Österreich nach der Präsidentenwahl: Hassobjekt Van der Bellen
Unterstützer der FPÖ arbeiten sich weiter mit aggressiven Mails am neuen Staatschef ab. Der wird von einer Spezialeinheit begleitet.
Wer in Österreich glaubte, Warnungen vor dem rechtsextremen Umfeld des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer seien übertrieben, wird von den im Internet zirkulierenden Aggressionen eines Besseren belehrt.
Sogar Frauen, die den Ausgang der Bundespräsidentenwahlen vom 22. Mai nicht hinnehmen wollen, gehen auf ihre Geschlechtsgenossinnen los: „Die weiblichen VdB-Wähler sollen sich von den Asylanten vergewaltigen und erschlagen lassen und ihre Männer arbeitslos werden“. Van der Bellen wird daher stets von einer Limousine der Spezialeinheit Cobra begleitet.
Die FPÖ distanziert sich zwar von solchen Postings, hat die schlimmsten gelöscht und eine für Samstag geplante Demonstration abgeblasen, doch attackiert sie den Präsidenten für dessen Äußerungen in den Medien. Gegenüber der ARD hat er ja bestätigt, er würde FPÖ-Chef Heinz Christian Strache auch als Wahlgewinner nicht mit der Regierungsbildung beauftragen: „Weil die FPÖ mit dem Feuer spielt, mit der Renationalisierung der EU liebäugelt. Das ist nicht im Interesse Österreichs.“
Kein Präsident für alle Österreicher
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl tobt: „Van der Bellen hat die Riesenchance ausgelassen, Gräben zuzuschütten. Er will gar kein Präsident für alle Österreicher sein, sondern der verlängerte Arm und das Sprachrohr von Rot-Schwarz-Grün und der Eurokraten.“ Wider besseres Wissen unterstelle er der FPÖ Europafeindlichkeit.
Alexander Van der Bellen wird erst am 8. Juli sein Amt übernehmen. Laut einer nach der Wahl erhobenen Gallup-Umfrage glauben 49 Prozent der Befragten, der neue Staatschef könne das Land versöhnen. 39 Prozent trauen ihm das nicht zu.
Sorgen machen muss sich indes FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, denn jeder zweite Befragte findet Norbert Hofer besser geeignet, die Partei in den nächsten Wahlkampf zu führen. Unter den deklarierten FPÖ-Wählern sind es sogar 61 Prozent. Hofer weist Putschgelüste zurück. Er werde bei den nächsten Nationalratswahlen, die spätestens im Herbst 2018 anstehen, hinter Strache kandidieren und die Position des Ersten Nationalratspräsidenten anstreben.
Ob die FPÖ die Wahlen anfechten wird, ist noch immer nicht klar. Aus einigen Bezirken wurden Unregelmäßigkeiten gemeldet. So habe die Auszählung der Wahlkarten in einigen Kärntner Wahlkreisen zu früh begonnen. Robert Stein, der Leiter des Wahlbüros im Innenministerium, sieht aber keinen Einfluss auf das Endergebnis.
Dessen ungeachtet werden weiter Verschwörungstheorien gesponnen. Durch eine Geheimtinte, die vom Papier verschwindet, seien Stimmen für Hofer quasi in Luft aufgelöst worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?