Österreichischer Karikaturist gestorben: Ein Himmel voller Deix-Figuren
Der Künstler und Karikaturist Manfred Deix ist tot. Der kettenrauchende Spötter war einer der meistgehassten Künstler Österreichs.
Eine „Deixfigur (Gebrauch: österreichisch)“, so der Duden, ist eine „ins Lächerliche verzerrte Darstellung eines Menschen“. Wenigen zeitgenössischen Künstlern wird die Ehre zuteil, in ein offizielles Wörterbuch Eingang zu finden. Über Mangel an Würdigungen konnte sich Manfred Deix zeitlebens nicht beklagen.
Gleichzeitig war er einer der meistgehassten Künstler, denn allzu viele haben sich in seinen Zeichnungen wiedererkannt. Er porträtierte den rechtspopulistischen Hetzer Jörg Haider als Kettenhund und zeichnete Kleriker bei Sexspielen und Knabenliebe. Die katholische Kirche und die rechte FPÖ verfolgten ihn jahrelang mit Anzeigen und Prozessen.
Er habe sich glücklich gefühlt, wenn es ihm gelang, „Leute zu verängstigen, zu verunsichern, in die Gosch’n zu hauen – bildlich gesprochen“. Das nahmen ihm viele übel. Aber: „Brave Karikaturen sind für ’n Hugo.“. Er habe sein Leben lang „einen sehr kritischen Blick gehabt, was das Aussehen der Menschen betrifft“, pflegte Deix mit Unschuldsmiene zu sagen. Das sei ihm eben so passiert. Aber weil er sich selbst nicht ausnahm – übergewichtig und mit ungepflegten Haaren war Deix selbst eine Deixfigur –, blieb er glaubwürdig.
Der kettenrauchende Spötter, der sein Haus in Korneuburg bei Wien mit seiner Frau Marietta und Dutzenden Katzen teilte, machte sich über Rassisten ebenso lustig wie über scheinheilige und korrupte Politiker, über versoffene Biedermänner und übergewichtige Frauen. Die besondere Hingabe, mit der er „Zumpferl“ zeichnete, brachten ihm den Ruf ein, er sei genitalfixiert.
Doch Deix bestritt mit Augenzwinkern jede Absicht: „Ich habe einen Stift und lasse die Hand rotieren. Da passieren Zeichnungen, über die ich mich manchmal wundere.“ Um Botschaften ging es ihm nicht: „Karikaturisten, die glauben, sie können die Welt verändern, haben einen Schuss, sind dumm!“
Schon als Elfjähriger regelmäßig veröffentlicht
Manfred Deix war zweifelsfrei ein Naturtalent. Schon in der Schule, so erzählte er, habe er mit Nacktbildern, die er an Schulkollegen verkaufte, sein erstes Geld verdient. Als Elfjähriger bekam er eine regelmäßige Spalte: ausgerechnet in der Niederösterreichischen Kirchenzeitung. Die Schule hat er so wenig beendet wie die Kunstakademie. Denn bald konnte er von seiner Arbeit leben. Er war kaum 23 Jahre alt, als österreichische Zeitschriften wie Profil und Trend seine respektlosen Bilder abdruckten. Bald darauf begann sein Siegeszug in der deutschen Presse: Stern, Spiegel und der deutsche Playboy veröffentlichten regelmäßig Deixbilder.
Niederösterreichs konservativer Landeshauptmann Erwin Pröll vereinnahmte den Spötter, indem er ihm ein Karikaturenmuseum in Krems an der Donau widmete. Die Deixbilder sind dort neben wechselnden Werkschauen anderer Künstler als Dauerausstellung zu sehen. Vor dem Eingang sitzt eine Deixfigur in Bronze. Manfred Deix, politisch eher links verortet, bevölkerte seither die Unterstützungskomitees für den autokratischen Landesfürsten.
Sein Lebensmotto, „ich zeichne, saufe und rauche“, hat er sehr ernst genommen. Manfred Deix starb am Samstag 67-jährig „nach langer schwerer Krankheit“, wie seine Witwe meldete. Man kann nur hoffen, dass der Himmel voller Deixfiguren ist.
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