Ökostromer verweigert Tarifverhandlungen: Als Arbeitgeber kein Lichtblick
Die Gewerkschaft Ver.di fordert Deutschlands größten Ökostromanbieter Lichtblick zu Tarifverhandlungen auf. Das Hamburger Unternehmen mauert.
Was Lichtblick jedoch nicht bietet, sind Tarifverträge. Die Gewerkschaft Ver.di fordert nun, dass sich das ändert. „Es ist Zeit für einen Tarifvertrag“, sagt Björn Krings, zuständiger Gewerkschaftssekretär von Ver.di Hamburg. „Lichtblick ist kein Start-up mehr.“
1998 von Hamburger Unternehmern gegründet, gehörte Lichtblick zu den ersten Firmen, die nach der Liberalisierung des Strommarktes Strom ohne Kohle und Atom anboten. 2018 übernahm der niederländische Energieversorger Eneco den Hamburger Anbieter, von den Manager:innen der Aufbauphase arbeitet niemand mehr im Unternehmen. Ob der einstige Ökopionier immer noch so öko ist, wie er sich gibt, wird in der Umweltbewegung bezweifelt. Lichtblick selbst bezeichnet sich heute als Deutschlands größten Ökostrom-Anbieter, hat 400 Mitarbeitende und setzt jährlich über eine Milliarde Euro um.
Die Unternehmensführung zeigt wenig Bereitschaft, Ver.dis Forderung nachzukommen. „Wir streben eine innerbetriebliche Lösung an“, erklärt Sprecher Ralph Kampwirth. „Wir glauben, dass wir mit dem Betriebsrat eine gute Lösung finden.“ Mehrfach betont er, Lichtblick sei ein attraktiver Arbeitgeber.
Gute Sachen, die aber nicht garantiert sind
Das zweifelt Ver.di auch gar nicht an. „Es gibt gute Sachen, zum Beispiel das Sabbatical“, sagt Gewerkschaftler Krings. Die seien jedoch nicht garantiert. „Mit dem Tarifvertrag wollen wir deshalb auch die bestehenden guten Arbeitsbedingungen absichern.“ Allerdings kämen bestimmte tarifliche Standards bei Lichtblick bisher nicht vor. So fehlten Weihnachtsgeld, Gehaltsaufstockung beim Krankengeld und regelmäßig mit der Gewerkschaft ausgehandelte Tariferhöhungen. Auch das will Ver.di ändern.
Björn Krings, Ver.di-Gewerkschaftssekretär
„Die Hauptpunkte für die Beschäftigten sind Gehälter und Arbeitszeiten“, sagt Sven Peters, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Ver.di-Tarifkommission. Lichtblick setze weiterhin auf die 40-Stunden-Woche. Das sei nicht zeitgemäß. Auch eine Bezahlung unter branchenüblichem Tarif sei vielen Beschäftigten nicht mehr zu vermitteln.
Für Peters ist es ein deutliches Zeichen, dass Ver.di derzeit einen enormen Zuwachs an Gewerkschaftsmitgliedern erhalte – auch wenn er keine genaueren Zahlen preisgeben will. Bei einer Umfrage vor zwei Jahren hätten sich jedoch fast 80 Prozent von 170 Beschäftigten für einen Tarifvertrag ausgesprochen. „Die Höhe des Gehalts ist für die Mitarbeitenden bei Lichtblick schon länger ein Thema.“ Für ein eigentlich sozial engagiertes Unternehmen sei der Tarifvertrag ein fehlender Baustein, so Peters.
Keine Mitsprache bei Gehältern
Bei den „innerbetrieblichen Lösungen“ habe der Betriebsrat nur ein beschränktes Mitspracherecht. „Wie hoch die Gehälter sind, können wir nicht beeinflussen.“ Lediglich bei der Gehaltsstruktur, also wie das Geld prozentual verteilt werde, könne man mitbestimmen. Letztendlich gebe es ohne Gewerkschaft und Tarifvertrag keinen Konterpart zur Unternehmensführung, was die Höhe der Gehälter und wesentliche Arbeitsbedingungen betreffe.
Lichtblick scheint jedoch kein Einzelfall zu sein. Es sei ein Problem der gesamten Branche, sagt Krings. „Die meisten Unternehmen in der erneuerbaren Energiewirtschaft haben noch keine tarifliche Einigung.“ Viele seien noch relativ jung und kämen aus einer Start-up-Kultur mit schwachen Hierarchien.
Gerade im Vergleich mit den konventionellen Stromanbietern und mit dem eigenen Anspruch, soziales Unternehmen zu sein, hinkten Firmen wie Lichtblick hinterher, sagt Krings. „Bei den großen Energieversorgern handeln Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften standardmäßig Tarifverträge aus“ – und das gelte auch, wenn die Konzerne auf erneuerbare Energien umstiegen. Deshalb versuche Ver.di nun bei einem der größten Energieversorger Deutschlands anzusetzen. „Wenn Lichtblick mit gutem Beispiel vorangeht, hat das Signalwirkung“, ist Krings überzeugt.
Aber auch Ver.di sei bei der Unternehmensführung auf eine „klar ablehnende“ Haltung gestoßen. „Solange es keinen Tarifvertrag gibt, besteht auch keine Friedenspflicht“, warnt Krings. „Beim niederländischen Mutterkonzern gibt es ja auch einen Tarifvertrag.“ Sollte sich die Geschäftsführung dauerhaft weigern, werde Ver.di einen Warnstreik in Betracht ziehen.
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