Offener Brief für einen Waffenstillstand: Wir Israelis fordern von der Welt mehr Druck auf unser Land
Mehr als 3.000 Israelis haben diesen offenen Brief unterzeichnet. Sie fordern, „jede mögliche Maßnahme“ zu nutzen, um „uns vor uns selbst zu retten“.
W ir, israelische Staatsbürger*innen, die in und außerhalb Israels leben, rufen die internationale Gemeinschaft – die UN, die USA, die EU, die Arabische Liga und alle Staaten – auf, sofort einzugreifen und jede mögliche Maßnahme zu ergreifen, um einen sofortigen Waffenstillstand zwischen Israel und dessen Nachbarstaaten zu erreichen. Das ist geboten, um die Zukunft beider Völker in Israel/Palästina und aller Völker der Region sowie ihr Recht auf Sicherheit und Leben zu wahren.
Viele von uns setzen sich seit Jahrzehnten gegen die Besatzung und für Frieden und eine gemeinsame Zukunft ein. Wir sind von Liebe zu diesem Land und seinen Bewohner*innen angetrieben, und wir machen uns um seine Zukunft Sorgen. Wir sind entsetzt über die Kriegsverbrechen, die von der Hamas und anderen Organisationen am 7. Oktober begangen wurden, und wir sind entsetzt über die zahllosen Kriegsverbrechen, die von Israel seither begangen werden. Leider unterstützt die Mehrheit der Israelis die Fortsetzung des Krieges und der Massaker, und ein Wandel von innen ist derzeit nicht möglich. Der Staat Israel befindet sich auf einem selbstmörderischen Kurs und sät Zerstörung und Verwüstung, die Tag für Tag zunehmen.
Die israelische Regierung hat ihre entführten Bürger*innen im Stich gelassen (und manche davon getötet). Sie hat die Bewohner des Südens und des Nordens Israels vergessen, und sie hat das Schicksal und die Zukunft aller ihrer Bürger aus dem Auge verloren. Die palästinensischen Bürger Israels werden von den staatlichen Behörden und von der breiten Öffentlichkeit verfolgt und zum Schweigen gebracht. Wir sind der Meinung, dass die Repression, die Einschüchterung und die politische Verfolgung viele, die unsere Ansichten teilen, davon abhalten, sich diesem Aufruf anzuschließen.
Stoppt die Massaker!
Jeder Tag, der vergeht, lässt jegliche Aussicht auf Versöhnung, Frieden und eine Zukunft, in der jüdische Israelis in Sicherheit leben können, in weitere Entfernung rücken. Dies zu erreichen, wird langwierige Prozesse erfordern. Die ständigen Massaker und Zerstörungen aber müssen sofort gestoppt werden!
Das Fehlen eines wirklichen internationalen Drucks, die Fortsetzung der Waffenlieferungen an Israel, die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Partnerschaften sowie die wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit lassen die meisten Israelis glauben, dass die israelische Politik internationale Unterstützung genießt.
Die Staats- und Regierungschefs vieler Länder geben immer wieder Erklärungen ab, in denen sie die israelischen Operationen verbal anprangern. Aber diese Verurteilungen werden nicht durch konkretes Handeln gedeckt. Wir haben genug von leeren Worten und Erklärungen.
Bitte, für unsere Zukunft und die Zukunft aller Bewohner Israels und der Region, retten Sie uns vor uns selbst und üben Sie wirklichen Druck auf Israel aus, um einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen.
Anmerkung: Der offene Brief ist auf Französisch in der Libération sowie auf Englisch im Guardian erschienen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus