Österrreichs Regierungschef Kern: Der Kanzler auf der Gaypride
Christian Kern ist der erste seiner Art, der auf an einem CSD teilnimmt. Er hat sich gegen den Jesus-Marsch und für Vielfalt entschieden.
In Jeans, mit offenem weißem Hemd unter dem legeren Sakko und dem Regenbogenanstecker am Revers gab er sich betont volksnah. „Ich bin Bundeskanzler und auf der Regenbogenparade“, stellte er fest: „Mein Gott, es ist 2016 und die Zeit dafür war überreif.“ Er finde es „beschämend, dass wir heute keine vollständige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Österreich haben“. Jeder der Auftritte des 50-jährigen Sozialdemokraten ist inszeniert, jedes seiner Worte kalkuliert. Die kurze Ansprache bot Gelegenheit, sich zum Massaker von Orlando zu äußern und eine gesellschaftliche Botschaft zu verpacken: „Ein feiger Mord, der uns daran erinnern soll, was unser gemeinsamer Feind ist, nämlich Hass, Intoleranz und Gewalt.“
Kern hätte auch mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Kardinal Schönborn vor den Teilnehmern eines fast gleichzeitig stattfindenden Jesus-Marsches auftreten können. In Österreich gibt es mehr Christen als Homosexuelle. Doch der bekennende Agnostiker vermeidet durchschaubare Effekthascherei. Er will Profil zeigen und Zeichen setzen. Etwas, was die SPÖ lange Zeit vermissen ließ.
Sein Facebook-Auftritt ist weit professioneller als der seines in Ungnade gefallenen Vorgängers Werner Faymann. Zur Fußball-EM posierte er mit einem Ball am Rist in seinem imperialen Arbeitszimmer. In den sozialen Medien wird bereits über dieses Foto und seine Bilder als Mr. Cool mit Sonnenbrille gewitzelt. Aber noch bevor man vom ehemaligen Manager der Staatsbahnen konkrete politische Erfolge erwarten kann, hat er der SPÖ neues Leben eingehaucht und führt in den Umfragen bei der Kanzlerfrage. Und hat damit FPÖ-Chef und Oppositionsführer Heinz Christian Strache abgelöst.
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