltsliste von Wirecard – eines mit Porno- und Glücksspielgeschäften groß gewordenen Unternehmen – unter anderem ein ehemaliger Polizeipräsident, der früherer Hamburger Bürgermeister Ole van Beust, der Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und ein einstiger Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt standen. Selten wurde so deutlich: Zugang zu höchsten Entscheidungsträger:innen ist käuflich.
Die Bundesregierung simuliert nur Veränderungswillen, sie unternimmt viel zu wenig gegen diesen ausufernden Lobbyismus und die faktisch nicht existierende Finanzaufsicht. Es fehlen nach wie vor strikte Karenzregeln, die verhindern, dass sich Politiker:nnen als Mietmäuler verdingen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will sich nicht mit der Finanzbranche anlegen. Er ist nur zu Reförmchen bereit, die Fälle wie bei Wirecard nicht verhindern. Denn es wird auch künftig keine echte Bilanzpolizei geben. Die Finanzindustrie wird sich weiterhin selbst kontrollieren.
Der SPD-Kanzlerkandidat offenbart sich ungeniert als Freund der Finanzbranche, wenn er nur eine Selbstkontrolle und keine staatlichen Prüfungen will. Während der oder die gemeine Bürger:in gegängelt wird und schon eine Strafe zahlen muss, wenn die Steuervorauszahlung eine Woche zu spät kommt, jonglieren Konzerne ungestraft mit Milliarden und reißen bei einem Absturz etliche Kleinanleger:innen mit in den Abgrund. Daran nichts zu ändern, ist eines sozialdemokratischen Finanzministers unwürdig. Wenn die SPD glaubt, dass das im Wahlkampf keine Rolle spielen wird, irrt sie gewaltig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen