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Österreichs Exkanzler zieht sich zurückKurz mal Papa statt Politiker

Der einstige Kanzler Österreichs hat seinen Rückzug aus der Politik verkündet. Die Geburt seines Sohnes habe ihm gezeigt, dass es Wichtigeres im Leben gebe.

Geht mal Windeln wechseln: Sebastian Kurz Foto: dpa

Wien dpa | Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz tritt von der politischen Bühne ab. Der 35-Jährige gab am Donnerstag seinen Rücktritt als Partei- und Fraktionschef der konservativen ÖVP bekannt. Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn hätten seine Leidenschaft für die Politik geschmälert, und die Geburt seines Sohnes vor wenigen Tagen habe ihm gezeigt, dass es Wichtigeres im Leben gebe, begründete er seinen Schritt.

Die ständigen Anschuldigungen seien kraftraubend und zehrend gewesen. „Sie haben in mir meine Flamme etwas kleiner werden lassen“, sagte er vor Journalisten in der Parteiakademie der ÖVP.

Gegen Kurz ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss und wegen des Verdachts der Untreue. Kurz und seine politischen Mitstreiter sollen seinen Aufstieg an die Regierungsspitze unter anderem mit Hilfe von Steuergeldern befördert haben. Kurz bestreitet die Vorwürfe.

Laut Medienspekulationen könnte Innenminister Karl Nehammer als Chef der ÖVP nachfolgen und auch das Amt des Kanzlers von Alexander Schallenberg übernehmen.

Außenminister mit 27 Jahren

Kurz galt lange Zeit als politischer Superstar der Konservativen in Europa. Er startete seine politische Karriere auf Bundesebene 2011 als Staatssekretär für Integration. Mit 27 Jahren wurde er 2014 jüngster Außenminister in der Geschichte Österreichs. 2017 gelang ihm der Sprung an die Regierungsspitze. Kurz wurde Kanzler einer Regierungskoalition aus ÖVP und rechter FPÖ. Für die Beteiligung der Rechtspopulisten an der Regierung wurde Kurz vielfach kritisiert. Nach dem Ende der Koalition in Folge der Ibiza-Affäre kam es zu Neuwahlen. Seit Anfang 2020 war Kurz Kanzler eines Bündnisses von ÖVP und Grünen.

Zu seinen politischen Markenzeichen gehörte seine große Bürgernähe und sein vehementes Eintreten für eine restriktive Migrationspolitik. Seine politische Kommunikation war geprägt von sehr klaren Ansagen. Jahrelang war Kurz außerordentlich populär.

Seit die Staatsanwaltschaft im Mai Ermittlungen gegen Kurz aufnahm, begann sein politischer Stern zu sinken. Vorläufiger Tiefpunkt waren Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Zentrale im Oktober, nach denen Kurz als Regierungschef zurücktrat.

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4 Kommentare

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  • Was für eine elende Show!

  • "Ich bin weder ein Heiliger, noch ein Verbrecher"

    Punkt 1.) Zustimmung



    Punkt 2.) darüber wird ein ordentliches Gericht befinden...

  • Ich glaube Kurz sogar, dass die Geburt nicht nur ein Vorwand für den Rückzug ist.



    Erster Gedanke war, es handele sich bei der Geburt nur um einen gesichtswahrenden Anlass zum Rückzug aus einer sowieso aussichtslosen Stellung.

    Nun glaube ich aber doch, dass die Geburt und die Zeit für Gespräche mit seiner Frau doch auch insgesamt dazu beigetragen haben kann, dass Kurz die allgemeine Situation und Lebensperspektive neu zu durchdacht hat, so dass man diesem Umstand vielleicht doch 20% an der Entscheidung zubilligen kann, neben 80% politischen und der Kritik seiner ehemaligen Weggefährten. Aber vielleicht waren es ja sogar diese 20%, die am Ende das Zünglein an der Waage waren für den Rückzug.

  • Den ganzen Tag Familie? Windeln wechseln? Oder nervt der Untersuchungsausschuss? Peng