Ölförderung in Kanada: Pipeline-Bau vor dem Aus
Wegen großer Widerstände von Umweltschützern und Ureinwohnern baut der Konzern Kinder Morgan die Trans-Mountain-Röhre nicht weiter.
Die Regierung Trudeau hält den Ausbau aus wirtschaftlichen Gründen für unverzichtbar und hat die neue Erdölpipeline 2016 genehmigt. Auch die kanadische Aufsichtsbehörde hat sie unter Auflagen durchgewunken. Der texanische Energiekonzern Kinder Morgan hat 7,4 Milliarden kanadische Dollar bereitgestellt, um die Röhre durch die Wildnis zu rammen und zwölf neue Pumpstationen zu bauen.
Trotzdem sieht es nun so aus, als wird die Pipeline womöglich nie gebaut. Am Sonntag kündigte Kinder Morgan überraschend an, alle vorbereitenden Bauarbeiten vorerst einzustellen. Grund sind massive Widerstände von Umweltschützern und Ureinwohnern sowie anhaltende juristische Probleme. Zudem lehnt die sozialdemokratische Regierung der Küstenprovinz British Columbia die Pipeline ab.
Kinder Morgan Konzernchef Steve Kean betonte, die derzeitigen Unsicherheiten seien den Aktionären nicht weiter zuzumuten. Das Unternehmen hat bislang rund eine Milliarde Dollar in das Projekt investiert. Zugleich stellte Kean der Regierung ein Ultimatum: Man werde das Projekt endgültig fallen lassen, falls die Beteiligten bis Ende Mai keine Rechtssicherheit für die Pipeline hergestellt hätten.
Mehrere Klagen gegen die Pipeline sind anhängig
Danach sieht es derzeit nicht aus. In Kanada sind mehrere Klagen gegen die Pipeline anhängig. Die von den Grünen tolerierte Regierung in British Columbia hat versprochen, den Bau „mit allen Mitteln“ zu stoppen. An diversen Baustellen war es zuletzt zu Protesten gekommen, wobei hunderte Demonstranten vorläufig festgenommen worden, darunter auch zwei Parlamentarier aus Ottawa.
Der Oberhäuptling der Ureinwohner von British Columbia, Stewart Phillipp, sagte am Wochenende am Rande einer Demonstration in Burnaby, die Pipeline-Pläne seinen „gefährlich, schädlich und schmutzig.“ Der Klimaschutz-Aktivist Mike Hudema von Greenpeace betonte, die Investoren hätten offenbar verstanden, dass der Widerstand gegen das Projekt in Kanada täglich größer werde.
Tatsächlich ist die Pipeline in den Küstengemeinden Kanadas umstritten, denn Kinder Morgan möchte damit rund drei Mal mehr Öl an den Pazifik transportieren als bislang. Die Kapazität des bisherigen Systems soll sich von rund 300.000 Barrel Erdöl pro Tag verdreifachen. Statt derzeit fünf würden dann entsprechend mehr Tanker im Monat in den Gewässern rund um Vancouver kreuzen.
Für Umweltschützer ist das ein Alptraum. Die zerklüfteten Küsten vor British Columbia gelten als schwer navigierbar und werden oft von Stürmen heimgesucht. Ein Tankerunfall hätte verheerende Folgen für die Lachsbestände der Region, von denen viele Ureinwohner leben. Fatal wäre es auch für die heimischen Orca-Wale, deren Population wegen des steigenden Schiffsverkehrs als gefährdet gilt.
Kanada sitzt auf den drittgrößten Rohölreserven der Welt, hat derzeit aber große Schwierigkeiten, das Öl auf die Weltmärkte zu bringen, weil es im eigenen Land nicht genügend Transportkapazitäten gibt. Würde die Pipeline gebaut, könnten sich die Produzenten neue Märkte in Asien erschließen.
Premierminister Justin Trudeau steckt in der Zwickmühle. Trudeau hat in Kanada derzeit ohnehin mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen und hatte sein politisches Schicksal eng mit dem Bau der Trans Mountain Pipeline verknüpft. Erst am Freitag hatte er die Ölsand-Hauptstadt Fort McMurray in Alberta besucht und dabei den Ölarbeitern demonstrativ den Rücken gestärkt.
Trudeau befürchtet, dass Investoren Kanada zukünftig links liegen lassen könnten, falls die Pipeline scheitert und hat angekündigt, die Röhre trotz aller Widerstände doch noch durchzusetzen. Wie er das anstellen will, ist auch nach einer eilig einberufenen Sondersitzung des Kabinetts am Dienstag dieser Woche unklar.
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